Auszeichnung:Der Diamant unter den Reiheneckhäusern

Lesezeit: 3 min

Das Reiheneckhaus von Holger Möbius in der Madeleine-Ruoff-Straße in Herrsching. (Foto: Jasper Müller)

Aus wenig Platz viel machen - das ist auch für Architekten eine knifflige Aufgabe. Holger Möbius hat es geschafft. Die Bayerische Architektenkammer hat sein Wohnhaus in Herrsching deshalb für die diesjährigen Architektouren ausgewählt.

Von Léonardo Kahn, Herrsching

"Eigentlich könnte man sich das Haus als Nicht-Architekt gar nicht leisten", sagt Holger Möbius, den Blick über den Horizont schweifend. Er schäumt gerade die Milch für seinen Cappuccino auf, während er über den Ammersee auf die Zugspitze und den Andechser Klosterturm schaut. Die fantastische Lage des Grundstücks direkt am See ist aber nicht der Grund, warum der Neubau unbezahlbar ist.

Das Projekt hat den Architekten aus Herrsching Unmengen an Zeit und Herzblut gekostet - mehr, als er je zuvor in ein Familienwohnhaus gesteckt hat. Hätte er dafür einen anderen Architekten einstellen müssen, hätte das die Kosten wesentlich gesteigert, die so schon bei mehr als einer Millionen Euro liegen.

Der Architekt Holger Möbius in der Küche bei seinem morgendlichen Kaffee. (Foto: Léonardo Kahn)

Möbius' Familienhaus ragt inmitten der hellen Reihenhäuser auf der Madeleine-Ruoff-Straße wie ein schwarzer Diamant heraus. Ganz allgemein ist es wahrscheinlich das einzige Haus im Ort, das eine Schieferfassade hat. Der Architekt kommt ursprünglich aus der Eifel, der Schieferhochburg in Deutschland, wo er auch eine Ausbildung zum Steinmetz absolviert hat. Er kam erst für sein Architekturstudium nach München.

Doch neben dem biografischen Grund für seine Materialauswahl gibt es auch einen ganz praktischen: "So müssen wir die Fassade für die kommenden dreißig Jahre nicht mehr anstreichen, der Regen spült den Dreck einfach ab," sagt Möbius.

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Die Praktikabilität ist bei dem Haus kein simpler Nebenaspekt. Das Grundstück und die Nebenstraße am Ende der Reihenhauskette sind extrem schmal - sechs Meter. Als das Vorgängergebäude abgerissen wurde, musste ein kompliziertes Tunnelsystem entwickelt werden, damit die Fahrzeuge auf die andere Seite kommen konnten. Deshalb will Möbius um jeden Preis vermeiden, in näherer Zukunft nochmal an der Außenfassade herumwerkeln zu müssen.

"Wenn man in meinem Alter ein Haus baut, will man darin auch alt werden"

Holger Möbius ist allgemein ein äußerst vorausschauender Planer. "Wenn man in meinem Alter ein Haus baut, will man darin auch alt werden", erzählt der 58-Jährige. Deswegen ist das Gebäude altersgerecht gebaut, so dass er und seine Frau Helma Bock theoretisch auch mit dem Rollator um jede Ecke kommen und auch im hohen Alter morgens zum Ammersee spazieren können. Möbius ist Hobbysegler und liebt die Nähe zum Wasser.

Das Verblüffende an seinem Haus ist auch dessen Vertikalität. Nicht umsonst heißt es in der Beschreibung des Neubaus im Architektouren-Katalog der Bayerischen Architektenkammer: "Kleiner Grund - hoch hinaus". Sein Zuhause hat insgesamt fünf Ebenen. Ganz unten sind zwei Kinderzimmer, die später zu einem großen Zimmer für das Pflegepersonal umfunktioniert werden können. Der Hauseingang liegt eine Stufe höher, dann kommt das Schlafzimmer mit einem Arbeitszimmer und schließlich kommt die Küche inklusive Balkon, alles über ein und dieselbe Treppe verbunden.

