Im Fall einer Bewerbung:Wie fit ist München für Olympia?

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Spitzenstimmung gab es beim Beach-Volleyball auf dem Königsplatz. (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Die meisten Sportanlagen wurden schon bei den Sommerspielen 1972 genutzt. Vielerorts stehen aufwendige Sanierungen an. Und die Anforderungen sind heute deutlich höher.

Von Joachim Mölter

Es sind immer noch viele Menschen beseelt von den European Championships, mit denen die Stadt im August das 50-Jahr-Jubiläum der Olympischen Spiele von 1972 zelebriert hat. Noch während der Multi-Europameisterschaften kam die Idee auf, dass München sich erneut für Olympische Spiele bewerben möge. Seit Montag ist die Idee konkretisiert durch einen Antrag der Stadtratsfraktion von CSU/Freien Wählern, sich "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" als Olympia-Ausrichter zu bewerben. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ist "dieser Idee gegenüber sehr aufgeschlossen", wie er umgehend bekundete; auch seine Stadtratsfraktion aus SPD und Volt sieht das grundsätzlich positiv.

Der frühere Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), Beauftragter der Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, regte sogleich eine gemeinsame Bewerbung von München und Tel Aviv für Olympia 2036 an, den nächsten freien Termin für Sommerspiele. Hundert Jahre "nach den Nazi-Spielen von Berlin wäre das ein starkes Zeichen für Völkerverständigung", findet Spaenle. Genau wegen des 100-Jahre-Jubiläums von Berlin 1936 gibt es auch Stimmen, die raten, lieber das Jahr 2040 anzuvisieren.

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Wie auch immer: Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), ist alles recht. "Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich es begrüße, wenn Interesse in Deutschland bestehen würde", sagte der 68-Jährige am Montag bei einer Diskussion in Stuttgart. Allerdings mahnte er: "Fans und Sportler aus anderen Ländern sollen sich willkommen fühlen und nicht das Gefühl haben, man wolle ihnen Lektionen erteilen." Eine kleine Spitze gegen die hierzulande moralisierend begleitete Fußball-WM in Katar.

Was Bach noch riet für eine erfolgreiche Bewerbung: die Spiele so nachhaltig wie möglich zu gestalten und überwiegend bereits existierende Sportstätten zu nutzen. Damit liegt er auf einer Linie mit OB Reiter. Der hält freilich die Vergabe an einzelne Städte, wie es das IOC praktiziert, für "nicht mehr zeitgemäß". Ihm schwebt ein Austragungskonzept mit mehreren Städten vor, die jeweils Sportstätten einbringen. So wie 1972 Kanuslalom nach Augsburg und Segeln nach Kiel ausgelagert wurden, könnte nun andernorts gekrault werden, weil die Schwimmhalle in München derzeit nicht olympiareif ist.

Welche Sportstätten gibt es denn überhaupt noch in München, die für Olympische Spiele zu gebrauchen wären? Selbst bei den gefeierten European Championships war ja nur noch Platz für neun Sportarten. Und mit dem Olympia-Gigantismus seien die European Championships nicht vergleichbar, gab Katrin Habenschaden zu bedenken, Münchens Zweite Bürgermeisterin und Vertreterin der Grünen. 1972 in München kämpften 7134 Teilnehmer (darunter 1095 Frauen) aus 121 Ländern in 21 Sportarten um insgesamt 195 Goldmedaillen. Bei den wegen Corona auf 2021 verschobenen Spielen von Tokio traten 11 420 Athleten (darunter 5457 Frauen) aus 206 Ländern in 33 Sportarten und 339 Entscheidungen an. Wo soll das alles untergebracht werden? Woher ein neues Olympisches Dorf mit Tausenden Apartments nehmen - in einer Stadt, die sich mit dem Wohnungsbau sowieso schon schwertut? Und wird die zweite Stammstrecke rechtzeitig fertig, um die Massen zu transportieren? Es sind noch viele Fragen offen.

Ein Streifzug durch Münchens Olympia-Optionen

Olympiapark

Das Herz der European Championships schlug im Olympiapark, wie damals die Spiele von 1972. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Im Olympiapark schlug schon 1972 das Herz der Spiele und bei den European Championships 2022 erneut - kaum vorstellbar, dass es bei einer künftigen Olympia-Ausrichtung anders wäre. Aber ob dieses Herz in anderthalb Jahrzehnten noch genauso kräftig pulsiert wie heute?

Das Olympiastadion wird in den nächsten Jahren ertüchtigt, für 130 Millionen Euro wird an Betriebstechnik und Brandschutz, Infrastruktur und Besucherkomfort gearbeitet. Dazu kommen noch etwa 80 Millionen für die alles überspannende Dachkonstruktion. "2027 ist das Olympiastadion wieder voll einsatzbereit", sagt Nils Hoch, stellvertretender Geschäftsführer der Olympiapark GmbH. "Bis zu möglichen Spielen 2036 oder 2040 müsste aber sicher noch in Teilbereichen nachgerüstet werden. Vor allem im Bereich der Digitalisierung müsste geschaut werden, was zu dieser Zeit gefordert ist."

