Freizeit:Auf den Spuren der Römer

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Von der alten Römerstraße ist noch ein Damm zu sehen, der durch den Wald führt. (Foto: Nila Thiel)

Die vor fast zwei Jahrtausenden erbaute "Via Raetia" war eine wichtige Handels- und Militärroute und führte an Utting vorbei. Die Heimatforscher des Ammerseegebiets bieten Touren für Interessierte an.

Von Kim Fischer, Utting

Wer heutzutage am Dexenberg bei Utting durch den Wald spaziert, sieht nicht mehr, dass er die ehemaligen Wege der Römer betritt. Heute schauen Wanderer auf friedliche, grüne Wiesen und bewaldete Hügel, doch vor 1500 Jahren herrschte hier reges Treiben. Soldaten marschierten oder ritten dort, Händler zogen ihre Schubkarren, das Fußvolk machte sich schwer bepackt auf den Weg. Südwestlich von Utting führte damals die "Via Raetia" entlang, einer der vielen Pfade des Straßennetzes zu Zeiten des römischen Reiches.

Die Römer hätten diese Straßen nicht erfunden, sondern schon vorhandene Pfade ausgebaut und befestigt, sagt Peter Kalus, Vorsitzender des Arbeitskreises der Heimatforscher des Ammerseegebiets. Den Arbeitskreis gibt es seit mehr als 70 Jahren. Die Mitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, archäologische Bodendenkmäler und Geotope zu erhalten. Außerdem wollen sie über die geschichtsträchtige Region informieren und archivieren Zeitzeugnisse wie Fotografien und Bücher. Seit 2006 gibt es dazu eine heimatkundliche Bibliothek im Rathaus Dießen.

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Die Ehrenamtlichen wollen die Menschen für die Geschichte sensibilisieren und dem Alltag aus vergangenen Zeiten nachspüren. "Da steckt auch ein wenig pädagogische Leidenschaft dahinter", meint Kalus. Der Historiker wohnt seit 36 Jahren in der Gegend, er leitete einige Jahre lang die Grundschule in Windach. Seine Doktorarbeit habe er zwar über die Fugger in Augsburg geschrieben, aber er beschäftige sich gerne mit der Römerzeit, da sie bis heute einen großen Einfluss auf unsere Kultur habe.

Die "Via Raetia" war unter Kaiser Septimus Severus und seinem Sohn Caracalla etwa 200 n. Chr. erbaut worden. Sie führte im römischen Reich von Sterzing in Südtirol über den Brennerpass und Innsbruck nach Partenkirchen und Raisting in Richtung Augsburg. Ihr Name kommt vom römischen Namen für den süddeutschen Raum: die Provinz Raetia. Man könne die Strecke also als Vorläufer der heutigen beliebten Urlaubsroute nach Italien bezeichnen, sagt Kalus. Ihr Verlauf am Ammersee sei durch die Arbeit des ehemaligen Kreisheimatpflegers Wilhelm Neu gut dokumentiert. Was Utting betrifft, so weiß man inzwischen, dass die "Via Raetia" zunächst "etwa wie die Staatsstraße 2055 nach Norden" führte. Danach bog sie in Richtung des Streicherhofes ab, ging weiter daran vorbei und mithilfe einer Brücke über den Hartbach.

Peter Kalus zeigt einen Plan der Villa Rustica in Schondorf. (Foto: Nila Thiel)

Heute ist noch ein für geübte Augen sichtbarer Damm erhalten, der durch ein Waldstück führt. Westlich des Uttinger Schützenheims konnten die Reisenden den Uttinger Mühlbach auf einer weiteren Brücke überqueren. "Bäche waren damals ein großes Problem", erzählt der Uttinger. Am Anfang seien sie vielleicht nur ein Rinnsal, könnten sich jedoch schnell in tiefe Schluchten verwandeln. Deswegen war das Bauen von Brücken und Furten von großer Bedeutung.

