Englischer Garten:Die Welle am Eisbach ist weg

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Zur Bachauskehr ist die tosende Welle abgestellt. (Foto: Frank Müller)

Wer in diesen Tagen über den Stadtbach spaziert, sieht unter sich ein sanftes Rinnsal, wo sonst die wuchtige Welle tobt. Und die Surfer? Kommen trotzdem - und sind cooler denn je.

Kolumne von Frank Müller

Ein Gedankenexperiment: Dächte man sich aus München alles weg, was anzufassen und anzusehen ist, bliebe dann von dieser Stadt dennoch etwas übrig? Sozusagen ein Münchner Geist, den der Mensch wie eine Idee mit sich trägt, eine münchnerische Essenz?

Kürzlich schon wurde auf diesen Seiten darüber räsoniert, ob ein Münchner Frühling ohne die - bekanntlich geschlossene - Sonnenterrasse des Café Tambosi denkbar ist. (Die Antwort, der Frühlingsbeginn am Montag zeigte es: Ja, das geht.) Nun gibt es einen weiteren Verlust, den die Stadt überraschend leicht verkraftet: Die Welle am Eisbach ist weg.

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Jeder kennt die Welle, für Touristen sind Münchens Surfer eine Attraktion. Doch nur, wer selbst dabei ist, weiß, wie schillernd die Szene dort ist.

Von Franziska Seng

Wer in diesen Tagen auf der Prinzregentenstraße über den berühmten Stadtbach spaziert, der sieht unter sich ein sanftes Rinnsal, wo sonst die wuchtige Surfwelle tobt. Das hat jetzt nichts damit zu tun, dass ein weiterer Großarchitekt den Bereich ums Haus der Kunst in seinen fragwürdigen Originalzustand versetzen möchte. Nein, es ist schlicht die alljährliche Bachauskehr, für die die Stadt dem Bach das Wasser abdreht.

Sonst springen hier die Coolsten der Coolen auf ihren Surfbrettern ins Wasser und reiten die Welle, umsäumt von Dutzenden Schaulustigen. Und jetzt? Der große Trubel fehlt, doch der Geist der Münchner Welle lebt weiter. Ein Mann sitzt am Ufer und blickt ins Nichts, spürt er dem Klang der Gischt nach? Oben kommt ein Schwung Spanisch sprechender Touristen an, sie sind erkennbar bereit, die Attraktion auch so interessant zu finden. Eine junge Frau mit riesigem Teleobjektiv schießt Fotos, für die Daheimgebliebenen.

Und dann kommt in der Tat ein Surfer. Er sieht den Bach an und erkennt in ihm den alten Freund. Die Art, wie der junge Mann sein Surfbrett ans Gemäuer lehnt und in seinem Neoprenanzug durchs nur knöcheltiefe Wasser stapft, setzt selbst für Eisbachsurfer neue Maßstäbe der Lässigkeit.

Das ist der Geist, der München stark macht. Die Idee schlägt die Materie, deswegen fährt der Münchner auch bei Regen Cabrio, geht in den Biergarten, sobald die Schneeschmelze beginnt, und surft gut gelaunt durchs Leben. Ob mit Welle oder ohne.

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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