Autobahn:Streit um Südring durchs Würmtal

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Notwendiger Lückenschluss der A99 rund um München oder unsinnige Trasse durch die Natur? Vor der Landtagswahl lebt der Streit wieder auf.

Von Martin Mühlfenzl und David Costanzo, Gauting/Krailling

In regelmäßigen Abständen ploppt das Thema Südring auf. Zuletzt waren es die Freien Wähler, die eine Entlastung des Münchner Nordens durch den Ringschluss der Autobahnen im Süden forderten. Der Fürstenfeldbrucker Landtagskandidat Hans Friedl etwa setzt auf dieses Wahlkampfthema. Unterstützung kommt aus Gilching: Gemeinderätin Rosemarie Brosig (BfG) könnte sich zum Beispiel vorstellen, den Südring nur für Elektroautos zu öffnen. "Man muss schon visionär denken", erklärt sie.

Für "absolut unsinnig" halten die Kreis-Grünen den Ringschluss, der das Würmtal und das Isartal queren würde - je nach Variante in kilometerlangen Tunnels. Die Trasse würde massiv in die wunderschöne Natur eingreifen und Schutzgebiete zerstören. Landtagskandidatin Anne Franke will mehr Güterverkehr auf die Schiene holen und fordert eine Verkehrswende.

So wie ihr Parteifreund aus dem Landkreis München. Von seiner Gartentür aus hat Landtagskandidat Markus Büchler einen herrlichen Blick auf die beeindruckende Fassade des Neuen Schlosses Schleißheim. Allerdings wird der meist getrübt von den Abertausenden Fahrzeugen, die jeden Tag auf der B 471 durchbrettern. Die Bundesstraße liegt zwischen dem Schloss und Büchlers Haus. Wenn es sich auf der A99 staut, sagt Büchler, dann "läuft der Verkehr direkt vor meinem Wohnzimmerfenster vorbei", sagte er jüngst bei der Podiumsdiskussion der Kandidaten im Stimmkreis München-Land in Taufkirchen. Er stemmt sich seit Jahren aus Überzeugung gegen den Südring: "Wer Straßen baut, wird mehr Verkehr ernten."

Eine Machbarkeitsstudie liegt in den Schubladen der Autobahndirektion Südbayern. Die Sache hat nur einen Haken: Die Bundesautobahnen - und eine solche wäre auch der Südring - liegen, wie der Name sagt, in der Zuständigkeit des Bundes. Und dieser ordnet Projekte wie den Bau von Straßen und Schienen nach ihrer Priorität im Bundesverkehrswegeplan ein, der die Grundlage für deren Umsetzung bildet. Der letzte Plan trat Ende 2016 in Kraft und läuft bis 2030. Der Südring aber taucht darin nicht auf, weil der Landtag eine Aufnahme des Projekts damals abgelehnt hat.

Für Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) ist die Sache daher klar. Faktisch, sagte Schreyer bei der Diskussion in Taufkirchen, gebe es keine Debatte über den Südring. Faktisch gebe es also auch keine Frage, die zu klären sei. Darüber hinaus zweifelt die Ministerin an, dass ein Ringschluss überhaupt zu einer Lösung der Verkehrsprobleme im nördlichen Landkreis beitragen könnte. "An den neuralgischen Punkten im Norden hätte man im Jahr 2030 nur eine Entlastung von 7,5 Prozent, wenn wir jetzt zu bauen angefangen hätten." Dem gegenüber stehe "der Naturschutz, die Artenvielfalt und die grüne Lunge". Und auch die Ausmaße des Projektes: Ein unter die Erde verlegter Südring wäre laut Schreyer länger als der Gotthardtunnel, der fast 15 Kilometer misst.

Das Argument der "marginalen Entlastung", wie Schreyer es nennt, wird im Norden des Landkreises bestritten. Wenn Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) auf den Ringschluss zu sprechen kommt, treibt es ihm die Zornesröte ins Gesicht. "Wir ersaufen im Verkehr", wiederholt er dann mantraartig. In Spitzenzeiten rauschen 160 000 Fahrzeuge über den im Ausbau befindlichen Abschnitt der A99 zwischen dem Kreuz Nord und dem Kreuz Ost. Der wird derzeit auf acht Spuren ausgebaut und kann künftig bei Freigabe des Standstreifens auf zehn Spuren erweitert werden. Damit nicht genug: Die B 471 wird zwischen der Anschlussstelle Aschheim/Ismaning und Garching ebenso auf vier Spuren erweitert wie der Föhringer Ring.

Die Debatte über den Südring ist ein Streit Nord gegen Süd. Auch im Netz wird darüber heftig und emotional gestritten. Jeder wolle die Vorteile der wirtschaftsstarken Region, aber "der Norden soll die Last alleine tragen, sehr solidarisch", schreibt etwa ein Leser auf der Facebook-Seite der SZ. "Nicht ganz Bayern muss mit Autobahnen verschandelt werden", kontert einer aus dem Süden - und schiebt hinterher: "Am besten umziehen in eine ruhigere Gegend!" "Das ist zynisch", kommt als Antwort aus dem Norden. "Meine Familie lebt hier seit 100 Jahren. Wir werden dafür kämpfen, dass unsere Lebensqualität erhalten bleibt und andere auch ihre Last tragen und nicht nur profitieren!" Das ist letztlich der Kern, der immer wieder aufkeimenden Diskussion: Wie lässt es sich im Landkreis künftig gut leben - in jedem Winkel? Auch deshalb hört die Debatte nicht auf.

© SZ vom 25.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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