Die Villa Rustica in Schondorf sei ein Beispiel der vielen römischen Gutshöfe in der Gegend, sagt der Historiker. Er vermutet, dass es zur Römerzeit an die 1000 Stück in der Region gab. Außerdem die "Mansiones", eine Art Motels für Reisende, die durch pensionierte Legionäre betrieben wurden. Diese waren gleichzeitig für die Sicherheit auf den Straßen zuständig. Viele archäologische Gegenstände und Gebäude seien jedoch heutzutage verloren. Seit dem Mittelalter bis in die frühe Neuzeit seien viele Kulturschätze abgerissen, überbaut und damit vernichtet worden. Nicht umsonst sind Kalus zufolge bei Baumaßnahmen heutzutage meistens Archäologen mit dabei. Bei der Villa Rustica in Schondorf seien beispielsweise Kalksteine abgetragen worden, um sie als Rohmaterial für Kirchen zu verwenden.

Eine Tafel informiert über den Verlauf der "Via Raetia". (Foto: Nila Thiel)

Das römische Straßennetz überdauerte viele Jahrhunderte, heute sind kaum noch Überreste davon zu sehen. Wo damals Straßen entlangführten, die bis zu sieben Meter breit waren, müssen sich Interessierte nun durch Büsche und Unterholz kämpfen. Moderne Strecken sind allerdings oft an denselben Routen wie damals gebaut. Trotz der vielen Ähnlichkeiten gebe es genauso viele Unterschiede, sagt der ehemalige Schulleiter.

Anders als heute hätten die wohlhabenderen Leute wegen der vielen Mücken und der Feuchtigkeit den See als Wohnort gemieden. Dort lebten eher die armen Menschen, die sich mit der körperlich anstrengenden Arbeit als Fischer durchschlagen mussten und sich keine Häuser auf den Äckern leisten konnten.

Es sei großartig, dass sich Menschen ehrenamtlich für Heimatforschung engagieren, meint Kerstin Große. Die Rheinländerin wohnt seit 13 Jahren am Ammersee und ist fasziniert von der geschichtsträchtigen Gegend. Außerdem sei es eine der schönsten Regionen in ganz Deutschland, die auch sie angezogen habe. Unlängst wanderte sie mit mehr als 20 anderen Interessierten den ehemaligen Römerpfad unter der Leitung von Peter Kalus entlang. Die Glückscoachin meint, dass die Beschäftigung mit der Geschichte auch dabei helfe, mehr individuelles Glück zu finden. Es sei wichtig, aus den Fehlern der Menschheitsgeschichte zu lernen. Die viele Kriege und Streitigkeiten unter Menschen hätten ja immer nur zu einem geführt: zu Zerstörung und Leid. Daraus könne man erkennen, dass Frieden und Einheit viel erstrebenswerter seien. "Außerdem kann ich danach meinem Mann beim Spazierengehen die ganzen Details erzählen und besonders intellektuell wirken", erzählt sie und lacht.

Dass die Beschäftigung mit der Geschichte und der Region wichtig ist, findet auch Stephan Widler. Er ist der zweite Vorsitzende des Arbeitskreises der Heimatforscher des Ammerseegebiets und interessiert sich besonders für die Aufarbeitung der Zeit im Nationalsozialismus. "Wenn wir wissen, woher wir kommen, können wir Dinge besser einschätzen", meint der Hobby-Archäologe.

Daraus resultiere gleichzeitig eine Verantwortung, aus den Erfahrungen zu lernen. Die Zeit, in der wir gerade leben, sei nur ein minimaler Bruchteil der Menschheitsgeschichte - und doch seien jetzige Entscheidungen wichtig. "Gerade Landschaften und die Natur haben wir schon immer besonders verändert. Wie beispielsweise durch den Straßenbau", sagt Stephan Widler.

Seit etwa zehn Jahren ist er ehrenamtliches Mitglied bei den Heimatforschern. Der Arbeitskreis bietet mehrmals im Jahr Aktionen für Mitglieder und Interessierte an, die sich mit der Geschichte der Region auseinandersetzen. Wie auch die Tour auf der ehemaligen "Via Raetia". Regelmäßige Veranstaltungen gebe es nicht, Interessierte seien aber jederzeit willkommen. Was einen guten Hobby-Archäologen ausmache? "Dass er vor nichts zurückschreckt", sagt Widler. Auch nicht vor dem Kampf durch die Büsche auf dem ehemaligen Römerweg.

© SZ vom 29.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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