Raumnot:Moscheenot in München: Muslime beten in Saal der Jesuiten

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Ein Kruzifix an der Wand, kein eigener Raum für Frauen: Manch Muslim zögert, den Michaelssaal zu betreten, der so ganz anders ist als eine Moschee. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Muslime finden in München immer weniger Räume für eine Moschee.
  • Aus Brandschutzgründen musste vor kurzem der letzte Gebetsraum im Stadtzentrum schließen.
  • Die Jesuiten haben jetzt einen Raum hinter der Michaelskirche kurzfristig für das Freitagsgebet zur Verfügung gestellt.

Von Jakob Wetzel

Da knien sie nun, auf einem graubraunen Teppich im Michaelssaal der Jesuiten, hinter der Michaelskirche. Der Orden hat ihnen kurzfristig ein Quartier angeboten, weit mehr als 100 muslimische Münchner sind der Einladung gefolgt, viel mehr würde der Raum nicht fassen. Die Polizei hat sie von der Mariensäule hierher eskortiert; jetzt knien sie Seite an Seite und beten ihr Freitagsgebet, die Männer rechts, die vier Frauen links, gleich daneben - und sie alle beten unter einem fast lebensgroßen, christlichen Kruzifix.

Es ist kurz nach halb zwei Uhr am Nachmittag. Eigentlich wollten die Betenden jetzt auf dem Marienplatz stehen und demonstrieren, um auf ihre Raumnot aufmerksam machen: In der Innenstadt Münchens haben sie kaum noch die Möglichkeit, sich zu versammeln. In der Altstadt oder auch im südlichen Bahnhofsviertel, in dem viele Muslime arbeiten, gibt es seit Kurzem keine Moschee mehr. Besonders freitags, wenn gläubige Muslime mit einem Imam beten sollen, wird das zum Problem. Doch die für 13 Uhr angemeldete Kundgebung hat der Initiator, ein junger Münchner, der sagt, er spreche für eine Gruppe von Ehrenamtlichen, am Donnerstagabend wieder abgesagt.

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Kommentar von Jakob Wetzel

Im sozialen Netzwerk Facebook machte er dafür Sicherheitsgründe geltend: Sein Aufruf zur Kundgebung und zum anschließenden Gebet auf dem Marienplatz habe auch "Rechtspopulisten und rechte Gruppen auf den Plan gerufen", schrieb er. Das hätte eine Gefahr für alle Anwesenden bedeutet. Ausschließen könne man nichts, merkt dazu die Polizei am Freitag an - konkrete Erkenntnisse über eine Gefahr habe man aber nicht gehabt. Das Kreisverwaltungsreferat der Stadt teilt mit, es sei keine Gegendemonstration angemeldet worden. Auf Nachfrage sagt der Initiator, es sei ihm nicht nur um Sicherheit gegangen. Er habe auch vermeiden wollen, jenen rechten Gruppen eine öffentliche Bühne zu bieten und ihnen die Chance zu geben, zu provozieren.

Stattdessen beten sie nun bei den Jesuiten. Draußen, vor der Michaelskirche, bauen die vom Verfassungsschutz beobachteten Islamfeinde von Pegida einen Stand auf, vor dem Eingang zum Kirchenzentrum an der Maxburgstraße flankieren Polizisten eine einsame Demonstrantin, sie hat sich ein gelbes Schild umgehängt, auf dem etwas von "Kampfbetern" steht. Das Quartier im Michaelssaal sei eine einmalige Lösung, sagt der Kirchenrektor von Sankt Michael, der Jesuitenpater Karl Kern. In seinen Augen ist es nur eine kleine Geste: Der Saal sei frei gewesen, "und es ist kein Kirchenraum". Die Gäste müssten eben damit leben, dass an der Wand ein Kreuz hänge. "Das hängen wir nicht ab."

Tatsächlich zögern einzelne Muslime in der Tür. Ob das wirklich in Ordnung sei, unter einem Kruzifix zu beten, wollen zwei Neuankömmlinge wissen. Und gebe es keinen separaten Raum für die Frauen? Nein, theologisch sei gegen das Kreuz gar nichts einzuwenden, sagt einer der anwesenden Imame. Und nein, es gebe keinen zweiten Raum. Das reicht den beiden, sie gesellen sich zu den anderen, die längst im Saal sitzen, ganz ohne Bedenken.

Drinnen steht auch Pater Kern. "Herzlich willkommen!", ruft er den Gästen zu, und erntet ein vielstimmiges, lautes Dankeschön. "Alle, die sich vor dem allbarmherzigen Gott verneigen, gehören zusammen", sagt Kern, dann gibt er ab an Imam Sidigullah Fadai. In den vergangenen Monaten hätten mehrere Moscheen schließen müssen, sagt der, dabei sei die Zahl der Muslime doch stark gestiegen. Die Kundgebung habe man abgeblasen, weil man niemand provozieren wolle; es sei ja auch so gelungen, Aufmerksamkeit zu erregen. Und Fadai bittet um Hilfe "von unserem Staat": Man müsse endlich eine Moschee haben, die nicht von anderen Ländern abhängig sei. "Und wir wollen nicht im Hinterhof sein!" Jede noch so kleine Bewegung in die richtige Richtung sei gut und wichtig, ergänzt der ausgebildete Imam Ahmad Popal. "Wir wünschen uns eine Moschee, in der Männer und Frauen gleichberechtigt sind, und in der Deutsch gesprochen wird." Es gehe um die Jugend, die in Europa lebe, "und die diese Gesellschaft liebt". Aber es gebe keine Moschee in München, die nicht überfüllt sei.

Unter den Zuhörern ist auch Marian Offman. Einen Raum zu finden, sei natürlich nicht die Aufgabe der Stadt, sagt der CSU-Stadtrat, der auch im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde sitzt. Trotzdem müssten die Behörden tätig werden, findet er. "Wir brauchen in München eine Moschee", schon um Konflikte zu vermeiden, die seien sonst programmiert. "Das heißt ja nicht, dass wir eine Religionsgemeinschaft finanzieren", sagt er. Eine Schulturnhalle, die freitags leer stehe, die würde reichen. Die Muslime seien nicht anspruchsvoll. Sie bräuchten nur vier Wände und ein Dach.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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