Fabrikgelände in Berg am Laim:Wie bringt man Beats und Bässe zurück in die Stadt?

Lesezeit: 4 min

Das Gelände der früheren Brennerei der Bundesmonopolverwaltung weckt viele Begehrlichkeiten. Das Kollektiv "Common Ground" will das weitläufige Areal am Leuchtenbergring temporär für Subkultur nutzen.

Von Lea Kramer, Berg am Laim

Alabamahalle, Ultraschall, Puerto Giesing: Jede Generation hat ihr Feierfeld bekommen. Temporär. Denn in München war und ist der Platz für Subkultur begrenzt. Zwischennutzung, ein Wort, das zwar nicht leicht über die Zunge geht, in der Stadt aber traditionell für explosive und vor allem legendäre Kreativexperimente steht. Zwiespaltprojekte, die München über die Stadtgrenzen hinaus als Großstadt strahlen lassen, häufig aber an der Last der behördlichen Vorgaben, den hohen Mieten und manchmal auch am Lärmempfinden und der Ordnungsliebe der Anwohner scheitern. Gerade formiert sich eine neue Generation. Sie will ein umstrittenes Gelände im Osten der Stadt bespielen: die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BfB) in Berg am Laim.

Die Corona-Pandemie hat die historischen Probleme der Kunst- und Kulturschaffenden noch verschärft, denn zusätzlich zum fehlenden Platz für Subkultur sind auch die etablierten Clubs seit mehr als einem Jahr geschlossen. Wie bringt man also Beats und Bässe zurück ins Stadtleben, ohne die Pandemie voranzutreiben? Die Künstler und Kreativschaffenden rund um das Kollektiv "Common Ground" haben dafür ein Konzept entwickelt. Darin spielt das Betriebsgelände an der Neumarkter Straße nahe der Leuchtenbergring-Unterführung eine zentrale Rolle.

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"Auf dem Areal ist vieles möglich - von künstlerischen Interventionen, sei es in Form von Performances, Konzerten, Lesungen, Open Mic oder Jam Sessions, Ausstellungen, Installationen oder Theater- und Filmvorstellungen", sagt Joshua Neumann. Der 24-Jährige produziert elektronische Musik, legt seit Jahren als DJ in Münchner Clubs auf und treibt mit anderen Kreativen künstlerische Projekte voran. Unlängst hat er mit Tausenden anderen jungen Menschen zum Aktionstag "Freiräumen -jetzt" aufgerufen und dezentrale Demos im Stadtgebiet für mehr Platz für nicht-kommerzielle Kunst- und Jugendkultur mitorganisiert.

Auf dem alten Fabrikgelände soll aber nicht nur gefeiert werden, sondern es soll auch als Ort für "Skill-Sharing", also für Wissensaustausch und die Vernetzung innerhalb der kreativen Szene, genutzt werden. "Eine wöchentliche Anlaufstelle für Psychotherapie, Kinderprogramm oder Flohmärkte sind ebenfalls denkbar", sagt Neumann.

Areal am Leuchtenbergring könnte zum Pilotprojekt für München werden

Das Konzept, das das Kollektiv ausgearbeitet hat, stehe damit nicht im Widerspruch zu dem, was die Stadt auf dem Gelände plane. "Wir wünschen uns eine langfristige kulturelle Nutzung", so Neumann. Als Vorbild könnten Projekte wie die "Draussenstadt" in Berlin dienen. Dort hat die Kulturprojekte Berlin GmbH, eine landeseigene gemeinnützige Gesellschaft, eine Plattform geschaffen, auf der Informationen zu kulturellen Veranstaltungen im Freien gebündelt werden und sich Kunstschaffende, Aktivisten und Veranstalter miteinander vernetzen können. Dabei werden gezielt Projekte im öffentlichen Raum gefördert.

Geht es nach den Initiatoren, könnte das Areal am Leuchtenbergring zum Pilotprojekt für München werden. Der Bezirksausschuss (BA) Berg am Laim hat sich schon mal hinter die jungen Kreativen gestellt. In der Juli-Sitzung verabschiedete das Gremium mehrheitlich einen Antrag, in dem die Realisierung der von Common Ground angestoßenen Zwischennutzung auf der brachliegenden Industriefläche gefordert wird.

Das Gremium sieht in der Idee auch eine Chance, die Generationen im Viertel zu versöhnen. Der BA habe in letzter Zeit regelmäßig Beschwerden von Bewohnern erhalten, weil zu laut in Wohngebieten gefeiert werde, erläutert Manuel Weiß, Fraktionssprecher der Grünen im BA. "Welche Möglichkeiten gibt es, sich im Stadtviertel zu treffen? Hier hätten wir einen Ausweichplatz, an dem niemand gestört würde", sagt er. Auch die CSU steht hinter dem Konzept. Sie will allerdings, dass zunächst geklärt wird, "ob das Grundstück jetzt der Stadt gehört", wie der stellvertretende Ortsvorsitzende der Partei, Johann Kott, zu bedenken gibt.

