100 Jahre Planetarium:"Eine Erfindung, die den Himmel auf die Erde holte"

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Mit Beamer und modernem Projektor kann man heute virtuell durchs Weltall reisen - und nicht allein den Sternenhimmel betrachten. (Foto: Florian Peljak)

Im Jahr 1923 wurde in München eine technische Neuheit vorgestellt, die sich von dort aus um die Welt verbreiten sollte: das Projektionsplanetarium. Der künstliche Sternenhimmel begeisterte schon damals die Besucher.

Von Barbara Galaktionow

Zehn Meter Durchmesser hat die mobile Kuppel, die sich derzeit im Eingangsbereich des Deutschen Museums befindet. Wer sich dort hineinbegibt, der kann virtuell durch den Weltraum reisen - von der Erde über den Mars zu den Jupitermonden (wohin vor einigen Tagen auch eine reale Mission der Europäischen Weltraumorganisation Esa gestartet ist), aus unserem Sonnensystem heraus bis zum Ende des Universums. Es ist ein für den Laien in vielem rätselhafter, aber sehr beeindruckender Trip.

Etwa zehn Meter Durchmesser hatte auch das erste Projektionsplanetarium, das der Weltöffentlichkeit am 21. Oktober 1923 in München präsentiert wurde, auf dem Gelände des - damals noch im Bau befindlichen - Deutschen Museums. Das Deutsche Museum feiert das Jubiläum vom 5. Mai an mit einer Sonderausstellung. Bis ans Ende des Weltalls ging es vor hundert Jahren noch nicht. Und doch beeindruckte die Erfindung die Menschen stark. War es doch das erste Mal, dass sie die Bewegung der Sterne nicht nur nachts im Freien, sondern auch tagsüber in einem Raum miterleben konnten, scheinbar realistisch, wenn auch im Zeitraffer.

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"Wer Gelegenheit hatte, in der ersten Besuchswoche des Deutschen Museums den gewaltigen Andrang nach den Planetarien und die helle Begeisterung der Besucher zu beobachten, der mußte die Ueberzeugung gewinnen, daß hier ein Bildungsmittel von unschätzbarem Wert geschaffen ist", schrieben im Januar 1924 die Münchner Neuesten Nachrichten, die Vorgängerzeitung der SZ. Das Projektionsplanetarium sei gleich ein "Riesenerfolg" gewesen, sagt Ausstellungs-Kurator Christian Sicka. Es war eine "Erfindung, die den Himmel auf die Erde holte". Da sei einfach der "Aha-Effekt, wenn der Projektor angeht", auch heute noch.

Astronomie-Kurator Christian Sicka erklärt die verschiedenen Sternenprojektoren aus der jeweiligen Zeit. (Foto: Florian Peljak)

Das Projektionsplanetarium in München war zwar das erste, blieb aber bei Weitem nicht das einzige. Die Möglichkeit, mittels Projektion in den Sternenhimmel oder eben auch das All zu blicken, sollte sich über die ganze Welt verbreiten und immer ausgefeilter werden. Etwa 4000 Projektionsplanetarien gebe es inzwischen weltweit, sagt Wolfgang Heckl, Generaldirektor des Deutschen Museums. Und mehr als eine Milliarde Menschen hätten schon eines besichtigt. "Wir sind stolz darauf, dass unser Haus den Anfang setzen konnte", sagt er.

Oskar von Miller, der Gründer des Deutschen Museums, hatte noch vor dem Ersten Weltkrieg die grundlegende Idee für das Planetarium und ließ sich auch durch eine erste Abfuhr nicht entmutigen. Die Firma Carl Zeiss Jena, die sich nur für Optik und nicht für Technik zuständig sah, teilte von Miller auf dessen Anfrage zunächst "ergebenst" mit, dass "wir uns mit der Herstellung des Planetariums nicht befassen können, da derartige Arbeiten nicht in den Rahmen unserer Fabrikation passen". Drei Monate später nahm sie den Auftrag aus München aber dennoch an - und der Ingenieur Walther Bauersfeld entwickelte das Projektionsplanetarium, eine "Vorrichtung zum Projizieren von Gestirnen auf eine kugelförmige Projektionswand", wie es später in der Patentschrift hieß.

Bei seiner ursprünglichen Idee ging es Oskar von Miller dabei gar nicht darum, den Sternenhimmel zu erklären, wie man heute vermuten könnte. Er wollte etwas ganz anderes zeigen, wie Kurator Sicka erklärt, den "Wandel des Weltbilds vom ptolemäischen zum kopernikanischen", also den Wandel der Vorstellung, dass die Erde im Zentrum des Planetensystems stehe, hin zu der Beobachtung, dass dies die Sonne ist.

Um dies zu verdeutlichen, gab es 1923 denn auch zwei Räume: Die ptolemäische Vorstellung wurde mittels des Projektionsplanetariums deutlich gemacht: 4500 Fixsterne, etwa so viele, wie man in dunklen Nächten auch mit bloßem Auge erkennen kann, bewegten sich hier um den Menschen. Im kopernikanischen Raum umkreiste der Mensch hingegen mittels eines Gefährts am Boden selbst ein Modell der Sonne.

"Ausweichplanetarium": Die Kuppel wurde eigens für die Sonderausstellung aufgestellt. (Foto: Florian Peljak)

Wie genau das aussah, davon kann man sich in der Sonderausstellung ein Bild machen. Zu sehen sind auch der erste Planetariumsprojektor sowie weitere Folgemodelle, die im Deutschen Museum eingesetzt wurden. Doch auch Ausstellungsstücke aus früheren Zeiten zeugen von der Jahrhunderte währenden Beschäftigung des Menschen mit dem Nachthimmel, wie zum Beispiel ein Astrolabrium aus dem 16. Jahrhundert, ein scheibenförmiges Instrument zur Berechnung der Himmelsbewegung.

Außerdem sind aktuelle Aufnahmen aus dem Weltall zu sehen, die unter anderem vom Hubble Teleskop zur Erde gesandt wurden. Das Herzstück der Ausstellung bildet das moderne Planetarium mit Projektor und Beamer. Die Kuppel wurde im Jubiläumsjahr als "Ausweichplanetarium" aufgestellt, wie Direktor Heckl sagt, da das eigentliche Planetarium derzeit modernisiert wird.

Die Sonderausstellung "100 Jahre Planetarium" ist vom 5. Mai 2023 bis 28. Januar 2024 im Deutschen Museum zu sehen.

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