Konzert:Bach auf der E-Gitarre

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Die bessere Geige: Alexander Palm bei seinem Auftritt in Herrsching. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Alexander Palm spielt im Herrschinger Kurparkschlösschen Barockmusik - und zieht alle Register der Differenzierung.

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Im Grunde ist die halbakustische Ibanez AF55 inzwischen auch schon ein Klassiker. Dass Bach die E-Gitarre zugesagt hätte, ist durchaus möglich, stand er doch klanglichem neben harmonischem Fortschritt durchaus offen gegenüber. Alexander Palm - Gitarrist und Pianist - hätte zwar auch eine klassische Gitarre verwenden können, hat er doch in Basel und Maastricht sowie bei zahlreichen Meisterkursen eine klassische Ausbildung genossen und es bis zum Konzertdiplom mit Auszeichnung gebracht. Dass er trotzdem zur E-Gitarre griff, lag wohl am ausgewählten Bach-Repertoire, das der barocke Meister im Original der Violine zugedacht hatte.

Eine E-Gitarre ist in der Lage, Haltetöne länger klingen zu lassen, was gerade bei langsamen Sätzen für Klangfülle sorgte. Im Grunde ist eine E-Gitarre auch die bessere Violine, weil darauf Akkorde und polyphones Spiel leichter zu realisieren sind. Durch die Kombination aus Fingerzupfen und kraftvollerem Plektrumeinsatz vermochte Palm Klarheit und Transparenz zu schaffen. Was insbesondere bei dichten, mehrstimmigen und modulationsreichen Texturen die Grundvoraussetzung dafür ist, Komplexität zu entwirren. Die Literaturwahl für das corona-bedingt knapp und ohne Pause gefasste Konzert des Kulturvereins Herrsching im Kurparkschlösschen fiel auf ein Sonate-Partita-Paar aus den "Sei solo a violino senza Baßo accompagnato", die inhaltlich über versteckte Choralthemen liturgische Bezüge herstellen. Die Sonata a-Moll BWV 1003 und die Partita d-Moll BWV 1004 beziehen sich, wie Palm eingangs erläuterte, auf die Passionszeit, die in diesem Jahr wohl nur wenige noch auf dem Schirm haben. Um so wichtiger sind solche Momente der musikalischen Kontemplation, die in der Askese eines solistischen Vortrags noch einmal intensiver ausfallen.

Einmal mehr zeigte sich die Bachmusik von ihrer wirkungsstarken Seite: Schon nach wenigen Takten des Grave der Sonata stand im Saal die Konzentration und hielt über alle Wechsel und Wendungen bis zum letzten Ton. Palm half nicht nur mit einer ausdrucksstarken Phrasierung, sondern durchaus auch mit subtilen Dynamik nach. Was die reichhaltig differenzierenden Sätze in ihren Eigenheiten deutlicher ausprägte. Eher eine subtile Ebene der Unterscheidung, wie vor allem im Schlussallegro dennoch deutlich hörbar eingesetzt, zeigte sich in der spieltechnischen Klangformung. Trotz der Passionsthematik ging es hier nicht nur um gedrückte Atmosphäre: Die Fuga hatte mit ihrer spritzigen Leichtigkeit schon was von einem Sprungtanz, bis zum letzten Ton ohne Atempause.

Um Tänze ging es explizit in der Partita, die ja einer Suite entspricht und eben aus fünf Tänzen besteht, wobei die ausladende Schluss-Ciaconna eine Variationsreihe über ein viertaktiges Bassthema ist. In Charakteristik und Atmosphäre ging es aber auch schon unter den einzelnen Tänzen um ein Kontrastprogramm: sinnierendes Umherschweifen in typisch melancholischer Bach-Manier in Allemanda und Sarabanda, gefolgt von der tänzerischen Unbeschwertheit der Corrente und dem virtuosen Wogen der Giga. Die Ciaconna führte schließlich all die Ausprägungen zusammen. Für Palm ein Anlass, noch einmal alle Register der Differenzierung zu ziehen. Ausgeprägte Rhythmik, brillante Melismen und wohldurchdachte Dramaturgie prägten das imposante Finale. Das harmonisch geradezu jazzige Largo der Sonata C-Dur folgte als Zugabe.

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