Im letzten Stockwerk auf etwa zehn Metern Höhe folgt ein kleines Wohnzimmer mit Sesseln, Kamin und Balkon, von wo aus man einen Panoramablick über das Herrschinger Land hat. Sogar ein kleiner Kräutergarten schlängelt sich am Fenster entlang, der einen direkt in die französische Provence verschlägt - das Lieblingsurlaubsziel der Familie.

Im obersten Stockwerk liegt das Wohnzimmer mit Kamin und Balkon. Links schlängelt sich ein kleiner Kräutergarten entlang des Fensters. (Foto: Jasper Müller)
Im Stockwerk darunter befindet sich die Küche. (Foto: Jasper Müller)

Obwohl das Haus recht klein ist, sind alle Stockwerke über einen Aufzug verbunden. Auch das liegt wiederum an den altersgerechten Ambitionen des Ehepaars. "Ich wollte so großzügig wie möglich den verfügbaren Platz nutzen", erklärt der Architekt. "Oft wohnt man in kleineren Häusern viel besser."

Aber auch angesichts des Klimawandels ist das Haus vorausschauend konzipiert. Mit dem Gletscherschmelzen in den Alpen und dem häufigen Schwerregen wird auch das Hochwasserrisiko im Fünfseeland steigen. Aktuell kommt es schon in den Dörfern rund um den Ammersee alle paar Jahre zu Überschwemmungen. Deshalb sind die Eingänge in das Haus dreißig Zentimeter über dem Boden gebaut. Möbius hat auch extra Schienen angebracht, wo er ein zusätzliches Schutzschild von einem halben Meter Höhe hineinklemmen kann. "Selbst bei Wellen schwappt nichts ins Haus hinein", erklärt der Architekt.

Das Dach wurde begrünt

Die ganze Elektronik des Hauses befindet sich in einem Häuschen hinter dem Garten. Um die Effekte des Starkregens abzufedern, wurde das Dach begrünt. Unter den Nelken, Geranien und dem Thymian liegt ein Retentionsdach - eine Art Matte mit sechs Zentimeter tiefen Kerben, die das Regenwasser auffangen und von der die Pflanzenwurzeln trinken können. Die Begrünung wurde von seiner Ehefrau bienenfreundlich ausgesucht.

Aus all diesen Gründen freut es Möbius sehr, dass die Bayerische Architektenkammer sein Haus für die renommierten Architektouren ausgewählt hat. Das Gebäude kann am Wochenende, 24./25. Juni, von 14 bis 17 Uhr kostenlos und ohne Anmeldung besichtigt werden.

Weitere Touren im Fünfseenland:

Das Landratsamt will besucherfreundlicher werden. (Foto: Aldo Amoretti)
  • Erweiterung des Starnberger Landratsamts. Strandbadstraße 2, Samstag von 11-12.30 Uhr, Anmeldung: pr@auer-weber.de
  • Wohn- und Werkhaus im Gartenhof - ein Holzbau mitten im Grünen. Bergmillerstraße 20 in Dießen, Samstag von 10-17 Uhr
  • Konversion Prix-Quartier - ein schallgeschütztes Wohngebiet. Schulstraße 7 in Schondorf, Samstag von 14-16 Uhr
  • Geförderte Wohnungen auf dem Schmucker-Areal - barrierefrei. Schondorfer Straße 9a in Utting, Sonntag von 15-16.30 Uhr

Anlässlich der Architektouren startet der Wessobrunner Kreis am Samstag um 10 Uhr am Bahnhof Diessen einen Bus zu einigen Objekten rund um den Ammersee außerhalb der offiziellen Zeiten und mit exklusiver Führung. Kaffeepausen sind eingeplant. Die Fahrt ist kostenfrei und endet um 18 Uhr. Anmeldungen unter 08806 - 95 88-091 oder info@wessobrunner-kreis.de

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