Asyl:Container statt Turnhallen

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In den meisten Gemeinden im Landkreis Starnberg stehen schon solche Containeranlagen wie an der Landsberger Straße in Gilching. Der Platz reicht bald nicht mehr aus, darum kommen weitere provisorische Unterkünfte hinzu. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Landkreis Starnberg setzt weiter auf die Unterbringung von Flüchtlingen in provisorischen Wohnanlagen auf der Wiese. Quer durch die Parteienlandschaft findet diese Politik Unterstützung - auch wenn es vereinzelt Widerstände gibt.

Von Michael Berzl und Linus Freymark, Starnberg

Viele Wohnungen und Einfamilienhäuser dienen schon als Unterkünfte für Flüchtlinge. Zudem betreibt das Landratsamt Starnberg 80 Unterkünfte für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und Asylbewerber aus verschiedenen Ländern. Dazu zählen auch Containerdörfer. Noch sind 130 Plätze frei, doch das Landratsamt bereitet sich auf einen erneuten Zustrom vor und will weitere Anlagen errichten. Denn die Starnberger Linie lautet, auf die Unterbringung in Turnhallen möglichst zu verzichten.

"Zur Wahrung des sozialen Friedens" plane man, keine Turnhallen zu belegen, sagt Landratsamtssprecher Stefan Diebl. Das wäre auch "keine vernünftige Unterbringung" von Menschen, die lange bei uns leben. Um die stark steigenden Flüchtlingszahlen bewältigen zu können, plane man "mit Hochdruck" und "dringlich" den Bau weiterer Containeranlagen.

"Es ist ganz wichtig, dass wir die Bedenken und Befürchtungen ernst nehmen", heißt es aus der CSU

Bei Landtagabgeordneten und -kandidaten findet diese Politik fast ausschließlich Unterstützung. So auch von Christiane Feichtmeier von der SPD. "Turnhallen sind keine menschenwürdige Unterbringung", sagt sie. Dass sich in ihrer Heimatgemeinde Tutzing Widerstand gegen Container auf einem alten Minigolfplatz regt, sei wegen der vielen Medienberichte über Zwischenfälle rund um die Unterkünfte zwar verständlich - aber auch "sehr schade". Natürlich gebe es wie in allen anderen Bevölkerungsgruppen unter den Geflüchteten auch Menschen, die sich nicht an die hiesigen Regeln und Gesetze hielten. "Aber es sind auch ganz viele dabei, die etwas lernen und arbeiten wollen."

Angesichts des Fachkräftemangels müsse diesen Menschen der Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Um Vorurteile abzubauen, will Feichtmeier mehr in die Sozialarbeit investieren und mehr Deutschkurse für die Geflüchteten ermöglichen. "Ich weiß, dass das alles viel Geld kostet", sagt sie. "Aber es hilft halt nichts." Sollte Feichtmeier es in den Landtag schaffen, möchte sie zudem an der bayernweiten Verteilung der Geflüchteten arbeiten. Denn der aktuell dafür herangezogene Königsteiner Schlüssel führe dazu, dass Landkreise wie Starnberg überproportional viele Menschen aufnehmen würden - während abseits der Ballungsräume Kapazitäten vorhanden seien.

"Turnhallen sind keine menschenwürdige Unterbringung", sagt Christiane Feichtmeier (SPD). (Foto: Nila Thiel)

Für die Grünen-Kandidatin Andrea Schulte-Krauss aus Krailling ist es eine Lehre aus den Jahren 2015 und 2016, auf die Unterbringung in Turnhallen möglichst zu verzichten. Schließlich litten Ehrenamtliche, Sportvereine und Kinder darunter, wenn Hallen gesperrt werden: "Dann müssen die das ausbaden, und so kann man keine Akzeptanz schaffen." Eine Containeranlage steht nun seit vielen Jahren auf der Sanatoriumswiese. Es habe damals große Einigkeit gegeben, diesen Standplatz zur Verfügung zu stellen.

