Amtsgericht:Schwarzfahrer rastet aus, Kontrolleure treten zu

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Eine Ticketkontrolle am Starnberger Bahnhof Nord eskaliert. Vor dem Amtsgericht umarmen sich die Kontrahenten.

Von Christian Deussing, Starnberg

Eine Fahrscheinkontrolle am Bahnhof Nord in Starnberg ist im vergangenen Mai außer Kontrolle geraten - sie endete mit einer Prügelei auf dem Bahnsteig. Damit musste sich am Donnerstag das Amtsgericht Starnberg befassen. Auf der Anklagebank saßen der Fahrgast und auch die S-Bahn-Kontrolleure, die aufgrund dieses Vorfalls schon ihren Job verloren hatten und nun auch strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wurden.

Bei dem Vorfall, der sich am 16. Mai 2018 abspielte, war ein alkoholisierter Asylbewerber nach einer Feier in München auf dem Heimweg nach Starnberg um 7 Uhr morgens mit einer Fahrkarte erwischt worden, die eine Stunde zuvor um 6 Uhr abgelaufen war. Der Anklage zufolge hatte er zunächst seinen Ausweis nicht vorzeigen wollen - und beleidigte und bedrohte offenbar die Kontrolleure. Der junge Mann soll einem Ticketprüfer auch ins Gesicht geschlagen und gegen den Oberkörper getreten haben. Der Kontrolleur, selbst früher ein Flüchtling, revanchierte sich mit einem Fußtritt in die Kniekehle des Schwarzfahrers, aber nicht als Reflex. Ein weiterer Kontrolleur griff ein und trat dem auf dem Boden liegenden Fahrgast an den Kopf - was auch Bilder der Überwachungskamera belegen.

Der Kontrolleur, der zweimal zugetreten hatte, wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Er hat zudem 1500 Euro an die Starnberger Tafel zu zahlen. Der 23-Jährige gestand seine Attacken reumütig ein, entschuldigte sich beim 24-jährigen Fahrgast und bot ihm im Prozess 500 Euro in bar als "Wiedergutmachung" an. Dieser bedankte sich für diese Geste, nahm aber das Geld des Mitangeklagten nicht an. Er meinte nur: "Du brauchst doch auch das Geld."

Versöhnlich zeigte sich ebenso der andere Kontrolleur und umarmte fast brüderlich den einstigen Kontrahenten vom Bahnsteig in einer Verhandlungspause. Der 34-jährige gab den Tritt in die Kniekehle zu und bedauerte sein "falsches Verhalten" im Bahnhof Nord. Er muss jetzt wegen vorsätzlicher Körperverletzung 1400 Euro Strafe zahlen, während der Fahrgast im Verfahren auch anhand der Videobilder teilweise entlastet wurde: Der Passagier erhielt wegen versuchter Körperverletzung eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 15 Euro.

Richter Franz von Hunoltstein betonte, dass diese heftige Schlägerei nicht akzeptabel gewesen sei, zumal sie auch noch das Sicherheitsgefühl am Bahnhof stark beeinträchtigt habe. "Das will keiner erleben." In der Situation seien die beiden Kontrolleure wohl überfordert gewesen und hätten falsch auf das provozierende und aggressive Verhalten des Fahrgastes mit dem ungültigen Ticket reagiert. Das Gericht hielt es aber für bemerkenswert, wie "ruhig, sachlich und selbstkritisch" sich die Angeklagten präsentiert hätten. Es sei auch ein Glück, dass niemand ernsthaft verletzt worden sei.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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