Unter dem goldenen Blätterdach der Gemeindebadewiese in Schondorf ist das römische Badehaus der "Villa Rustica" zu neuem Leben erwacht: Der Verein "Schondorfer Kreis für Kultur und Landschaftspflege" hat vergangene Woche zur Einweihung des rekonstruierten Grundrisses eingeladen. Die Überreste, die bereits vor 100 Jahren entdeckt wurden, wurden nun mit Ziegelsteinen und Beton in leicht erhöhter Form nachgebildet.
Dorothee Mayer-Tasch, seit der Vereinsgründung 1979 Vorsitzende des Schondorfer Kreises, betonte, dass es darum geht, Fantasie und Vorstellungskraft anzuregen und die Geschichte Schondorfs zu bewahren. Vor der Buffet-Eröffnung, das mit Trauben, Feigen, Datteln und Ammersee-Wein an ein typisches römisches Mahl erinnerte, leiteten Wortbeiträge die Feierlichkeit ein.
Ein durchaus eher belustigendes Wortgefecht in drei Sprachen trugen Andreas Kloker, Adela Ploner und ihr Mann Leopold vor: Abwechselnd auf Latein, Deutsch und Altschondorferisch wurde die von Kloker verfasste Rede sketchartig vorgetragen. Für die Übersetzung des deutschen Textes ins Lateinische war laut Schulleiter Matthias Bangert ein ganzes Lehrerteam des Landheims Ammersee im Einsatz.
Deutsch: Verehrte Bevölkerung, liebe Schondorfer, liebe Ammerseer. Wenn wir unseren Blick über den Ammersee schweifen lassen, jetzt im Herbst in seiner tiefen Farbigkeit, im Winter bei klirrender Kälte, raureifversilbert, wenn Licht durchs zarte Grün im Frühjahr schimmert und in der italienischen Sommerhitze, wundert es uns nicht, dass es auch vor 2000 Jahren Menschen gab, die es an diesen Ort zog.
Altschondorferisch : Grias enk, hats es vo Schuandarf oder vo Sea, s'is scho schian, bal ma so auf de laka schaug, ijza oder bals gfread hod. Des habas friana oh scho schian funda. Do wos es grad steats, hots friana oh scho Feschdling geba, mei liaba und saufa dirns oh it schleacht den wei vom Waigorda drennt und do wird a reacht rumm blard, fa'stian kaschd de oh it.
Latein: Dilecti, dilecti Schondorfii, dilecti Ammerseei, cum per Ammersee vagemur spectemus, nunc autumno in alto colore, hyeme in amaro frigore, argentea pruina, cum levis tremet per graciles virentes. vere et in aestu Italiae aestatis, non miramur quod etiam duo milia annorum homines ad hunc locum tracti fuerunt.
Das rekonstruierte Monument findet sich in unmittelbarer Nähe zum Ammersee-Ufer. Neben Ziegelsteinen wurden vermutlich originale Tuffsteinblöcke des römischen Badehauses in die Innen- und Außenschale eingearbeitet. Das Innere der Fragmente wurde mit Beton ausgegossen, so dass ein widerstandsfähiges Bauwerk entstand, das sich laut Bürgermeister Alexander Herrmann "selbst reparieren" kann. Es sei beeindruckend, betonte er, dass die Römer damals schon so zu bauen wussten.
Andreas Kloker, freischaffender Künstler und Gründungsmitglied des Vereins Schondorfer Kreis, war leitender Ideengeber für das Projekt. Er bedankte sich insbesondere beim Bauunternehmen Huber für Arbeitszeit und Baumaterialien. Das Vorhaben war mit 10 000 Euro vom Bürgerbudget unterstützt worden, das die Gemeinde Schondorf in diesem Jahr bereits zum vierten Mal für außergewöhnliche Projekte zur Verfügung stellte. Kloker ist es wichtig, die "unglaublichen Dimensionen wahrzunehmen", die das historische Gebäude einst hatte.
Der Grundriss des Relikts aus der Römerzeit war zunächst mit Schotter bedeckt worden, das Areal war jedoch schnell wieder zugewachsen - und somit als Anschauungsmaterial wenig beständig für nachfolgende Generationen. Kloker wollte dieses Problem lösen, um zu verhindern, dass das "älteste Gebäude von Schondorf" in Vergessenheit gerät. Er ist der Meinung, dass künstlerisches Denken bei allen Menschen aufkommen könne - "ob als Metzger oder Maurer". Dabei geht es ihm um die individuelle Haltung und den kunsttheoretischen Begriff der "Sozialen Plastik", eine von Joseph Beuys (1921-1986) ermittelte, neue Kategorie der Kunst. Sie fordert, das Zusammenleben aller Menschen mit Natur und Kosmos nach den Kriterien der Kunst zu gestalten und hat den Anspruch, gestaltend die auf Gesellschaft einzuwirken.
Die Wellness-Oase der Römer wurde erstmals bereits vor gut 200 Jahren von Bauern bemerkt. Erst im Rahmen der ersten offiziellen, umfassenden Ausgrabung im Herbst 1924 stellte man fest, dass es sich um ein römisches Gebäude handeln müsse. Geschichtslehrer Heinrich Blendinger vom Landheim Ammersee startete seinerzeit gemeinsam mit einer Gruppe von Schülern die Suche nach der sagenumwobenen Ruine - und sie wurden fündig.
Grundrisse, Vasenteile, Glasscherben und ein kleine Delfinfigur aus Bronze berichten vom damaligen Leben der Römer. Blendinger dokumentierte die Aktion in einer Mitteilung vom April 1925. Auch an der jüngsten Ausgrabung und beim Erhalt des Römer-Bades hatten sich Schüler des Landheims beteiligt: So schließt sich der von historischem Forschergeist beseelte Kreis nach fast 100 Jahren.