Die FDP stellt sich gegen die Pläne von Landrat Frey, Geflüchtete in Kasernen unterzubringen

Die CSU-Landtagsabgeordnete Ute Eiling-Hütig, die auch bei der Wahl im Herbst wieder kandidiert, kommt aus Feldafing - einer der Gemeinden im Landkreis, die nun Flächen für die Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung stellen muss. Auch dort gibt es Bedenken und Kritik an dem vorgesehenen Standort im Landschaftsschutzgebiet, eine Entscheidung wurde genau wie in Tutzing erstmal vertagt. "Es ist ganz wichtig, dass wir die Bedenken und Befürchtungen ernst nehmen. Wir müssen die Menschen dort mitnehmen", sagt die Politikerin, die bis zum Donnerstag an einer Klausurtagung im Kloster Banz teilgenommen und aus der Ferne die Entwicklungen in ihrem Heimatort verfolgt hat. Man müsse offen über mögliche Probleme sprechen.

"Es ist ganz wichtig, dass wir die Bedenken und Befürchtungen ernst nehmen", findet Ute Eiling-Hütig (CSU). (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Linie, die Landrat Stefan Frey bei der Unterbringung der Flüchtlinge verfolgt, hält sie aber prinzipiell für richtig. Nach Ansicht der Landtagsabgeordneten könnte aber der Bund mehr tun und sich im eigenen Bestand auf die Suche nach geeigneten Grundstücken und Standorten machen. Migration war auch ein Thema im Kloster Banz. Wie Eiling-Hütig berichtet, gehört zu den Forderungen der CSU in dem Zusammenhang eine "konsequente Rückführung" von Menschen, die straffällig wurden.

Auch die FDP-Kandidatin Britta Hundesrügge plädiert für Container statt Turnhallen zur Unterbringung von Geflüchteten - erst recht nach den Corona-Einschränkungen. Den Plänen des Landrats, auch die Kasernen in Pöcking und Feldafing dafür zu nutzen, steht sie jedoch kritisch gegenüber. "Diese Menschen sind in den allermeisten Fällen vor militärischer Gewalt geflüchtet", sagt sie. "Da wäre das höchst unsensibel." Besonders Rücksicht nehmen müsse man zudem auf geflüchtete Frauen - sie hätten auf der Flucht oft besonders grauenhafte Erfahrungen gemacht, so Hundesrügge. "Es ist wichtig, das in den Blick zu nehmen", so die FDP-Politikerin.

Gleiches gelte für die arbeitsrechtlichen Regeln: Hier müsse die Politik dringend Verfahren beschleunigen - das sei auch im Interesse der hiesigen Unternehmer. "Ich kenne keinen Betrieb, der nicht bereit wäre, Geflüchtete einzustellen", sagt Hundesrügge. Auch Menschen, die keinen deutschen Ausbildungsabschluss in der Tasche haben, könnten vielerorts mithelfen und dabei weitere Qualifikationen erwerben, so Hundesrügge.

Mehr Grundstücke aus den Beständen von Bund und Land - das fordert der Kreisvorsitzende der Freien Wähler (FW), Matthias Vilsmayer. Auch "verlässliche Finanzierungszusagen" seien wichtig für die Kommunen. "Ärgerlich ist, wenn der Landkreis und indirekt die Gemeinden auf hohen Kosten sitzen bleiben", erklärt Vilsmayer. Auch er plädiert dafür, den Königsteiner Schlüssel als Kriterium für die Verteilung zu überdenken. Eine "Überbevorteilung" der ukrainischen Geflüchteten gegenüber jenen aus anderen Ländern sieht Vilsmayer indes nicht. Wo möglich stellten die Behörden Arbeitserlaubnisse aus. Dabei müsse es "ein Ziel sein, dass Flüchtlinge leichter eine Ausbildung machen können und zur Fachkraft werden." Denn viele seien das bei ihrer Ankunft nicht.

Die AfD fordert, "endlich die Ausreisepflicht konsequent durchzusetzen statt den Kommunen weitere Migranten zuzuweisen", wie der Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Ingo Hahn aus Stockdorf das formuliert. Er sieht eine "neue Migrationskrise" und meint damit Menschen aus afrikanischen und arabischen Ländern. Für "unberechtigte nicht-europäische Asylforderer" fordert er einen Aufnahmestopp, während er die Hilfsbereitschaft für ukrainische Kriegsflüchtlinge als erfreulich bezeichnet. Wie Hahn in einer Mitteilung betont, lehnt seine Partei die Errichtung weiterer Containeranlagen strikt ab.

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