Weniger Geld wegen Corona:"Das ist der Sargnagel für die Regattastrecke"

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Für die Sanierung der Regattastrecke in Oberschleißheim will die Stadt wegen der Corona-Krise nur noch einen Bruchteil der geplanten Summe ausgeben. (Foto: Stephan Rumpf)

Weil die Stadt in Corona-Zeiten sparen muss, kürzt sie auch die Mittel für die Sanierung der Olympia-Regattastrecke stark zusammen. Für die Sportler sind die Folgen drastisch.

Von Sebastian Winter

Die Entscheidung des Stadtrats, für die Sanierung der Olympiaregatta wegen der Corona-Krise statt den zuvor geplanten 61 Millionen Euro nur noch 17 Millionen auszugeben, stößt bei den ansässigen Vereinen auf heftige Kritik. "Das ist der Sargnagel für die Regattastrecke", sagt Oliver Bettzieche, der Vorstandsvorsitzende des Vereins Regatta München, der sich um Spitzensport-Veranstaltungen im Rudern wie deutsche Meisterschaften bis hin zu internationalen Weltcups kümmert.

"Für uns bedeutet es, dass wir nach 2022 auf dieser Anlage keine Regatten mehr veranstalten können." Der Weltcup, den Regatta München 2024 ausrichten wollte, stehe nun genauso auf der Kippe wie die Euro-Masters-Regatta, die größte Breitensport-Veranstaltung in diesem Bereich in Europa, außerdem die größte Junioren-Regatta des Kontinents sowie diverse deutsche Meisterschaften.

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"Ich habe volles Verständnis dafür, dass in dieser Situation gespart werden muss", sagt Bettzieche. "Aber ich hätte mir erhofft, dass sich während der neuen Planungen wenigstens mal jemand bei uns hier an der Regattastrecke meldet und fragt, was jetzt am dringendsten gemacht werden muss." Der Vereinsvorsitzende nennt als Beispiel die Sanierung des Zielturms, eine zentrale Anlage auf der Strecke, wo auch alle EDV-Systeme zusammenlaufen. "Seit Jahren geht es uns bei den Planungen hier wie in einer Achterbahn: rauf und runter. Und jetzt kommt der freie Fall. Da fehlt dann irgendwann das Vertrauen", sagt Bettzieche.

Auf der seit vielen Jahren bröckelnden, seit 2018 unter Denkmalschutz stehenden Anlage würde ein solches Spar-Szenario wohl den gesamten Leistungs- und Spitzensport bedrohen. Dabei gilt die olympische Stätte samt ihres gut zwei Kilometer langen Wasserbeckens wegen ihrer günstigen Ausrichtung als eine der besten in ganz Europa. Der Dachauer Ruder-Weltmeister Oliver Zeidler hat hier sein Trainingsrevier und gilt als großes Aushängeschild.

Doch drumherum ist vieles marode, Start- und Zieltürme müssen dringend saniert werden, die Technik, die sanitären Anlagen ebenfalls, auch für die monumentale Tribüne braucht es eine Lösung. Manche Teilbereiche, beispielsweise das Obergeschoss der Bootshäuser, die als Übernachtungsgelegenheit während Trainingslagern dienten, sind aus Brandschutzgründen bereits geschlossen.

Die Ruderregattastrecke in Oberschleißheim. Viele Teilbereiche müssen dringend saniert werden. (Foto: Claus Schunk)

Viele Jahre hat die Stadt das Thema vor sich hergeschoben, obwohl es immer wieder Sanierungskonzepte gegeben hat. Aber die Politik scheute die immensen Kosten, die bei allen jüngeren Planungen auf einen mittleren bis hohen zweistelligen Millionenbetrag taxiert wurden. Im Herbst 2019 hatte der Stadtrat dann aber doch den großen Wurf gebilligt. Demnach sollte im Frühjahr 2021 der erste Bauabschnitt beginnen. Allein die Bauphase A, die bis zu den European Championships im Sommer 2022 dauern sollte, hätte 34 der 61 Millionen Euro verschlungen. Über den zweiten Bauabschnitt, der die Rechnung auf bis zu 100 Millionen Euro nach oben getrieben hätte, sollte zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Dann kam Corona.

Das Referat für Bildung und Sport teilte nun auf Nachfrage mit, dass die Sanierung bis zu den European Championships 2022 zurückgestellt ist. Die Investition von nur noch 17 Millionen Euro solle danach über mehrere Jahre verteilt werden, die Gebäudesanierung erst 2026 beginnen. Zwei Millionen Euro davon sind allerdings schon als Planungskosten reserviert.

Vorerst müssen die knapp 3000 Kanuten und Ruderer der zehn ansässigen Vereine mit ihren weit mehr als 1000 Booten also weiter mit Provisorien leben. Auch für die European Championships müssen für die Sportler dann temporäre Tribünen und andere Notlösungen aufgebaut werden, was Bettzieche ebenfalls kritisiert: "Man kann sich nicht für 50 Jahre Olympische Spiele feiern lassen und danach die Anlage quasi schließen", ärgert er sich. "Auch wenn sie schon immer das Stiefkind das Olympiapark-Ensembles war: Für mich sind solche temporären Geschichten nicht nachhaltig und auch widersprüchlich, wenn man mit nachhaltigen Wettbewerben wirbt."

Ein wesentliches Argument für die Ausrichtung der European Championships exakt 50 Jahre nach den Olympischen Spielen 1972 in München waren die kurzen Wege und die schon bestehenden Anlagen, die keine Neubauten nötig machen.

Viele junge Menschen treffen sich auf der Regattastrecke - nicht etwa, um Sport zu machen, sondern um dort zu feiern. (Foto: Stephan Rumpf)

Wie Bettzieche musste auch Moreno Nigro, Vorsitzender des Kanu-Regattavereins München, zuletzt oft leiden, nicht nur wegen den Einsparungen. Die Kanuten können - wie die Ruderer - nach monatelangem Stillstand nur allmählich wieder trainieren. Die deutsche Meisterschaft im Drachenbootrennen, die der Klub im September ausgerichtet hätte, ist wie so vieles abgesagt. Dass die Sanierung nun aufgeschoben wird, empfindet er aber nicht als so verheerend: "Als Wassersportler brauche ich mein Wasser, mein Boot und meinen Steg." Für Nigro, dem besonders die Breitensportler am Herzen liegen, wäre es schon ein Fortschritt, wenn die Zieltürme und Stege saniert würden und es beim Brandschutz eine Lösung gebe, damit auch Lehrgangsteilnehmer mal wieder auf der Anlage übernachten können.

Der Sanierungsstau ist für ihn allerdings nur eine von zwei Großbaustellen an der Grenze zwischen München und Oberschleißheim. Die andere seien "die Partygesellschaften", die sich auf der Anlage treffen. "In jeder Ritze der Stege steckt der Müll. Mittlerweile ist das ein Saustall da draußen", sagt Nigro. Dabei handele es sich um eine Sport- und Trainingsstätte, die einzigartig sei in Deutschland. Ihre Einzigartigkeit war der Stadt allerdings viele Jahre lang nicht wichtig genug.

"Die Tribüne wird weiter bröckeln", sagt Oliver Bettzieche von Regatta München. Der 53-Jährige glaubt nicht mehr so recht daran, dass die Anlage saniert ist, bevor er in Rente geht.

© SZ vom 28.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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