Wohnen in München:Stadt will weitere Parkplätze überbauen

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Auf dem Parkplatz am Reinmarplatz sollen bis Ende nächsten Jahres 144 Wohnungen entstehen. Simulation: Florian Nagler Architekten (Foto: N/A)

Das schafft günstigen Wohnraum, ist aber nicht immer einfach. Auch mit Discountern gibt es Gespräche, den Platz über Supermärkten für Appartements zu nutzen.

Von Sebastian Krass

Wohnen über Supermärkten und über öffentlichen Parkplätzen: Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag plant in den nächsten Jahren mehrere hundert zusätzliche Wohnungen auf Flächen, die bisher eine andere Nutzung haben. Dafür ist die Gewofag "mit Lidl und Aldi in konkreten Gesprächen", wie Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler sagt. "Ich gehe davon aus, dass wir unserem Aufsichtsrat noch in diesem Jahr ein bis zwei solcher Projekte zur Entscheidung vorlegen können."

Zum anderen will die Stadt nach der Überbauung eines Parkplatzes am Dantebad mit 100 Wohnungen und einem weiteren inzwischen gestarteten Bauprojekt ganz in der Nähe auf dem Reinmarplatz weitere öffentliche Parkplätze für eine Wohnnutzung freigeben. Das hat der Stadtrat kürzlich beschlossen. Als "kurzfristig bebaubar" gelten die Park-and-Ride-Anlage (P+R) am Westkreuz sowie der Kölner Platz vor dem Haupteingang des Klinikums Schwabing. Hier soll das Planungsreferat mit der Gewofag oder der GWG, der zweiten städtischen Wohnbaugesellschaft, das zulässige Baurecht ermitteln. Die GWG habe Interesse an dem Konzept, habe derzeit aber noch kein passendes Grundstück, wie ein Sprecher erklärt. Zudem hat die Verwaltung weitere Parkplätze identifiziert, die der Stadt gehören und für Wohnbebauung in Frage kommen.

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Wie das Planungsreferat mitteilt, dürften an der Regerstraße "zusätzliche Staffelgeschosse auf zwei Häusern" genehmigt werden. Stadtteilpolitiker sind darüber verärgert.

Angesichts der Wohnungsnot in München und des oft erheblichen Widerstands gegen die Ausweisung neuer Siedlungsflächen ist die zusätzliche Schaffung von Wohnraum über Autoabstellflächen oder Supermärkten grundsätzlich charmant. Im Detail allerdings tauchen oft baurechtliche Probleme auf, vor allem was den Lärmschutz potenzieller Wohnungen angeht, da die Flächen oft an großen Straßen oder Bahnstrecken liegen.

Ihren Ursprung hat die Entwicklung im Jahr 2016, als vor dem Wintereingang des Dantebads an der Homerstraße ein riegelförmiger Stelzenbau entstand. In dem aus Beton gebauten Erdgeschoss liegen Eingang und Funktionsräume sowie Parkplätze. In den vier aus Holz gebauten Geschossen darüber entstanden gemäß dem städtischen Programm "Wohnen für alle" 86 Ein-Zimmer-Appartements und 14 Wohnungen mit 2,5 Zimmern. Die Gewofag wurde dafür mit dem Deutschen Bauherrenpreis ausgezeichnet. "Dante 1", wie es bei der Gewofag heißt, war als Pilotprojekt gedacht und "als Beginn einer Kleinserie", wie Geschäftsführer Dengler sagt.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) lud schon vor mehr als drei Jahren Vertreter von sechs Supermarktketten ins Stelzenhaus ein, um sie für den Wohnungsbau zu gewinnen. Schließlich sind Supermärkte gerade außerhalb des Zentrums oft als einstöckige Hallen mit großzügigem Parkplatz angelegt - aus wohnungspolitischer Sicht eine enorme Platzverschwendung. Doch obwohl ein Grundstück profitabler wird, wenn darauf zusätzlich zum Supermarkt noch Wohnungen stehen, blieb das Interesse der Handelskonzerne verhalten.

