Um Punkt 12 Uhr hatte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Samstag im Schottenhamel-Zelt das erste Fass des diesjährigen Oktoberfestes angezapft. Eine Stunde und 41 Minuten später, die Ratsboxe auf der Empore des Zeltes, in die die Landeshauptstadt zu diesem Anlass stets Gäste aus Politik und Gesellschaft einlädt, war noch gut gefüllt, stimmte die Kapelle das Lied an, um das es zuletzt viele Diskussionen gegeben hatte: "Layla".
Beim Publikum kam dies gut an. Es wurde laut mitgesungen, auch an einigen Tischen auf der Empore, wo dazu auch stehend gefeiert wurde - unter anderem von einer Gruppe Japaner, einer Delegation aus Münchens Partnerstadt Sapporo, von der allerdings anzunehmen ist, dass sie sich nicht bewusst war, welche Debatten Refrainzeilen wie "Ich hab' 'nen Puff und meine Puffmama heißt Layla // Sie ist schöner, jünger, geiler" hierzulande zuletzt ausgelöst hatten.
Derlei Liedgut, so früh am Tag, aufgeführt vor der versammelten Politik-Prominenz aus Stadt und Land: Festwirt Christian Schottenhamel stellte schon kurz darauf klar, dass dies keineswegs so geplant gewesen sei. Er selbst sei überrascht gewesen, als der Song angespielt wurde, erklärte er der SZ. Er habe sich daraufhin bei seinem Kapellmeister erkundigt: Dieser sei überrumpelt worden - von dem Comedian Sebastian Pufpaff aus der Pro-Sieben-Sendung "TV Total", der mit einer Kamera bei den Musikern vorstellig geworden sei, sich als Dirigent angeboten und gefragt habe, ob alle "Layla" beherrschten. Der Kapellmeister habe gedacht: Das sei sicher abgestimmt und habe seine Musiker loslegen lassen. Sexismus aus Versehen, sozusagen. Pufpaff hatte zuvor schon versucht, Söder beim Einzug ins Zelt einen "Crystal-Mett-Igel" zu überreichen, in Anspielung auf einen Versprecher, den sich Söder neulich geleistet hatte.
Der Song hatte schon kurz vor dem Anzapfen erneut für Gesprächsstoff gesorgt. So erklärte Ministerpräsident Markus Söder (CSU), unmittelbar bevor Reiter mit dem Schlegel ausholte: "Jeder soll auf dieser Wiesn anziehen, was er will, jeder soll essen, was er will, und wenn hier mal die Band ein Lied spielt, das nicht jedem gefällt, dann soll auch jeder singen können, was er will."
Auf der Ehrengasttribüne wurde daraufhin am Tisch der Landtags-Grünen so manches Augenpaar verdreht und Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (ebenfalls Grüne) meinte: "Die Bemerkung hätte es meines Erachtens nicht gebraucht." Sie sah es aber trotzdem gelassen: "Ehrlich gesagt ist mir die ganze Diskussion sowieso einen Hauch zu blöd." Dem Ministerpräsidenten jedoch anscheinend nicht. Er wiederholte seine Äußerung später noch ein paar Mal. Er sei dafür, "dass es keine Verbote von Liedern gibt".
Tierschutzaktivisten, die zuvor versucht hatten, den Einzug der Wiesn-Wirte auf das Festgelände zu stören, warf Söder Spielverderberei vor: "Es gibt immer jemanden, der den Spaß verderben will." Söder weiter: "Diese ganze Verbotsdiskussion, die nervt. Wokeness mag interessant sein, aber wenn sie übertrieben ist, dann ist sie spießig, und die Wiesn ist alles, nur nicht spießig."
Die Stadt Würzburg hatte das Aufführen des Songs "Layla" auf dem Kiliani-Volksfest im Juli im laufenden Betrieb nach Sexismus-Debatten untersagt. Auf der Wiesn ist der Song, der in der Woche vom 9. September noch Platz fünf der Deutschen Singlecharts belegt hatte, nicht verboten. Der auch fürs Oktoberfest zuständige Wirtschaftsreferent der Stadt, Clemens Baumgärtner (CSU), hatte dies abgelehnt, weil er weder "Kultur- noch Sprachpolizei" sein wolle. Die Wiesnwirte hatten dann allerdings erklärt, man wolle auf das Lied im Musikprogramm freiwillig verzichten.
Die Pufpaffsche Puffmutter-Aufführung vor den Politikern war am Samstag offenbar auch nicht die erste auf der Theresienwiese. Zeugen zufolge war das Lied um kurz nach 13 Uhr bereits in einem anderen Zelt angestimmt worden. Weitere Darbietungen sind nicht bekannt, bis zum Wiesnhit ist damit noch ein weiter Weg.