Ähnlich sieht es bei der Olympiahalle aus, bei der die 2020 abgeschlossene Sanierung wohl auch nicht bis in alle Ewigkeit den Anforderungen genügen wird und an der einen oder anderen Stelle ausgebaut und nachgerüstet werden müsste. Die ebenfalls gerade erst sanierte Schwimmhalle entspricht mit ihren acht Bahnen schon jetzt nicht mehr den Anforderungen der internationalen Verbände, die zehn haben wollen für ihre Titelkämpfe. Zwei zusätzliche Bahnen seien indes nicht nachrüstbar, heißt es seitens der Stadtwerke.

Dass sich Freiluftsportarten wie Triathlon, Mountainbike oder BMX-Freestyle im Park organisieren lassen, war bei den European Championships zu sehen. "Aber es gibt auch in den Außenanlagen Kapazitätsgrenzen", sagt Hoch. "Welcher Sport sich logistisch noch im Park unterbringen ließe, müsste man sehen. Vorstellbar wäre Skateboard, das seit vielen Jahren Bestandteil des Actionsport-Events ,Mash' ist." Klar ist: Es reicht nicht, Anlagen zu haben. Sie müssen schon auch noch gepflegt und immer wieder auf den neuesten Stand gebracht werden.

Regattaanlage

Dauerbaustelle: die Olympia-Regattaanlage. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Für die EM-Titelkämpfe der Ruderer und Kanuten wurde die Anlage in Oberschleißheim noch mal für neun Millionen Euro aufgehübscht. Auf lange Sicht steht das Projekt freilich auf einem wackligen Fundament. Weil die Tribünen aus Sicherheitsgründen gesperrt sind, hat der Regattaverein eben erst die Ausrichtung eines Weltcups 2024 zurückgegeben. Derzeit ist völlig unklar, wie es weitergehen soll.

Reitanlage

Künftig vielleicht eine Nummer kleiner: die Reitanlage in Riem. (Foto: Stefan Lafrentz/imago)

Auf dem Areal in Riem findet immer noch jährlich die Veranstaltung "Pferd International" statt, ein großes Turnier für Spring- und Dressurreiter. Dort wäre also eine gute Basis für Olympia-Wettbewerbe vorhanden. Die Stadt möchte aber vier bis sechs Hektar vom Gelände abknapsen, um Wohnungen zu bauen. Das könnte für künftige Championate ein Hindernis darstellen.

Rudi-Sedlmayer-Halle

Ein Hort der Tischtennis-Wettbewerbe: die Rudi-Sedlmayer-Halle. (Foto: Jürgen Kessler/imago)

1972 diente die Arena im Münchner Westen als Spielplatz der Basketballer. Für den Bundesliga-Betrieb der Bayern-Korbjäger ist sie vor zehn Jahren reaktiviert worden, für Tischtennis bei den European Championships war sie noch gut genug. Ob sie in anderthalb Jahrzehnten als Olympia-Stätte taugt, ist indes schwer vorstellbar. Dafür muss viel modernisiert werden.

SAP Garden

11 500 Zuschauer sollen beim Basketballspielen in der Arena Plätze finden. (Foto: 3XN Architects)

Am Rande des Olympiaparks wird immer noch gebaut, aber wenn die Halle irgendwann einmal eröffnet wird, soll sie zu den modernsten und umweltschonendsten Europas gehören, mit Platz für mehr als 11 000 Zuschauer und energiesparender Technik. Voraussichtlich im Frühjahr 2024 soll die Halle in Betrieb gehen und in erster Linie für Profi-Eishockey und Profi-Basketball genutzt werden. Die Arena ist zwar im Besitz eines Investors, kann aber für andere Sportereignisse gemietet und umfunktioniert werden. Ursprünglich wollten die Handballer bei ihrer EM im Januar 2024 dort Vorrundenspiele austragen, ehe sich die Fertigstellung verschob.

Innenstadt

Die Tickets für das Beach-Volleyball am Königsplatz waren rasend schnell ausverkauft. (Foto: Lukas Barth/imago/Reuters)

Bei den European Championships im August zogen die Wettkampforte in der Innenstadt Zuschauermassen an - ob das auf dem Königsplatz die Beachvolleyballplätze und Kletterwände waren oder auf dem Odeonsplatz die Zielgerade für Radrennfahrer und Marathonläufer. Die temporär installierten Tribünen und Wettkampfstätten erwiesen sich in vielerlei Hinsicht als vorteilhaft: Im Vergleich zu Festbauten ließ sich viel Geld sparen, die Anlagen konnten danach schnell wieder abgebaut werden. Und mit dem Konzept, öffentlichen Raum in der City zu bespielen, wurde der Sport einem urbanen Publikum nahegebracht, das sonst vielleicht keinen Berührungspunkt gehabt hätte. Dank der Flexibilität wäre bei Olympischen Spielen vieles denkbar.

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