Was läuft im Musiktheater?:Münchner Opernpremieren im April

Lesezeit: 2 min

Kafka im Justizpalast: Wer denkt da nicht sofort an sein Romanfragment "Der Prozess". Die Opera Incognita inszeniert an diesem Ort jedoch ein anderes Werk des Prager Schriftstellers, die Erzählung "In der Strafkolonie", in der Vertonung des amerikanischen Komponisten Philip Glass. Eine München-Premiere. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Vertonter Kafka-Horror von Philip Glass, Frauenpower bei einem Doppelabend im Cuvilliés-Theater und ein dicker armer Ritter.

Von Jutta Czeguhn

",Sie sehen', sagte der Offizier, "zweierlei Nadeln in vielfacher Anordnung. Jede lange hat eine kurze neben sich. Die lange schreibt nämlich, und die kurze spritzt Wasser aus, um das Blut abzuwaschen und die Schrift immer klar zu erhalten." München und Franz Kafkas Erzählung "In der Strafkolonie" - das ist die Geschichte eines "großartigen Misserfolgs". So jedenfalls lautete sein eigenes Fazit über die Lesung aus der Novelle im Hunger-November 1916 in der unbeheizten Münchner Galerie Goltz, die zu der Zeit neben dem Café Luitpold lag. Ob damals wirklich Leute im Publikum kollabierten bei der Schilderung des grausamen Hinrichtungsapparates, wie ein Augenzeuge namens Max Pulver behauptete? (Mehr dazu in Alfons Schweiggerts "Franz Kafka in München", 2007) Und wenn ja, ob sich derlei wiederholen könnte am 19. April - im Lichthof des Justizpalastes?

Diesen Ort, an dem die Schauprozesse der NS-Diktatur stattfanden, hat die Opera Incognita sehr bewusst gewählt für die München-Premiere von Philip Glass' Opern-Adaption "In the Penal Colony". In seiner Vertonung aus dem Jahr 2000 gelingt es dem US-Komponisten, durch die quälende Monotonie serieller Musik tief in Kafkas verstörenden Kosmos einzudringen. Zu erleben ist ein intimes, vieldeutiges Kammerspiel über Mensch, Moral und Maschine mit zwei Protagonisten, dem Chor von Opera Incognita als Statisterie und einem Streichorchester. Weitere Vorstellungen sind am 20., 25., 26., 27. April, jeweils 20 Uhr. Wer die Termine verpasst: Das Jewish Chamber Orchestra widmet sich der Penal Colony ebenfalls: am 9. und 10. Juni in den Kammerspielen.

Verbinden Respighi und Orff: Die Mitglieder des Opernstudios der Staatsoper, hier bei einem Arienabend, zeigen traditionell in einer großen Spielzeitproduktion ihr Können. (Foto: Wilfried Hösl)

Es gibt da dieses Foto, darauf sieht man Carl Orff zusammen mit Dirigent Clemens Krauss, Operndirektor Rudolf Hartmann und Chorchef Josef Kugler über die Partitur von "Der Mond" gebeugt, es muss vor der Uraufführung des Werks an der Bayerischen Staatsoper am 5. Februar 1939 aufgenommen worden sein. Unweigerlich denkt man Zeit und Umstände, die Verwicklungen dieser Personen mit dem NS-Staat mit, wenn Orffs Märchenoper über den geraubten Mond jetzt wieder auf dem Spielplan steht. Die neue Produktion des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper verknüpft den "Mond" mit einer anderen Oper aus den 1930er-Jahren: Ottorino Respighis "Lucrezia", beide in reduzierten Fassungen. Das hört sich nach einem spannenden Projekt an. Neugierig macht auch, wer hier agiert. Kein reines Männer-Ding wie bei der Uraufführung, sondern zwei junge Frauen stellen sich vor: Ustina Dubitsky, früheres Mitglied des Kinderchores der Bayerischen Staatsoper, gibt ihr Hausdebüt als Dirigentin. Regie führt die Ukrainerin Tamara Trunova, Dramatikerin und Chefregisseurin des Kiewer Left-Bank-Theaters. Premiere des Abends mit dem Opernnachwuchs im Cuvilliés-Theater ist am 24. April.

Die bayerische Kammersängerin Brigitte Fassbaender inszeniert am Gärtnerplatztheater Otto Nicolais "Die lustigen Weiber von Windsor". (Foto: Frank Leonhardt/dpa/picture alliance)

Auch das Gärtnerplatztheater hat ein Opernstudio, seit 2023 werden am Haus junge Talente auf ihre Bühnenkarriere vorbereitet. Vor Kurzem konnte man sie erleben bei einem Meisterkurs mit der überaus energetischen, liebevoll fordernden Brigitte Fassbaender, die im Laufe ihrer langen Karriere als Opernsängerin, vor allem aber als Intendantin und Regisseurin immer wieder auch das Neue gesucht hat. Wie wird die Furchtlose also einen Klamauk-Kracher wie Otto Nicolais "Die lustigen Weiber von Windsor" (1849) ins Jetzt drehen? Die komisch-fantastische Oper mit dem dicken Ritter Sir John Falstaff hat am 26. April, 19.30 Uhr am Gärtnerplatz Premiere.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusInterview mit Nora Abdel-Maksoud
:"Ich kann eigentlich nur machen, was ich lustig finde"

Ein Glück: Nora Abdel-Maksoud hat eine neue Komödie geschrieben. "Doping" hat an den Münchner Kammerspielen Premiere. Die Münchner Autorin und Regisseurin erklärt, wie aus Wut Witze werden.

Interview von Yvonne Poppek

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: