Soziale Projekte in München:Das Festmahl fällt aus

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Wegen der Corona-Lage finden viele Weihnachtsfeiern für Bedürftige nicht statt. Die Veranstalter setzen stattdessen auf die Variante "Weihnachten-to-go".

Von Sven Loerzer

An der Essensausgabe stehen Jerome Boateng und Paul Breitner vom FC Bayern, im Casino des Sirius Business Park drängen sich rund 600 Menschen bei der Weihnachtsfeier. Eingeladen dazu hat die Münchner Tafel ihre Gäste, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, darunter viele Rentner, die Grundsicherung zusätzlich zur Rente beziehen, weil es sonst nicht zum Leben reicht. Ein Jahr ist das jetzt her.

Die von Sponsoren der Tafel unterstützte Veranstaltung hatte schon Tradition, für viele Tafelgäste war es ein großes Ereignis im grauen Alltag. "Wir sind sehr, sehr traurig, aber in diesem Jahr wird es leider keine Weihnachtsfeier geben", sagt Angelika Zacher, Sprecherin der Münchner Tafel. "Wir haben alles Mögliche angedacht, aber mit Speisen vor Ort geht es wegen Corona nicht." Damit sich die Tafelgäste wenigstens zu Hause ein paar schöne Stunden machen können, hat die Münchner Tafel an ihren 27 Ausgabestellen, über die 20 000 Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden, von Sponsoren gestiftete Stollen und Kaffee ausgegeben.

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Eine noch längere Tradition, schon mehr als 70 Jahre, hat die Weihnachtsfeier für Obdachlose, die der Katholische Männerfürsorgeverein (KMFV) immer an Heiligabend im Hofbräuhaus mit Unterstützung des Erzbischöflichen Ordinariats und des "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung" ausrichtet. Rund 700 Gäste werden dort alljährlich von 100 Ehrenamtlichen bewirtet, eng geht es da zu im Festsaal des Hofbräuhauses. Zu eng für eine Zeit wie diese. "Unsere traditionelle Weihnachtsfeier für wohnungslose Menschen im Münchner Hofbräuhaus kann in diesem Jahr aufgrund der Coronavirus-bedingten Einschränkungen leider nicht stattfinden", bedauert KMFV-Sprecher Ralf Horschmann.

Um auf die Veranstaltung trotz schwer zu erfüllender Hygiene- und Abstandsregeln nicht gänzlich verzichten zu müssen, plante der KMFV zunächst, das Essen in die Olympiahalle zu verlegen, um genug Platz zu haben. Weil es aber auch dafür keine Genehmigung gab, hat der KMFV nun ein Konzept für "Weihnachten zum Mitnehmen" entwickelt.

Ob zumindest die Abholaktion in der Olympiahalle genehmigt wird, ist noch unklar

Oberhalb der Tribünen in der Olympiahalle, auf dem Weg zwischen Eingang Ost und West, sollen dazu einzelne Stationen aufgebaut werden. 400 Personen, so die Vorstellung des KMFV, könnten dort zwischen 16 und 20 Uhr Einlass erhalten, jeweils 50 Wohnungslose sollen pro halbe Stunde, begleitet von Ehrenamtlichen, durchgeschleust werden. Alle Mitarbeiter würden sich zuvor einem Schnelltest unterziehen und FFP2-Masken tragen, die Gäste bekämen beim Einlass einen frischen Mund-Nasen-Schutz. An der ersten Station gäbe es das Weihnachtsgeschenk vom SZ-Adventskalender: Einen Rucksack, der unter anderem einen Regenponcho, Fleece-Handschuhe, Schlauchschal, Hygienetücher, löslichen Kaffee sowie einen Einkaufsgutschein enthält.

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Weiter geht es zu einem Weihnachtsbaum, an den sie ihren aufgeschriebenen Wunsch hängen können, und danach zur Essensausgabe: Das fertig gekochte Menü könnten sie vakuumiert und gekühlt mitnehmen. "Es darf keine Grüppchenbildung geben", sagt Horschmann. Zum Schluss kann man sich noch Lebkuchen und Plätzchen sowie alkoholfreien Punsch mitnehmen. "Ob die Planung genehmigt wird und sie bei einem Lockdown Bestand hat, wissen wir noch nicht." Falls die Feier nicht stattfinden könne, würden alle Rucksäcke, insgesamt 1200, über die Einrichtungen verteilt. Dort sollen allenfalls kleine Feiern stattfinden, die dem Gesundheitsschutz Rechnung tragen, aber auch etwas von der Wärme und Gemeinschaft vermitteln, die das Weihnachtsfest in seinem Kern ausstrahle.

Auf eine "to go"-Variante setzt auch die evangelische Matthäuskirche am Sendlinger Tor. Statt eines Festessens für rund 350 Bedürftige soll es für 150 Gäste ein Essen zum Mitnehmen geben. Das "Weihnachtsessen in der Au", das 250 Menschen an Heiligabend zusammenbrachte, wird in diesem Jahr zum "Weihnachten aus der Tüte", ein Geschenk, an die Haustür geliefert - "kontaktlos, aber liebevoll", wie die Initiatoren betonen.

Ganz ausgefallen ist dagegen eine große Wohltätigkeitsveranstaltung, die im vergangenen Jahr ihr 70-jähriges Bestehen feiern konnte: Der vom Deutsch-Amerikanischen Frauenclub im Kaisersaal der Münchner Residenz veranstaltete Silbertee, zu dem 700 Gäste kamen. Einen Spendenscheck für eine soziale Organisation wird es allerdings auch in diesem Jahr ohne Silbertee geben - den Scheck erhält an diesem Montag der Kinderschutzbund München.

© SZ vom 14.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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