Tierschutz:ÖDP will Tauben ins Rathaus holen

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Tauben am Münchner Marienplatz: Wenn es nach der Ökologisch-Demokratischen Partei geht, bekommen sie bald auch Raum im Rathaus. (Foto: Gino Dambrowski)

Stadttauben werden vergrämt und sogar abgeschossen. Die ÖDP möchte sich deshalb für die Tiere einsetzen - und ihnen unter dem Dach des Münchner Rathauses einen Raum schaffen.

Von Thomas Anlauf

Stadttauben haben einen schlechten Ruf. Sie machen Dreck und sollen angeblich Krankheiten übertragen. Als "Mythen und Vorurteile" bezeichnet die Münchner Tierärztin Doris Quinten die Haltung vieler Menschen. Sie betont, dass es sich bei den Tauben um keine Wildtiere, sondern um ausgesetzte Haustiere handele, "die in der freien Wildbahn nicht mehr überlebensfähig sind". Doch bis heute werden Stadttauben mit Stachelgittern und Netzen vergrämt und sogar abgeschossen, um der vermeintlichen Plage Herr zu werden. Die Fraktion von ÖDP-Freie Wähler setzt sich nun mit einem Antragspaket für den Schutz und einen besseren Umgang mit den Vögeln ein. Mehrere Hundert von ihnen sollen sogar eine prominente Heimat erhalten: im Speicher des Rathauses.

Der Marienplatz und nach dem S-Bahn-Bau auch wieder der Marienhof gelten laut ÖDP-Stadträtin Nicola Holtmann als "Tauben-Hotspots". Bislang sitzen Hunderte von ihnen in den Nischen des verwinkelten Rathauses und ernähren sich von Essensabfällen der Touristen und Einheimischen. Nach Ansicht der Tierschutzbeauftragten der ÖDP könnte im Dachboden des Rathauses ein 20 bis 30 Quadratmeter großes Taubenhaus eingerichtet werden. Dort könnten die standorttreuen Tiere wohnen und brüten und sollen dort auch regelmäßig artgerecht gefüttert werden. Vorbild ist das Augsburger Rathaus, in dem derzeit etwa 200 Tauben im Speicher wohnen. Die dortige Stadtverwaltung habe in den vergangenen Jahren festgestellt, dass die Bewohner etwa 80 Prozent ihrer Hinterlassenschaften nun nicht mehr auf den Straßen und Plätzen um das Rathaus fallen lassen, sondern in ihrem Taubenschlag.

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In München gefällt es den Vögeln in der Regel sehr gut, nur zu benehmen wissen sie sich nicht. Selber schuld: Jetzt hat der Stadtrat ihnen "den Kampf angesagt".

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Für die ÖDP und die Freien Wähler ist es "völlig unverständlich, dass der Münchner Stadtpolitik und der Verwaltung keine geeigneten Standorte für Taubenhäuser einfallen wollen und sogar der Abschuss von Tauben an U-Bahnhöfen noch als probates Mittel gilt". Dabei hat der Stadtrat bereits von zwölf Jahren die Errichtung von Taubenhäusern nach dem Augsburger Modell beschlossen. Insgesamt 17 davon gibt es in München, viele davon liegen allerdings auf Privatgrund. Andere wie am Hauptbahnhof an der Arnulfstraße wurden erst vor wenigen Tagen abgebaut, weil das Gebäude abgerissen wird. Ehrenamtlichen Taubenpflegern, die regelmäßig dort die Vögel artgerecht fütterten, den Kot entsorgten und auch Taubeneier entfernten, wurde der Zutritt zur Brutstätte verwehrt, sagt Tierärztin Quinten. Die Folge sei, dass viele der Tauben vom Hauptbahnhof nun verhungern würden, auch wenn offenbar die Stadt auf dem Gebäude des Umwelt- und Gesundheitsreferats demnächst ein neues Taubenhaus schaffen will.

ÖDP und Freie Wähler wollen mit ihren Stadtratsanträgen erreichen, dass es künftig weniger Tauben in der Stadt gibt, indem den Vögeln in den Taubenhäusern die Eier entnommen werden. In Augsburg sei die Zahl der Tauben um etwa 10 000 Tiere reduziert worden. Außerdem würden sie so weniger Dreck auf öffentlichen Plätzen machen. Dann könnte auch auf "tierquälerische Vergrämungsmaßnahmen wie Fangnetze und Taubenspikes verzichtet werden", die laut Stadträtin Holtmann durch das Tierschutzgesetz verboten oder zumindest "moralisch höchst fragwürdig" seien. Ihr geht es um ein "friedliches Leben mit den Stadttauben".

© SZ vom 08.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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