Anfang 2019 wurde dann bekannt, dass Lidl zwei konkrete Wohnbauprojekte verfolgt: An der Tübinger Straße 9, nahe dem Heimeranplatz, will der Discounter eine Filiale abreißen und ein neues Haus bauen, mit einer größeren Filiale und gut 100 Wohnungen darüber. Partner soll die Gewofag werden, was günstigen Wohnraum garantieren würde. Außerdem plant Lidl an der Verdistraße 86 in Obermenzing eine neue Filiale plus 36 Appartements.

Auf eine aktuelle Anfrage reagiert der Konzern zurückhaltend: Man befinde sich "weiterhin in der Planungsphase" und könne "keine Neuigkeiten bekannt geben", erklärt ein Sprecher. Auch Dengler hält sich mit Details zurück. Noch klären müssen die Partner offenbar die Finanzierung der Projekte. Neu ist, dass die Gewofag auch mit Aldi konkret verhandelt. Das Unternehmen kam wohl nach Bekanntwerden der Lidl-Pläne auf die Gewofag zu. Auch Aldi Süd lässt wenig heraus. Ein Sprecher erklärt, man habe "sehr großes Interesse", in München "mehrgeschossige Immobilienprojekte mit Wohnbebauung zu realisieren", man befinde sich aber "noch in einem frühen Stadium der Planungen".

Deutlich konkreter ist das Gewofag-Projekt "Dante 2" auf dem Parkplatz am Reinmarplatz. Dort läuft die Vorbereitung des Baufelds. Bis Ende 2021 sollen 144 Wohnungen mit ein bis fünf Zimmern entstehen. Die Planung stammt wie bei "Dante 1" vom Büro Florian Nagler Architekten aus München. Der größte Unterschied ist, dass der neue Stelzenbau nicht aus einem Riegel besteht, sondern dass eine vierseitige Blockrandbebauung mit begrüntem Innenhof entsteht. Für wie wichtig hält der Architekt das Bauen über Parkplätzen? "Es ist eine Möglichkeit, Wohnraum zu schaffen, und an manchen Orten funktioniert es. Aber man sollte nicht ganz München damit zubauen", sagt Florian Nagler. Schließlich seien belebte Erdgeschosszonen sehr wichtig. Aber, ergänzt er, wenn man die Parkplätze einmal nicht mehr brauche, könne man das Erdgeschoss ausbauen, etwa mit Geschäften, erklärt Nagler. Die Konstruktion lasse das zu.

Ein weiteres Stelzenbauprojekt soll an der Ecke Fürstenrieder Straße/Stefan-Zweig-Weg, gegenüber dem Waldfriedhof, entstehen. Dort habe man mit der Gewofag schon über ein Gebäude analog zum ersten Projekt am Dantebad gesprochen, schreibt das Planungsreferat. Allerdings gilt es das Planfeststellungsverfahren für die Tram-Westtangente abzuwarten, da ein Teil des Parkplatzes zur Wendeschleife werden soll. Ebenfalls geprüft hat die Stadt den St.-Quirin-Platz. Dort aber, an der Tegernseer Landstraße, machen der Lärm und die schlechte Luft durch den Autoverkehr neuen Wohnungsbau schwierig und teuer. Die Gewofag hat deshalb schon abgewunken. Es gebe aber "aus dem genossenschaftlichen Bereich nachdrückliches Interesse an einer Entwicklung dieser Fläche", schreibt das Planungsreferat. Wenn eine Genossenschaft ein gutes Konzept vorlege, könne sie dort bauen. Mittelfristig als neue Wohnareale in Frage kommen die P+R-Anlage an der Studentenstadt und der Parkplatz am Ungererbad. Dafür müssen aber nach Auskunft der Verwaltung jeweils neue Bebauungspläne verabschiedet werden, was mehrere Jahre dauern würde.

© SZ vom 11.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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