Ansturm auf Starnberger See und Co.:Münchner, bleibt daheim!

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Die Menschen im Fünfseenland schimpfen schon jetzt über übervolle Strände, verstopfte Straßen und zugeparkte Einfahrten. Mit dem neuen Stadtteil Freiham dürfte es für sie noch schlimmer werden.

Von Astrid Becker, Starnberg

Naherholung wäre eine feine Sache - wenn es nur keine Naherholungssuchenden gäbe. Was sich wie ein Widerspruch in sich anhören mag, entwickelt sich für viele Menschen im Landkreis zunehmend zum ernst zu nehmenden Problem. Sie klagen über verstopfte Straßen, zugeparkte Einfahrten, übervölkerte Badestrände, vor allem an den Wochenenden und mehr und mehr auch am Feierabend.

Beispiel Wörthsee. Das drittgrößte Gewässer im Fünfseenland lockt mit türkisfarbenem Wasser und einer guten Erreichbarkeit über die Lindauer Autobahn. Kein Wunder also, dass viele Münchner sich im Sommer gleich nach der Arbeit ins Auto schwingen, um dort noch ein paar erholsame Stunden zu verbringen. Allerdings ist die Zahl der Badeplätze dort verbunden mit ihrem Parkplatzangebot äußerst knapp.

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"Du musst schon froh sein, wenn kein Münchner in deiner Garage parkt"

Am schlimmsten ist es im Ortsteil Steinebach, genauer gesagt, an de r Seepromenade, wo Franca und Generoso Aurigemma ihren "Il Kiosko" betreiben. Öffentliche Parkplätze gibt es dort nicht, also stellen die auswärtigen Gäste ihre Autos in Nebenstraßen ab oder sogar im Ortskern. Für die Anlieger ebenso ein Problem wie für Rettungsfahrzeuge. "Da musst' ja schon froh sein, wenn ein Münchner oder Augsburger nicht noch in deiner eigenen Garage steht", sagt ein Anwohner bei der Diskussion mit dem Thema "Nix geht mehr - wegen Überfüllung geschlossen! Das Ende der Naherholung im Fünfseenland?" Vier Ortsverbände der CSU, Weßling, Wörthsee, Seefeld und Inning, hatten geladen. Mit gut 150 Besuchern am Donnerstagabend im Augustiner am Wörthsee war der Andrang so groß wie selten bei vergleichbaren Veranstaltungen. Diese sollten dabei Ideen beisteuern, wie man dem Problem Herr werden könnte. Schnell wurde allerdings klar: Eine Lösung zu finden, kommt einer Quadratur des Kreises gleich.

Auch an der Rossschwemme am Wörthsee gibt es Probleme: Da seien bereits alle vorhandenen Parkplätze schon um neun Uhr morgens voll, erzählt ein Anwohner. Deshalb stellten viele ihr Fahrzeug auf der kleinen, engen Straße, die dorthin führt, ab - und "Wenn da nix mehr frei ist, nehmen sie die Wiesen." Er selbst habe Probleme, an solchen Tagen noch aus seinem eigenen Grundstück herauszukommen: "Wenn da etwas passiert, frage ich mich schon, wie Rettungskräfte da durchkommen wollen."

Aber auch an anderen Stellen mit mehr Parkplätzen ist der Ansturm der Erholungssuchenden kaum zu bewältigen. In Stegen am Ammersee zum Beispiel reicht die vorhandene Infrastruktur dafür nicht mehr aus. Die Gemeinde plant daher, zum bereits vorhandenen großen Parkplatz am Dampfersteg und einem Ausweichparkplatz an der Staatsstraße 2070, die parallel zur A 96 verläuft, noch einen zusätzlichen zu bauen - auch vor dem Hintergrund, dass sie befürchtet, allein durch das geplante Wohnquartier in Freiham für bis zu 30 000 Menschen mit einem noch größeren Andrang auf die Region konfrontiert zu werden. 30 000 ist ohnehin eine Zahl, die wie den Kommunen im Fünfseenland, auch in anderen Landkreisen rund um München, wie ein Damoklesschwert erscheint: Denn auf 30 000 pro Jahr ist auch der Zuzug und damit das Bevölkerungswachstum in der Landeshauptstadt prognostiziert. Damit steigt auch der Druck aufs Umland, so befürchten sie.

Für den Starnberger Landrat Karl Roth (CSU), der auch Vorsitzender des Erholungsflächenvereins München ist, ist es daher ein Anliegen, wie er sagt, dafür zu sorgen, Erholungsflächen direkt vor der Haustür zu schaffen, etwa wie den Hollerner See mit 90 Hektar, der derzeit zwischen Eching und Oberschleißheim entsteht. Dass die Ausweisung neuer Parkflächen dazu beitragen könnte, den Besucherandrang im Fünfseenland zu kanalisieren, glaubt er ebenso wenig wie Christoph Winkelkötter von der Tourismus-Gesellschaft des Landkreises Gwt. Aus gutem Grund: Einschlägigen wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge zögen mehr Parkplätze nur noch mehr Autos an.

Strafzettel sind billiger als das MVV-Ticket

Aussagen wie diese lassen die Bürger, die an diesem Abend mitdiskutieren, denn auch recht erfindungsreich werden. Sie fordern strengere Parkkontrollen, höhere Gebühren oder preislich attraktivere MVV-Tickets am Wochenende: "Wenn Strafzettel mit 15 Euro für Falschparken billiger sind für eine Familie als mit der S-Bahn zu fahren, ist doch klar, wie sich die Leute entscheiden", sagt manch ein Bürger. Noch häufiger jedoch werden andere Vorschläge laut: Etwa mit Durchsagen im Radio, dass alle Parkplätze überfüllt seien, Menschen aus der Stadt abzuschrecken, ins Auto zu steigen und an die hiesigen Seen zu fahren. Oder auch, wie bereits bei Garmisch-Partenkirchen praktiziert, Anhänger mit entsprechenden Hinweisen wie "Wegen Überfüllung geschlossen" an die Autobahnausfahrten zwischen Weßling und Ammersee zu stellen.

Diese Anregungen sind an diesem Abend keineswegs scherzhaft gemeint. Denn nicht nur Anlieger fühlen sich vom Ansturm erdrückt, sondern auch Unternehmer, die mit Erholungssuchenden Geld verdienen - wie Campingplatzbetreiber Ludwig Dosch, oder Bootsverleiher Peter Hopmann. Beide sagen: "Das ist nicht mehr zu bewältigen." Die Landtagsabgeordnete Ute Eiling-Hütig (CSU) hat eine andere Idee: Unternehmen zu überzeugen, umzusiedeln und anderswo Arbeitsplätze zu schaffen. Nach Tirschenreuth zum Beispiel. Das dürfte den hiesigen Kommunen aber kaum gefallen. Sie brauchen die Gewerbesteuern, um handlungsfähig zu bleiben. Und auch Touristen und Naherholungssuchende. Deshalb, so sagt auch Winkelkötter, sei der Andrang auf das Fünfseenland, beides: "Fluch und Segen".

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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