"Die Wirtschaft boomt. Es gibt keinen Platz zum Wohnen. Die Mieten steigen": Mit diesen Aussagen beschreibt der Immobilienökonom Felix Wittmann die Situation in der "Boomtown München". Längst sei die Wohnungsnot nicht auf die Landeshauptstadt beschränkt, sondern auch das Umland betroffen. "Wir sind der Landkreis mit dem größten Wohnungsbedarf", erklärt der Weßlinger.
Bund Naturschutz (BN) und Gemeinde haben den Experten nach Seefeld eingeladen. "Boomtown München - was macht das mit unserer Heimat?", lautete das Thema seines Vortrags. Nach einer 40-jährigen Stagnationsphase, in der sich die Bevölkerungsdichte kaum geändert habe, "explodiere" München seit 2010 quasi, sagte er. Die Stadt sei "voll", trotzdem halte der Zuzug mit jährlich etwa 20 000 Menschen laut Prognosen auch in den nächsten 20 Jahre an. "Der Aufschwung ist stärker als nach dem Krieg", meinte Wittmann.
Statt der 16 000 benötigten neuen Wohnungen pro Jahr seien 2015 gerade einmal 8445 Baugenehmigungen erteilt worden. Auch Neubaugebiete wie Freiham würden nicht ausreichen. Somit würden die Begehrlichkeiten nach Flächen auf dem Land wachsen. "München bietet den Gemeinden sogar Entwicklungsgelder an", sagte der BN-Kreisvorsitzende Günter Schorn. Eine Gefahr drohe auch von Investoren, die das Maximum aus jedem Grundstück herausholen. Gesichtslose Bauten würden dann die Ortsbilder nachhaltig beeinträchtigen. "Wir müssen wissen, was wir wollen", sagte Wittmann. Für den Seefelder Bürgermeister Wolfram Gum steht fest: "Wir werden uns dem Druck nicht beugen." In Seefeld werde es keinen Platz für weitere Neubürger geben. "Wir weisen keine neuen Wohngebiete mehr aus", versprach Gum. Einzig auf bestehenden Grundstücken dürfe verdichtet werden, um beispielsweise Kindern von Einheimischen Wohnraum zu verschaffen.
Mit dieser Aussage liegt Gum auf der Linie des BN. "Wir waren uns inhaltlich noch nie so nahe", lobte Helmut Ronstedt. In den vergangenen 30 Jahren sei die Gemeinde um 1000 Bürger auf rund 7300 Einwohner gewachsen. "Es geht nicht mehr weiter", sagte Gum. Mit 210 Personen pro Quadratkilometer sei die Gemeinde relativ dünn besiedelt, wusste Wittmann. In Weßling liege die Quote bei 238, in Starnberg bei 371. Gilching sei mit 582 Personen pro Quadratkilometer die am dichtesten bebaute Gemeinde im Landkreis Starnberg. In München wohnen durchschnittlich 4600 Personen auf einem Quadratkilometer. "Das ist die mit Abstand am dichtesten bebaute Stadt Deutschlands", sagte Wittmann. Als Vergleich nannte er Berlin mit 3950 und die City of London mit 5400 Menschen.
Kritisch sieht Wittmann die Entwicklungen in Weßling und Gilching. Hier hätten Planer beim Bahnhof und auf der Gilchinger Glatze städteplanerische Konzepte entwickelt, "die nicht zu uns passen". Wittmann vermisste bei den Ideen der "ortsfremden Planer" Satteldächer, Sprossenfenster und andere "heimelige" Elemente sowie die Möglichkeit von Einheimischen, sich zu beteiligen.
Angesichts der horrenden Grundstückspreise müsste das Bauen vereinfacht und für private Bauherren eine Steuererleichterung eingerichtet werden, forderte ein Zuhörer. Auch flexible Wohnmodelle müssten seiner Ansicht nach entwickelt werden. Schließlich sei der Trend zum Reihenhaus angesichts der hohen Rate an Singlehaushalten heute längst vorbei. "Der Bedarf an Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen steigt auch im Landkreis überproportional", erklärte Wittmann. Als Positivbeispiel nannte er ein Münchner Wohnprojekt mit kleinsten Einheiten. Wer mehr Platz brauche, könne sich hier einen Gemeinschaftsraum, eine große Küche oder Sozialräume nach Bedarf anmieten.