Ammersee:Herrschings Bürgermeister geht auf Biber-Safari - um für die Nager zu werben

Lesezeit: 3 min

Im Sommer ernähren sich Biber von Wasserpflanzen. Bäume interessieren diese Tiere nur im Winter, wie auf der ersten Bibersafari in Herrsching zu erfahren ist. (Foto: Christian Schiller/oh)

Die Tiere werden sich vermehren und alle Bäume am Ufer fällen: Solche Vorurteile hört Christian Schiller immer wieder - verbunden mit der Forderung, sie abzuschießen.

Von Astrid Becker, Herrsching

Erst ist es nur ein "V", das sich im spiegelglatten Wasser des Ammersees abzeichnet, dann taucht an der Spitze ein Kopf auf. Es ist ein Biber, der sich schwimmend seinem Zuhause nähert, seiner "Burg", wie es im Fachjargon heißt. Es ist ein etwa zwei Jahre altes Jungtier. Und nur ein erster Biber an diesem Abend, denn fünf andere sollen folgen. Auf dem Steg von Tierarzt Uli von Weidenbach stehen noch etwa 15 Menschen.

Davor hatten, auf Gruppen verteilt, 200 darauf gehofft, die streng geschützten Tiere zu sichten. Vergeblich. Wer wilde Tiere sehen will, braucht Geduld und Glück. Das ist nicht allen hold, die an der ersten Bibersafari in Herrsching teilnehmen, zu der Bürgermeister Christian Schiller persönlich eingeladen hatte. Mit dabei ist auch der ehrenamtliche Biberbeauftragte des Landkreises, Franz Wimmer, der Wissenswertes über diese Nager erzählt. Der Grund dafür: Die Tiere hatten Bäume im Uferbereich geschädigt, und so manch ein Herrschinger hatte deshalb ihren Abschuss gefordert.

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Dieser ganze Ärger damit habe ihn dazu bewogen, aus seinem einstigen Scherz - "Irgendwann biete ich noch Safaris ins Herrschinger Wildlife an" - Ernst zu machen, sagt Schiller, der passend für diesen Abend im klassischen Safari-Outfit und bewaffnet mit Fotoapparat und Teleobjektiv erscheint. Sensibilität für diese Tiere will er mit dieser Aktion wecken. Das Interesse an den Bibern ist jedenfalls groß: Zehnmal so viele Bürger wie erwartet, sind der Einladung Schillers an diesem Montag gefolgt.

200 Menschen gehen mit - zehnmal mehr als erwartet

Treffpunkt ist um 19 Uhr am Alten Sportplatz, wenige Meter entfernt vom Ufer des Sees. Viele Bäume stehen hier, die meisten von ihnen tragen mittlerweile Drahthosen, um sie vor den Bibern und ihrem kräftigem Beißwerk zu schützen. Wimmer hat "Bärbel" mitgebracht, ein ausgestopftes Biberweibchen, das einst zwischen Inning und Grafrath überfahren worden war und nun Schulungszwecken dient. Die mächtigen Vorderzähne des Tieres sind rostrot gefärbt, typisch für Biber. Forscher wollen herausgefunden haben, dass sich im Zahnschmelz dieser Tiere Magnesium und Eisen befinden. Mineralien, die die ständig nachwachsenden Zähne der Biber besonders hart und stark machen. Nur so sind Biber überhaupt in der Lage, ganze Bäume buchstäblich über Nacht zu fällen.

200 Teilnehmer kommen zu Schillers Safari - zehnmal mehr als erwartet. (Foto: Nila Thiel)

Ein paar Kinder stehen um Bärbel herum, staunen und berühren die Zähne des präparierten Tieres. Dann streicheln sie sein Fell. 23 000 Haare pro Quadratzentimeter hat der Biber am Bauch, etwa die Hälfte davon im Nacken. Zum Vergleich: Beim Menschen sind es 300 bis 400. Des Bibers dichte Fell, das ihm den Aufenthalt im Wasser auch im Winter ermöglicht, erweckte einst Begehrlichkeiten beim Menschen, der ihn gnadenlos deswegen bejagte und ausrottete. Der andere Grund dürfte sein Fleisch gewesen sein: Im Mittelalter galt er wegen seines schuppigen Schwanzes als Fisch und damit als Fastenspeise. Erst Wiederaussiedelungen vor etwa fünfzig Jahren ermöglichten dem Biber wieder ein Leben in freier Wildbahn.

Wie viele dieser Nager nun am Ammersee leben, kann der Biberbeauftragte Wimmer nicht genau beantworten. Eines allerdings schon: In einer Biberburg leben drei Generationen, das als monogam geltende Elternpaar, die älteren Jungtiere sowie die in diesem Jahr geborenen Kleinen. Nachdem Biber in der Regel nur zwei Junge bekämen, bestehe so eine Familie aus maximal sechs Tieren, sagt Wimmer. Und daran ändere sich auch nichts.

Der Veterinär Uli von Weidenbach hat für die Safari seinen Steg zur Verfügung gestellt. Er beobachtet die Tiere, die in seiner Nähe leben, täglich. (Foto: Nila Thiel)

Damit räumt Wimmer gehörig mit einem Vorurteil auf, mit dem die possierlichen Nager belegt sind: Dass sich ihr Bestand unaufhörlich vergrößere und schon bald an Herrschings Promenade kein einziger Baum mehr stehe. Biber regelten ihren Bestand selbst, sagt er, in dem die Älteren die Jüngeren, sobald sie geschlechtsreif werden, vertrieben oder sogar töteten. Nach viel Theorie folgt die Praxis: Weidenbach stellt dafür seinen Steg zur Verfügung und bittet um Ruhe, um die Tiere nicht zu stören.

Die lassen sich aber erst nicht blicken, obwohl, wie er beteuert, sie normalerweise pünktlich um 20 Uhr kämen. Vielleicht sind es an diesem Abend zu viele Menschen, und die Tiere genießen ihr Abendmahl - übrigens Bäume nur im Winter, sonst Schilfgräser und Wasserpflanzen - an ruhigeren Plätzchen. Es ist fast 21 Uhr, als sie auftauchen. Die meisten Zweibeiner sind um die Zeit schon nach Hause gegangen. Schiller übrigens nicht: Er weiß von Safaris in Kenia und Südafrika, dass Geduld eine Tugend ist. Zumindest, wenn man wilde Tiere sehen will.

© SZ vom 31.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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