Typisch deutsch:Mode an die Freude

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Shoppen in München ist kein Erlebnis mehr. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Kundin als Königin - so hat sich unsere Autorin bis vor Kurzem beim Einkaufen in München gefühlt. Leider sind diese Tage nach dem Corona-Lockdown offenbar gezählt.

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Shoppen in München, das war mir stets eine große Freude. Auf ein Stündchen nach der Arbeit oder auf ein paar mehr Stündchen am Samstag, um neue Taschen, Make-up und Tops zu finden oder auf der Jagd nach einem schönen Kleid mit passenden Schuhen. Danach gleich zum Mittagessen oder zum Treffen mit Freunden. Was Schöneres gibt es kaum.

Das Besondere an den Münchner Shoppingtouren war für mich immer der Kontakt mit den Verkäufern. Ob Frau oder Mann, sie haben mir ihre Produkte nicht nur verkauft, sondern standen mir in oft langen Prozeduren mit Ratschlägen zur Seite. So manche hat mich gar abhalten, Geld für ein Kleid auszugeben, weil es nicht perfekt saß - und empfahl mir ein Konkurrenzgeschäft, nur damit ich bekam, wonach ich suchte.

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Ich fühlte mich teilweise wie eine Prinzessin behandelt, zum Beispiel als ich eines Tages loszog, um mir neues Make-up zu kaufen. Die Verkäuferin war so hilfsbereit und kompetent, sagte mir, welche Marken für meinen Hautton gut geeignet wären, welche Lippenstiftfarben am besten zu mir passen. Anstatt mich zu drängen, das Produkt in voller Größe zu kaufen, empfahl sie mir eine kleinere Flasche, die billiger war.

Die Kundin als Königin - so habe ich mich bis vor Kurzem in München gefühlt. Leider sind diese Tage offenbar gezählt, weswegen ich aktuell nur in Erinnerungen schwelgen kann. Denn noch nie war Shoppen in der Stadt so frustrierend wie seit dem Lockdown. Erst letzte Woche begab ich mich nach der Arbeit wie sonst auch ins Einkaufszentrum, um ein neues Paar Hallenturnschuhe zu kaufen.

Man muss wissen: Schuhe auswählen ist mit mir als Kundin vielleicht nicht die allereinfachste Übung, aber da bin ich sicherlich nicht die einzige. Und nun? Keine Assistenz weit und breit. Also entschied ich mich autodidaktisch für die Anprobe eines leichten Paars in Rosa und Weiß. Nun fehlte mir nicht nur die Beratung, es wurde noch schlimmer: Die Schuhe waren durch eine Schnur miteinander verbunden. Ich bemühte mich mit einem Fuß in den linken Schuh, dann in den rechten. Die Schnur war zwar dehnbar, doch schaffte ich es kaum zu stehen. Da stand ich nun, wie ein Kindergartenkind, dem man die Schnürsenkel verknotet hat, und hielt verzweifelt Ausschau nach einem Verkäufer. Kann mir bitte jemand den Sicherheitsclip abmachen, damit ich den Gang abgehen kann? Keine Chance. Irgendwann verließ ich frustriert den Laden - in meinen alten Schuhen.

Ja, ich habe mich gern daran gewöhnt, an die guten Seelen, die ich aus Ugandas Geschäften so nicht kannte, weil Shopping-Beratung dort eher unüblich war. In München lernte ich die Modeberater umso mehr schätzen. Die Beraterin mit dem guten Auge, der Verkäufer mit dem Sinn fürs Feine - das hat Einkaufen für mich zu einem Erlebnis werden lassen, ohne dass ein unkontrollierter Abenteuertrip daraus wird. Mit manchen von ihnen hatte ich mich fast angefreundet. Der Druck durch das Virus aber scheint den Zauber zu verdrängen. Der Charme der Maske kann mit dem, was war, nicht mithalten. Möge diese Zeit irgendwann vorübergehen. Denn: Ich vermisse euch.

© SZ vom 16.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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