Filmfest-Eröffnung:Das Kino ist zurück

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Endlich wieder Blitzlicht und zumindest angedeutete Bussis - das Münchner Filmfest feiert den Eröffnungsfilm "Kaiserschmarrndrama", von freudig erregt bis leicht enthemmt.

Von Philipp Crone und Christian Mayer

Was für ein Spektakel: Wenn man nach Monaten des Entzugs wieder im Premierensaal sitzen darf, dann spürt man die Weite des Raums, die Wucht der riesigen Mathäser-Leinwand, den ganzen Überwältigungsapparat, der niemals auf einen winzigen Bildschirm passen wird. Zeitgleich mit der Öffnung der Kinos startet an diesem Donnerstagabend das Münchner Filmfest, zum 38. Mal und unter schwierigen Bedingungen, weil im Kino noch immer das Abstandsgebot gilt. Aber das ist erst mal egal, die Protagonisten des Eröffnungsfilms "Kaiserschmarrndrama" sind wild entschlossen, das Beste aus diesem Abend herauszuholen, sie feiern den siebten Teil der Rita-Falk-Krimis, aber noch mehr das Kino an sich.

Festivalleiterin Diana Iljine, im langen blauen Trachtenkleid für diesen besonderen Heimatabend angemessen drapiert, sorgt auf dem roten Teppich im streng bewachten Obergeschoss gleich für ein paar schöne Bilder, neben Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Hauptdarstellerin Lisa Maria Potthoff und Bestsellerautorin Rita Falk. Judith Gerlach, im bayerischen Kabinett als Staatsministerin für Digitales zuständig, hält ihre "Bayern Kino"-Handtasche derart ausdauernd in die Kameras, dass sie von ihrem Chef sicher ein Fleißbildchen bekommt. Alle Beteiligten, auf und neben dem roten Teppich, sind hoch motiviert, es wird gefragt, geantwortet, gefilmt, geblitzt und geschwitzt, als sei es nicht die erste Premiere seit langem, sondern die allerletzte.

Aber ist es nicht auch herrlich, diese Zusammenkunft nach Monaten der gesellschaftlichen Dürre? Endlich wieder Blitzlicht und zumindest angedeutete Bussis; endlich freudig erregte, leicht enthemmte und teilweise sogar festlich gekleidete Gäste, die es tatsächlich geschafft haben, sich aus ihrer Homeoffice-Schlaffheit zu erheben.

Auch Schauspielerin Christine Neubauer gibt sich dem Rausch des Neubeginns hin. "Ich habe früher pompösere rote Teppiche erlebt, aber jetzt einen Film im Kino sehen zu können, das ist ein unglaubliches Gefühl, eine Erlösung." So wie Neubauer, die im "Kaiserschmarrndrama" als liebestolle Boutiquenbesitzern idealtypisch besetzt ist, sehen es an diesem Abend eigentlich alle: Der Spaß kann beginnen, der Erlebnisort Kino lebt wieder auf, selten hat man das Popcorn lustvoller verspeist.

Markus Söder verpasst das alles. Er hat sich kurzfristig entschuldigen lassen und schickt ersatzweise lieber eine Grußbotschaft aus der Staatskanzlei. Das Kino liege ihm sehr am Herzen, seit seiner Jugend sei er Filmfan, betont der Ministerpräsident. Warum er dann, anders als bei seinen EM-Besuchen in der Münchner Fußballarena, nicht persönlich da sein kann? Diese Frage bleibt unbeantwortet. Die Festivalchefin lächelt das tapfer weg: "Eine Filmfesteröffnung in fünf Spielstätten, so etwas hat's noch nie gegeben", sagt Iljine - ihre Begrüßung richtet sich auch an die Fans der Eberhofer-Krimis draußen in den Open-Air-Kinos, die trotz des kühlen Wetters gekommen sind.

