Prozess:Live-Bilder aus dem Drogenkeller

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Die Cannabis-Plantage im Haus eines Münchners flog schnell auf. (Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Ein Münchner baut Marihuana in seinem Keller an.
  • Durch einen mutmaßlichen Fehler in der Software einer Überwachungskamera fliegt die Plantage auf.
  • Die Polizei findet außerdem zahlreiche Waffen und Munition bei dem Mann.

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Nagelneu sah die Überwachungskamera aus, die Richard M. bei einem großen Onlineversandhändler gekauft hatte. Er installierte sie Anfang 2017 im Keller, um seine Marihuana-Plantage bestens überwachen zu können. Was der 49-Jährige nicht ahnte, war die Tatsache, dass die Kamera schon einen Vorbesitzer hatte. Und der bekam, vermutlich durch einen Fehler in der Software, Live-Bilder aus dem Drogenkeller auf sein Handy geschickt.

So wurde die Polizei auf das Allacher Anwesen von Richard M. aufmerksam und entdeckte neben den Marihuanapflanzen auch jede Menge Waffen, Munition und über 6,7 Kilo Schießpulver. "Relikte meines verstorbenen Vaters", behauptet nun der angeklagte Richard M. vor der dritten Strafkammer am Landgericht München I.

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Von Korbinian Eisenberger

Richard M. ist ein korpulenter Mann mit blond-grauem, zurückgekämmtem Haar. Die Fragen von Richter Anton Winkler beantwortet er prompt, ausführlich und meistens nachvollziehbar. Seine Vita hat nichts mit der eines drogenabhängigen Junkies zu tun. Der Münchner absolvierte in Elektrotechnik seinen Meister, arbeitete selbständig und als Ausbilder, alles lief bestens bis zu seinem Unfall im Jahr 2008. "Da bin ich von der zweiten Stufe einer Leiter so dumm auf die Schulter gefallen, dass die komplett zertrümmert wurde", sagt er. Elf Schrauben mussten ihm eingesetzt werden, "die liegen heute noch irgendwo rum". Wie wohl so einige Sachen bei ihm rumliegen, die später die Polizei auf den Plan riefen.

Der Vater von Richard M. hatte aufgrund seiner Krebserkrankung Marihuana zur Schmerztherapie verschrieben bekommen. Und als der Vater starb, probierte M. einfach die Reste der Droge aus. "Nach zehn Jahren Schmerzen, da ist der Schritt zur illegalen Handlung leichter", sagt er. Also versuchte er sich von Ende 2016 an als Gärtner. Die Pflanzensamen aus Österreich gediehen prächtig, rochen aber ziemlich streng, weshalb er ein Zelt kaufte und die Pflanzen ins Schlafzimmer stellte. Es folgten ein Abluftsystem, Beleuchtung und eine erste, kümmerliche Ernte. Die in Olivenöl ausgekochten Pflanzenreste ergaben am Ende nur ein kleines Fläschen Drogenöl. "Aber ein Teelöffel am Tag reichte aus und ich war zwei Tage und mehr schmerzfrei", behauptet M.

Also habe er sich entschlossen, in seinem Elternhaus in Allach, wo seine Mutter im Erdgeschoss und er mit seiner Freundin im ersten Stock wohnte, die Sache größer aufzuziehen. Er kaufte sich eine Ausrüstung für 3000 Euro im Internet, räumte mit seiner Mutter den Keller aus, "und da fiel uns dieses Zeug in die Hände". Das Zeug - das waren Pistolen, Repetiergewehre, Tausende von unterschiedlichen Patronen und Schießpulver mit einer Gesamtnettoexplosivmasse von 6,7 Kilogramm, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift ausführte.

Einige der Waffen lagen unter dem Bett von Richard M. Er habe nicht gewusst, was er mit dem Zeug machen solle, behauptet dieser vor Gericht. Und so habe er einen Teil nach Forstern in Niederbayern gefahren, wo er Patronen, Waffen und Pulver in einem landwirtschaftlichen Anwesen seiner Lebensgefährtin deponierte.

"Uns war der Einsatz zu gefährlich, Schwarzpulver und eine Gasflasche in der Nähe. Wir haben Spezialkräfte vom Bayerischen Landeskriminalamt eingeschaltet", erzählt einer der Beamten, der bei der Durchsuchung in Forstern dabei war. M. hätte die Relikte seines Vaters einfach bei der Polizei abgeben können, sagt Richter Winkler. "Ich habe falsch reagiert", meint der Angeklagte. "Sie wollten alles behalten", glaubt Winkler, "Sie haben da eine gewisse Affinität". Die Polizei fand auch ein Samurai-Schwert, ein Nachtsichtgerät, eine Außenkamera am Haus, einen Militär-Lkw. Ein Urteil wird in gut einer Woche erwartet.

© SZ vom 07.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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