Seit fast zwei Monaten verhandelt das Amtsgericht München nun schon zum einstigen Uhrmacherhäusl in Obergiesing. Dessen Eigentümer Andreas S. hat in dem Prozess bislang geschwiegen - bis zu diesem Montag. In einer Erklärung, die sein Verteidiger, Rechtsanwalt Maximilian Müller, verlas, nahm S. nun erstmals ausführlich Stellung zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Danach soll er den letzten der drei Mieter des Hauses kalt entmietet und schließlich dem mitangeklagten Bauunternehmer Cüneyt C. den Auftrag erteilt haben, das unter Denkmalschutz stehende Anwesen in der Oberen Grasstraße im Spätsommer 2017 abzureißen.
Nichts davon sei wahr, zumindest gab dies Andreas S. in seiner Erklärung an. Er habe das Uhrmacherhäusl 2016 gekauft "um es als Einfamilienhaus gestalten zu lassen und um es selbst zu beziehen", beteuert der 44-Jährige. Es habe weder einen Plan noch einen Auftrag von ihm gegeben, das Haus einreißen zu lassen. Als er vom Abbruch erfahren habe, sei er "geschockt" gewesen. Er werde das Uhrmacherhäusl "in der ursprünglichen Kubatur wieder aufbauen lassen", verspricht der Eigentümer. Die Pläne für das Vorhaben habe er eingereicht und von den Behörden dafür grünes Licht erhalten.

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Auch den Vorwurf, er habe den letzten von ursprünglich drei Mietern aus dem Häuschen geekelt, weist S. weit von sich. Vielmehr sei er "aktiv auf die Mieter" zugegangen. Denn er habe den Eindruck gehabt, sie hätten ausziehen wollen. Deshalb habe er ihnen eine Abfindung angeboten. Zwei hätten diese angenommen, einer nicht. Und zwar der Schlosser Thomas R. (Name geändert). Er bewohnte im ersten Stock mit seiner Frau und seinem Sohn eine rund 50 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung. Da der 54-Jährige und seine Familie aber nicht aus ihrer Wohnung hätten weichen wollen, soll Andreas S. ihnen Strom, Wasser und Gas abgedreht haben.
Das sei tatsächlich geschehen, so S. nun in seiner Erklärung. Allerdings sei diese Maßnahme "aus Sicherheitsgründen" wegen anstehender Arbeiten am Haus ergriffen worden und habe auch nicht lange gedauert. Thomas R.s Frau habe er 5000 Euro angeboten, damit sie mit ihrem Mann und dem Sohn ausziehe. Angenommen habe sie das Geld aber nicht. Am Ende seiner Erklärung bekennt Andreas S., er leide "sehr" unter dem, was geschehen sei. Wie man mit ihm umgehe, finde er nicht fair. Er hoffe, das Verfahren vor dem Amtsgericht "schafft Aufklärung". Fragen des Gerichts und der Vertreterin der Staatsanwaltschaft zu seiner Erklärung ließ der 44-Jährige nicht zu.
Auch Thomas R., der als letzter mit seiner Familie Anfang Februar 2017 aus dem Uhrmacherhäusl ausgezogen war, war am Montag vor dem Amtsgericht als Zeuge geladen und wurde gleich zu Beginn seiner Vernehmung deutlich. Andreas S. habe ihn mit Geld "bestechen" wollen, damit er mit seiner Familie ausziehe. Aber das Geld habe er nicht angenommen. Dann habe S. "diesen Druck aufgebaut", sagt Thomas R. Das Jahr 2016 neigte sich dem Ende und die Temperaturen begann zu sinken, als Andreas S. "aktiv" auf die letzten Mieter im ersten Stock des Uhrmacherhäusls zuging.
Nachdem er nicht habe ausziehen wollen, sei eine Tür an der Rückseite des Hauses ausgehängt worden, so Thomas R. Daraufhin sei es im Haus "sehr kalt" geworden. In den Stromverteiler sei Wasser gekommen. Die Folge: Stromstörungen. Zum Schluss sei der Strom ganz ausgefallen. Das Dach sei defekt gewesen, so dass es hineingeschneit habe - "jemand muss es manipuliert haben", ist sich R. sicher. Irgendwann habe Andreas S. "Demontagearbeiten" ausführen lassen. Hätte es die Mängel nicht gegeben, wäre er in dem Haus geblieben, so R. Bei der Polizei hatte der 54-Jährige ausgesagt, dass er anfangs den Eindruck gehabt habe, S. wolle das Haus renovieren lassen.
Am 6. Februar 2017 zog Thomas R. schließlich mit seiner Familie aus. Da sie zunächst keine Wohnung fanden, zogen sie in ein Hotel. Dafür habe er "vom Amt" einen Zuschuss erhalten. Ehe der 54-Jährige und seine Familie eine neue Wohnung beziehen konnten, vergingen eineinhalb Jahre.