Münchner Philharmoniker:Gasteig-Sanierung könnte bis zu 450 Millionen Euro kosten

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Auf dieser Brachfläche in Riem könnte der Saal entstehen, in dem die Philharmoniker bereits ab 2019/2020 Konzerte geben sollen. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Während der Gasteig saniert und umgebaut wird, brauchen die Münchner Philharmoniker eine vorübergehende Spielstätte - die wird wohl in der Messestadt Riem sein.
  • Das Projekt kostet womöglich nochmals 80 Millionen Euro mehr, am Ende könnten es bis zu 450 Millionen werden.
  • Der Gasteig soll wieder ein modernes Kulturzentrum werden: mit neuen Magazinen für die Bibliothek, helleren Räumen für die Volkshochschule und einem Café auf dem Dach.

Von Christian Krügel

Nach mehr als zehn Jahren Debatte über die Zukunft des Gasteigs sollen die Stadträte am 5. April eine Grundsatzentscheidung über Umbau und Sanierung des Kulturzentrums treffen. Die Eckpunkte dafür stehen nun fest: Das Mega-Projekt soll nochmals bis zu 80 Millionen Euro mehr kosten, als vor einigen Jahren kalkuliert worden war - am Ende könnten bis zu 450 Millionen Euro zu Buche schlagen.

Hinzu kommen die Summen für Planung und Ausweichquartiere. Mit rund zehn Millionen pro Jahr rechnet die Stadt für Interimsstandorte der Stadtbücherei und der übrigen Gasteig-Nutzer. Maximal 37 Millionen Euro soll der Bau eines Interims-Konzertsaals für die Münchner Philharmoniker kosten. Dafür gibt es jetzt einen klar favorisierten Standort: die Messestadt Riem. Dort sollen bereits ab der Saison 2019/2020 Konzerte stattfinden.

Fast 400 Seiten Unterlagen haben die Mitglieder des Kultur- und Wirtschaftsausschusses des Stadtrats am Donnerstag zugestellt bekommen. Allein das Volumen zeigt: Die Stadt steht mit der Entscheidung über die Zukunft des Gasteigs vor einer der größten Investitionen der vergangenen Jahrzehnte und der wohl wichtigsten kulturpolitischen Weichenstellung.

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Dass das Kulturzentrum dringend saniert werden muss, steht seit längerem außer Frage. Auch das Baureferat kommt laut Sitzungsvorlage zu dem Schluss. Allein für die bauliche Grundsanierung werden zwischen 235 und 260 Millionen Euro Kosten veranschlagt. Das sind 80 Millionen Euro mehr als bei der letzten Schätzung. Die Kostensteigerung erkläre die Gasteig GmbH damit, dass in den vergangenen Jahren immer nur einzelne Reparaturen, aber nie die Gesamtsanierung betrachtet worden sei - eine Folge des langen Zögerns des Stadtrats.

Mit der Sanierung allein soll es aber nicht getan sein. Der Gasteig soll nach Willen des Kultur- und des Wirtschaftsreferats wieder ein modernes Kulturzentrum werden, das neue Aufenthalts- und Erlebnisqualität schaffe.

Wörtlich heißt es in der Sitzungsvorlage: "Der Gasteig bleibt ein Glücksfall für München." Dafür braucht es nach Auffassung von Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner sowie den Hauptnutzern Stadtbücherei, Volkshochschule, Musikhochschule und Philharmoniker aber 25 Teilprojekte, die nicht umsonst zu haben sind. Das reicht von neuen Magazinen für die Bibliothek, helleren und besseren Räumen für die Volkshochschule, einer Sanierung und Umbau aller Glaselemente und der Anfahrtszone an der Kellerstraße bis zum Bau eines Cafés auf dem Dach der Philharmonie. Der Carl-Orff-Saal soll zu einem erstklassigen Kammermusik- und Veranstaltungssaal umgebaut werden. Infolge dessen soll das Münchner Kammerorchester seine feste Heimat im Gasteig bekommen.

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Allein der Umbau des Orff-Saals könnte bis zu 35 Millionen Euro kosten. Ein Klacks im Vergleich zum größten Posten, der Sanierung der Philharmonie. Für die wird mit 137 Millionen Euro gerechnet - nur für die technische Instandsetzung und Sanierung. Hinzu kommt der akustische Umbau, für die der Akustiker Yasuhisa Toyota ein Fünf-Punkte-Programm ausgearbeitet hat. Nimmt man alles zusammen, kommt man auf 410 bis 450 Millionen Euro - inklusive der Kostensteigerungen, die allein bis zum geplanten Baubeginn 2020 anfallen könnten.

