SZ-Serie: Im Lichte der Stadt:Warum Tiere im Dunkeln leuchten

Lesezeit: 3 min

Im Tierpark Hellabrunn lässt sich viel darüber lernen, welch wichtige Rolle Licht im Tierreich spielt. Ein Besuch.

Von Philipp Crone

Wenn das Licht ausgeht, wird es bunt. Frank Müller, Aquariumsleiter in Hellabrunn, steht mit einer Schwarzlichtlampe in einem gefliesten Raum voller quadratischer Becken, in denen Korallen leben. Sie sind grün bis braun. Bis Müller das Deckenlicht aus- und die Taschenlampe einschaltet. Dann leuchten die Korallen auf einmal in Gelb oder in Rot. "Das ist ihr Sonnenschutz", sagt Müller.

Wo der Mensch sich eincremt, hat die Koralle die Möglichkeit, das kurzwellige UV-Licht in langwelligere Frequenzen umzuwandeln, wieder abzustrahlen und so ungefährlich zu machen. Zudem hat die Umwandlung bei Korallen den Effekt, dass sie das aufgenommene Licht durch die Umwandlung länger verarbeiten können und auch in tieferen Schichten ihres Körpers noch welches ankommt, etwa da, wo die symbiotisch lebenden Algen sitzen. Wenn Lebewesen in der Natur leuchten, hat das verschiedene Gründe, Schutz ist nur einer davon. Den nächsten zeigt Müller im normalen Besucherbereich ein paar Meter weiter bei den Kardinalbarschen.

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Die Barsche schwimmen mit einem intensiven blauen Leuchten auf den Schuppen durch ihr Becken. Sie absorbieren das Sonnenlicht, das von der Wasseroberfläche kommt und geben dann das intensivblaue Licht wieder ab. "Das läuft über Proteine in der Haut, die Licht in andere Lichtfrequenzen umwandeln können", sagt Müller. Warum leuchten die Kardinäle? Weil sich die Fischart so untereinander erkennt, zum einen, und weil mit den Farben auch Aufmerksamkeit erregt wird zum Balzen. Einen anderen Lichteffekt erzielt ein Bassin weiter der Mirakelbarsch. Der hat auf seinem Hinterteil eine Stelle, die er leuchten lassen kann im Licht und die dann aussieht wie ein Auge. "Wenn er dann vermeintlich von vorne angegriffen wird, trifft der Fressfeind aber nur sein Hinterteil - und er hat bessere Chancen, diesen Angriff zu überstehen, als wenn der Angreifer ihn am Kopf angreift." Davon erholen sich die Fische nicht mehr.

Könnte man im Aquarium die Lichter ausmachen und so wie Müller nur mit einer Schwarzlichtlampe leuchten, die UV-Licht aussendet: Die Unterwasserwelt sähe auf einmal ganz anders bunt aus. Steinkorallen leuchten dann, Seeigel ebenfalls. Der Oktopus wiederum nutzt eine andere Technik, um mit Licht umzugehen. Er hat in seiner Haut eine untere weiße Schicht und darüber eine mit Zellen voller Farbpigmenten. Diese Zellen kann er mechanisch verändern, so dass die Dichte der Pigmente variiert. "So kann ein Krake vor der weißen Schicht jeden Farbton erreichen, den es auf dem Meeresboden gibt, und zwar in Sekundenbruchteilen." Er könne auch einen Teil seines Körpers dunkel halten, wenn der etwa im Dunkeln liege, einen anderen Teil auf einer weißen Unterlage weiß machen. Das ist dann die Tarnung, eine ebenfalls weit verbreitete Eigenschaft. Zu Lande wäre das Chamäleon ein Vertreter, der ebenfalls über die Pigmentdichteanpassung, das sind sogenannte Nanokristalle in der Haut, seine Farbe ändern kann, sagt Beatrix Köhler, Kuratorin des Münchner Zoos. Das ist das morphologische Farbwechseln. Physiologische Farbwechsel gibt es hingegen auch beim Menschen, "das Erröten", sagt Köhler.

In der Natur gibt es Biolumineszenz und Biofluoreszenz, sagt Köhler. Im Meer gehe es vor allem um Fluoreszenz, bei der Licht Proteine der Meeresbewohner anregt. Bei der Biolumineszenz ist man dann beim Glühwürmchen.

"Beim Glühwürmchenprinzip entsteht Licht, mit nicht ansatzweise so hohem Energieverlust wie bei der Glühlampe", sagt Köhler. Enzyme verändern Proteine so, dass beim Umbau Licht emittiert wird. Warum? "Das Glühwürmchen will auf sich aufmerksam machen und Weibchen anlocken." Was dem Glühwürmchen das Leuchten, ist beim Paradiesvogel das bunte Gefieder. Frösche hingegen fluoreszieren als Warnung für den Fressfeind: Ich bin giftig, heißt das Licht.

Bei Glühwürmchen spricht man von einem Primärleuchten. Sekundärleuchten wäre etwa das einer Feuerwalze im Meer. Die leuchtet nicht selbst, sondern die im Körper aufgenommenen Bakterien, mit der die Walze in Symbiose lebt.

Schutz, Balz, Warnung. Licht spielt eine entscheidende Rolle in der Tierwelt, und der eher lichtlose Winter? Welchen Effekt hat der auf die Bewohner in Hellabrunn? "Wie beim Menschen auch ist es wichtig für Tiere, Sonnenlicht zu bekommen, um Vitamin D2 in D3 umwandeln zu können", sagt Köhler, dieser Prozess ist für den Knochenaufbau wichtig, da unterscheidet sich der Giraffenknochen nicht von dem eines Münchners. Bei den Affen werden im Winter UV-Lampen aufgestellt, weil die Tiere da weniger Tageslicht bekommen.

"Vor allem bedeutet Licht für Tiere aber grundsätzlich Wärme", sagt Köhler. Und Wärme bedeutet weniger Energieverlust. Im Winter stehen die Flamingos auf einem Bein und schieben ihren Schnabel ins Gefieder, um wenig Energie zu verlieren. "Vögel haben ohnehin eine höhere Körpertemperatur als Menschen, mehr als 40 Grad." Und nicht nur der Mensch benötigt die meiste Energie, die er durch die Nahrung aufnimmt, um seine Körpertemperatur zu halten, "mehr als 60 Prozent von dem, was wir essen, brauchen wir dafür", sagt Köhler. Für Tiere geht es im Winter also grundsätzlich weniger um Licht, es geht vielmehr um Temperatur. Wenn sich Vögel in der kalten Zeit aufplustern, setzen sie sich nicht in Szene oder machen auf Bodybuilder-Vogel, sondern versuchen schlicht, dadurch möglichst viel Wärme zu halten. Da gibt es dann doch einen großen Unterschied: Menschen plustern sich eher im Sommer auf, Tiere im Winter.

© SZ vom 02.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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