Daglfing/Trudering:Zahlen-Spiele um die Tunnel-Variante

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Drei Varianten wurden aufgeworfen für die Truderinger und Daglfinger Kurve und Spange, derzeit sind vor allem zwei im Gespräch. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Zum geplanten Ausbau der Bahnstrecke zwischen Zamdorf und Johanneskirchen kursieren unterschiedliche Daten. Auch ein Spitzen-Gespräch bringt keine Klarheit. Bahn und Stadt verhandeln noch über die Planungskosten

Von Nicole Graner, Daglfing/Trudering

Auch wenn es nur virtuell war: Das Gespräch der Bürgerinitiative für Bahntunnel von Zamdorf bis Johanneskirchen (BI Tunnel) mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sowie Vertretern der Deutschen Bahn AG über die Planung der Truderinger und Daglfinger Kurve und Spange (TDKS) hat am Dienstag stattgefunden. Lange war es geplant. Nur mit Unterstützung des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Stefinger (CSU) und der Bundestagsabgeordneten Claudia Tausend (SPD) sei es überhaupt zustande gekommen, sagt die zweite Vorsitzende der BI und Fraktionssprecherin der Grünen im Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen, Petra Cockrell. 45 Minuten habe es gedauert und laut BI drei Dinge klar gemacht: Die Bahn sehe den Tunnel, der auf der Strecke zwischen Zamdorf und Johanneskirchen verlaufen soll, als einen "übergesetzlichen Schallschutz" an und damit nicht als Sache der Bahn. Die Zusatzkosten für den Tunnel dürften sich pro Bahnkilometer auf 250 Millionen Euro belaufen, so gibt die BI jedenfalls das Bahn-Gespräch wider. Für die vier Kilometer lange Strecke wäre das dann eine Milliarde Euro. Ein Bahn-Sprecher beziffert die Kosten auf Anfrage der SZ "nach derzeitigem Planungsstand" sogar auf 2,4 Milliarden Euro. Für die oberirdische Trasse rechne die Bahn, so der Sprecher weiter, mit einem Kostenvolumen von 900 Millionen Euro.

Gesprochen wurde am Dienstag offenbar auch nur noch von zwei Varianten: Tunnel und oberirdischem Verlauf. Von der bislang immer noch angegebenen dritten Variante des "Trogs", sei, so Cockrell, "gar nicht mehr die Rede gewesen". Nach wie vor ist das letztliche Zugaufkommen ein großes Problem. Die Zahlen sollen, so wurde es im Gespräch deutlich, noch einmal neu "validiert" werden, denn das BMVI habe "kein Interesse an geschönten Zahlen". Die BI solle klare Zahlen vorlegen. "Wir hätten da, so moniert die Bahn, Zugläufe übereinander gelegt", erklärt Cockrell. "Wir haben uns aber nur an die offiziellen Zahlen gehalten wie die der Trimode-Studie oder des BMVI." Doch auf welche Zahlen beruft man sich? Das Ministerium konnte am Dienstag dazu keine Angaben machen. Für die Bahn, so teilt sie der SZ mit, bleibt "der im Bundestag beschlossene Bundesverkehrswegeplan 2030" Grundlage der Planungen, auch weil ja der Bund Auftraggeber für Neu- und Ausbauprojekte ist.

Die Zahlen seien tatsächlich die "Crux", sagt Cockrell. Aus allen Ecken kämen neue und andere, zumal die DB Cargo ja erst vor kurzem verkündet habe, bis 2030 an die 25 Millionen Lkw-Fahrten im Jahr auf die Schiene bringen zu wollen. Auch dürfte sich die Prognose des Bundesverkehrswegeplans (BVWP), der bis 2030 angelegt ist, bis 2035 noch einmal verändern. Zumal auch am 29. Mai die Regierung von Oberbayern das Raumordnungsverfahren zur Findung der Trassen des Brenner-Nordzulaufes vor Rosenheim bis Kufstein eröffnet hat. Im Erläuterungsbericht der DB Bahn Netze, der auf der Webseite der Regierung von Oberbayern zu lesen ist, wird deutlich herausgearbeitet, dass der 2016 beschlossene BVWP auf eine Verkehrsprognose aus dem Basisjahr 2010 zurückgeht. "Zugzahlen aus der dem aktuellen Bundesverkehrswegeplan zugrunde liegenden Verkehrsprognose sind daher nicht geeignet zur Definition der Projektziele", heißt es auf Seite 16 wörtlich. Da noch keine neuen Zahlen des Bundes vorliegen, werde im Bereich Kiefersfelden/Kufstein auf die Bemessungsgröße von 400 Zügen pro Tag zurückgegriffen.

Nun haben in der Bezirksausschuss-Sitzung am Mittwoch die Grünen einen Dringlichkeitsantrag gestellt, der die Stadt München auffordert, die Kosten für die Vorplanung des Bahntunnels zu übernehmen. Denn die Bahn plane, so erklärt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Cockrell, die Tunnelvariante mit. Aber nur unter der Voraussetzung, dass die Stadt München die Zusatzkosten dafür trage. "Es ist sehr wichtig, dass die Stadt zustimmt, damit die Variante des Tunnels in den Hinterköpfen bleibt." Für die Bahn AG bleibt sie das offenbar. Denn man sei, sagt der Bahn-Sprecher, seit einem Jahr mit der Stadtverwaltung in Verhandlungen für eine vorsorgliche Finanzierungsvereinbarung zu einer Tunnel-Planung, sollte der Tunnel nicht die Vorzugslösung des Bundes sein. "Wir hoffen auf eine Entscheidung bis Ende diesen Jahres", erklärt der Bahn-Sprecher, Die Türe für den Tunnel sei, "somit auf jeden Fall offen".

Der Bezirksausschuss entschied am Mittwoch, dass der Grünen-Antrag "nicht dringlich ist". Die Vorstellung der Grobvarianten im Stadtrat sei für den 8. Juli anberaumt. "Das ist noch ein Weilchen hin", erklärt Christine Hacker (SPD). Und auch Robert Brannekämper (CSU) glaubt, dass man nach der Präsentation der Vorplanung der Bahn noch genügend Zeit habe, in Ruhe darüber zu sprechen. Angelika Pilz-Strasser (Grüne) reagierte mit Unverständnis: "Wenn das für unser Viertel nicht dringlich ist, was sonst?"

© SZ vom 18.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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