Auch die Warenverladestation soll für subkulturelle Veranstaltungen temporär genutzt werden. (Foto: Lea Kramer/oh)

Da liegt die Krux in der Zwischennutzungsgeschichte. Das knapp zwei Hektar große Grundstück im Dreieck zwischen der Bahnanlage, dem Gewerbegebiet an der Neumarkter Straße sowie der Dingolfinger Straße auf der anderen Seite des Mittleren Rings gehört dem Bund. Noch bis 2016 wurde dort Agraralkohol für die Industrie aufbereitet, was sich dann nach einer EU-Entscheidung gegen das Bundesmonopol für private Unternehmen nicht als besonders wirtschaftlich erwies. Seither steht das Betriebsgelände leer.

Die Stadt würde dort und auf einem angrenzenden Grundstück, das derzeit an Gewerbe vermietet ist, gerne eine Berufsschule für Medien, Druck und Gestaltung bauen. Dafür muss sie die Grundstücke allerdings von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) kaufen. Seit mehreren Jahren verhandeln Bima und das Kommunalreferat, werden sich aber beim Preis nicht einig. Aufgrund der klammen Münchner Haushaltkasse gibt sich das Kommunalreferat wenig zuversichtlich, dass das Immobiliengeschäft im höheren zweistelligen Millionenbereich bald zustande kommt. Ein Referatssprecher verweist auf den Eckdatenbeschluss des Stadtrats zu den Einsparmaßnahmen vom Juli. "So wurden beispielsweise die vom Kommunalreferat angemeldeten Mittel zum Erwerb des Grundstücks der Bima von der Stadtratsmehrheit bislang nicht anerkannt", sagt der Sprecher.

Über eine Zwischennutzung an dieser Stelle könne die Stadt erst entscheiden, "wenn sie über das Grundstück verfügen kann", heißt es aus dem Kulturreferat. Man stehe kultureller Zwischennutzung grundsätzlich positiv gegenüber, habe das Common-Ground-Konzept allerdings nicht vorliegen, wie eine Sprecherin auf SZ-Anfrage sagt. Doch gebe es einen Antrag aus dem Stadtrat, den die Fraktionsgemeinschaft von Die Partei/Die Linke im Mai gestellt hatte. Dieser werde vom Kulturreferat geprüft, ein Ergebnis wird wohl nach der Sommerpause vorliegen.

In dem Antrag wird gefordert, dass die Stadt vor allem den westlichen Teil des Areals kauft, der neben den Telekom-Türmen an der Dingolfinger Straße liegt, und ihn einer künstlerischen Nutzung zuführt. Demnach soll ein altes Warenverladegebäude, im Antrag als "Pagode" bezeichnet, erhalten bleiben. Das Grundstück rundum solle Künstlerinnen und Kreativschaffenden in Selbstverwaltung überlassen werden.

Momentan ist das Gelände aber gar nicht so leer, wie es scheint. Die Bima hat es der Branddirektion München überlassen. Die Feuerwehr lagert dort zum Beispiel Desinfektionsmittel für den Katastrophenfall. Der Bund verlangt wegen dem Zusammenhang mit der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie keine Miete. Der Vertrag läuft noch bis zum Jahresende. Der Bund habe nicht vor, das Gelände künstlerisch zu entwickeln. "Es gibt keine Pläne der Bima für eine künstlerische oder eine sonstige Zwischennutzung", sagt ein Sprecher. Würde die Stadt in den Gebäuden, die nicht als Lager von der Feuerwehr genutzt werden, eine künstlerische Nutzung erlauben, würde sie das Geld kosten. So beschreibt es Kulturreferent Anton Biebl in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken im Winter. Weder baurechtlich noch nach dem jetzigen Mietvertrag sei eine zusätzliche Nutzung der Fläche durch Künstlerinnen möglich, heißt es dort. Man müsse mit "Nachzahlungsforderungen der Bima an die Stadt" rechnen.

Auch das Referat für Schule und Sport (RBS), in dessen Ressort die Planungen für die Berufsschulen fallen, ist nicht erpicht darauf, das Gelände zu teilen. Das Grundstück biete nicht einmal genug Baurecht für die Schulpläne, selbst eine in Berg am Laim dringend benötigte zusätzliche Kita könne aufgrund der Enge nicht mehr untergebracht werden, teilte das RBS mit. So könnte die Idee für neue Subkultur auf dem alten Berg am Laimer Branntwein-Gelände an dem scheitern, woran nicht nur der Münchner Untergrund öfter zu knabbern hat: dem Mangel an bezahlbarem Bauland.

© SZ vom 13.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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