Das käme aber laut Stadtratsvorlage immer noch billiger als ein Abriss und Neubau: Den müsste man auf bis zu 620 Millionen Euro taxieren, bei neun Jahren Planungs- und Bauzeit. Für das jetzt vorgelegte Programm rechnet man mit einem echten Baubeginn frühestens Ende 2021. Mehr als sechs Jahre dürfte das Gesamtprojekt dauern, mehr als vier Jahre das Kulturzentrum geschlossen werden.

Im Detail müssen die Stadträte das gesamte Paket noch nicht beschließen. Zunächst sollen sie Kosten für einen Planungswettbewerb freigeben (rund neun Millionen) sowie für die weitere Suche nach Interimsquartieren (rund drei Millionen). Die Planung soll so abgeschlossen werden, dass Mitte 2019 der Stadtrat endgültig das Projekt freigibt.

Wohin Bücherei, Volks- und Musikhochschule umziehen sollen, ist noch offen. Rund 34 000 Quadratmeter Fläche müssen für sie gesucht werden.

Für die Philharmoniker und die anderen Orchester drängt aber die Zeit, da Konzertsaisons mindestens zwei Jahre Vorlauf brauchen. Deshalb sollen die Stadträte jetzt Geld freigeben für Planung (1,7 Millionen) und Bau (37 Millionen Euro) eines Interimssaals. Über dessen Standort muss spätestens im Herbst entschieden werden, soll ein erster Probebetrieb 2019/20 im neuen Saal stattfinden. Stand heute ist laut Stadtratsvorlage der Standort klar: die Brachfläche in der Messestadt Riem an der Olof-Palme Straße.

Ein Ausweichquartier hätte sich das Kulturreferat zwar auch am Candidplatz vorstellen können - das Planungsreferat hat dort aber verkehrstechnische Bedenken. Und mit größter Freude hätte das Kulturreferat offenbar die Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke genutzt: Dort seien auch Ausweichquartiere anderer Gasteig-Institute denkbar, heißt es. Doch die Deutsche Post erklärte diese Woche, dass sie die Halle weiter für ihr Briefverteilzentrum nutzen möchte. So bleibt derzeit nur das städtische Grundstück in Riem. Dort könnte ohne große Vorbereitung ein Holzsaal für 1800 Zuhörer erstellt werden, wie ihn derzeit etwa die Oper in Genf nutzt. Die Fläche sei über die U-Bahn bestens erschlossen, in der Nachbarschaft könnten eventuell andere Gasteig-Nutzer unterkommen.

Die Kämmerei hätte übrigens einen konkreten Sparvorschlag

Die Münchner Philharmoniker bestätigen, dass derzeit wohl alles auf Riem hinausläuft, verhehlen aber auch nicht, dass ihnen ein zentraleres Ausweichquartier durchaus lieber wäre. "Vielleicht finden sich ja noch andere Flächen mit noch besserer Anbindung", sagt Sprecher Christian Beuke. Die Zeit dränge aber. Das interessiert die städtische Kämmerei freilich wenig. Sie stellt das Großprojekt Gasteig stark infrage und fordert in einer scharfen Stellungnahme den Stadtrat dazu auf, den Umbau sehr kritisch zu überdenken. Denn außer der Grundsanierung sei das Ganze "aus rein baulichen Gründen nicht notwendig", sondern nur "durch die Umsetzung der Wünsche der Nutzer" begründet. "Die hier vorgelegten Planungen führen zu gewaltigen Kosten", heißt es. Die Stadträte sollten das Programm deutlich abspecken. Doch die Bereitschaft dazu scheint derzeit in allen Fraktionen nicht sehr groß. Die Vorarbeit der Gasteig GmbH wird allgemein gelobt. Daher gilt als wahrscheinlich, dass die Stadträte das Geld für die Planung und den Interims-Konzertsaal freigeben. Dabei hätte die Kämmerei übrigens dafür einen konkreten Sparvorschlag: Die Orchester könnten ja in der schlecht ausgelasteten Kleinen Olympiahalle spielen - notfalls mit elektronisch verbesserter Akustik. Das, so Philharmoniker-Sprecher Beuke, komme aber definitiv nicht infrage.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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