Klar, mit dem Eröffnungsfilm wollen die Macher ein Zeichen setzen: Bloß kein Arthouse-Experiment, lieber was sehr Bewährtes, selbst wenn es nah am Klischee gebaut ist. Das Kino soll in dieser entscheidenden Phase des Neustarts seine Massenwirksamkeit entfalten, durchstarten mit einer Komödie, auf die sich viele einigen können: Daher die Entscheidung für das "Kaiserschmarrndrama". Also für populäre Unterhaltung und den Provinzpolizisten Franz Eberhofer (Sebastian Bezzel), der bei seinen Ermittlungen in Niederkaltenkirchen oft nur schleppend vorankommt und im Zusammenspiel mit seinem Kollegen Birkenhofer (Simon Schwarz) einen Absturz nach dem anderen erlebt.

Vor der Aufführung hat Martin Moszkowicz, Vorstandschef der Constantin Film und Mitproduzent der Erfolgsserie, einen emotionalen Auftritt. Er richtet sich vor allem an die Politiker, bei denen er einen leidenschaftlichen Einsatz für die Kultur, mehr Verständnis und Zuwendung vermisst. "240 Tage waren die Kinos zu, das hat's noch nie gegeben." Während sich die Fußballfans bei der EM in den Stadien und auf den Straßen ungehemmt in den Armen lägen, habe es für die Kinos schon früh ein überzeugendes Hygienekonzept gegeben. "Wir sind keine Hasardeure", betont Moszkowicz. "Aber Kultur und Unterhaltung sind im Leben unersetzlich - ohne sie sind wir keine kompletten Menschen."

Zuletzt darf Katrin Habenschaden als zweite Bürgermeisterin die Grüße der Stadt München übermitteln. Das jetzige Programm mit den vielen Aufführungen im Freien passe hervorragend zur Münchner Mentalität. "Schließlich wird hier ja schon im Februar die Außensaison mit Aperol Sprizz eingeläutet." Den Rest erledigt dann auf der Leinwand der Eberhofer mit seiner schrägen Verwandtschaft. Es ist eine triumphale Rückkehr, schließlich ging es 2013 ganz bescheiden los. Damals lief die erste Verfilmung der Rita-Falk-Krimis, "Dampfnudelblues", in der Reihe für deutsche Fernsehfilme - und wurde vom Publikum derart frenetisch gefeiert, dass die weiteren Folgen gleich fürs Kino produziert wurden.

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So viel bayerisches Kabarett war wohl noch nie bei einer Münchner Filmfesteröffnung, auch wenn der lustigste Akteur Österreicher ist: Simon Schwarz sitzt in "Kaiserschmarrndrama" nach einem Autounfall im Rollstuhl, kultiviert seine schlechte Laune und muss von der Großmutter kulinarisch aufgepäppelt werden. Auch die beste Szene im Film gehört dem gebürtigen Wiener: Die Hasch-Fleischpflanzerl, die eigentlich für Eberhofers todkranken Hund bestimmt waren, zeigen ausgerechnet beim entscheidenden Verhör mit dem Mordverdächtigen ihre Wirkung und enden in einem infernalischen Lachkrampf.

Maximal fünf Akteure dürfen nach dem Schlussapplaus auf der Bühne stehen, Regisseur Ed Herzog macht eine schnelle Vorstellungsrunde, die Hauptdarsteller sind eh schon bei den Zuschauern am Olympiasee, wo der Film zeitgleich läuft: So was nennt man Publikumspflege. Gerne würde man nach dem "Kaiserschmarrndrama" noch was Herbes trinken, ein Bier wäre jetzt großartig, der Eberhofer hat's ja gerade vorgemacht. Aber auf eine ausgelassene Premierenfeier mit Nahkontakt muss man wohl noch etwas warten.

War das jetzt die von Christine Neubauer herbeigesehnte Erlösung? Na ja, beinahe. Es war ein guter Anfang. Das Kino ist zurück.

© SZ vom 03.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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