Hotel-Business:Indizien und Merkwürdigkeiten

Star-Inn-Hotel in der Weimarer Straße

Die zwei Star-Inn-Hotels in München gehören zu den lukrativsten in Deutschland. Ausgerechnet sie sollen nun nicht mehr die Miete begleichen können.

(Foto: Florian Peljak)

Die Kette Star Inn gibt Hotels in München auf, eine andere Firma übernimmt. Insolvenzanwälte macht das stutzig, denn zwischen den Unternehmen gibt es Verbindungen.

Von Lisa Schnell

Es ist der 30. September 2020, als Kathrin Garai vor ihre Mitarbeiter in München tritt. Sie ist Geschäftsführerin und Mitgründerin der Hotelkette Star Inn, die drei Sterne im roten Logo hat und insgesamt 19 Hotels - bis jetzt. Denn Garai hat keine guten Nachrichten. Drei Häuser hat Star Inn in München, zwei davon muss das Unternehmen aufgeben. So erzählt es Garai laut Mitarbeitern im September. Man könne die Miete nicht mehr zahlen. Aus. Vorbei. Das war's für die zwei Star-Inn- Hotels in der Weimarer Straße im Münchner Norden gleich am Domagkgelände.

Soweit ist daran noch nichts ungewöhnlich. Vielen Hotels geht es in der Corona-Krise ähnlich. Experten erwarten eine Pleitewelle. Unterlagen, die der SZ vorliegen, legen nahe: Auch Star Inn könnte dieses Schicksal treffen. Und hier beginnt das Ungewöhnliche an diesem Fall. Vor dem Hintergrund einer drohenden Insolvenz nämlich ist besonders brisant, was Garai an diesem September-Tag noch bekannt gibt.

Eine andere Firma werde die Hotels übernehmen, sagt sie laut Mitarbeitern. Die Unterrichtung über den Betriebsübergang liegt der SZ vor. Aber wie die neuen Häuser heißen? Garai überlegt. Ihr scheint der Name nicht einzufallen. So wird es der SZ zugetragen und auch, dass sich manche da schon wundern. Garai sagt, sie habe mit der neuen Firma nichts zu tun. Sie wiederholt das mehrmals und die Verwunderung bei manchen steigt. Und dann sagt sie, was ihr am wichtigsten sei: das Wohl der Mitarbeiter. Ein Satz, der einige später noch sehr aufregen wird. Dass Garai über die neue Firma, die ihre Hotels weiterbetreibt, so wenig weiß, scheint eher unwahrscheinlich. Unterlagen, die der SZ vorliegen, zeigen enge Verbindungen von Star Inn zu dieser Firma.

Insolvenzanwälte macht das stutzig. Sie denken da an eine mögliche Masche bei drohenden Insolvenzverfahren: die Schulden loswerden und trotzdem behalten, was von Wert ist. Man könnte es das Aschenputtel-Prinzip nennen: die guten ins eigene Kröpfchen, die schlechten ins Töpfchen des Insolvenzverwalters. Eine "Vermögensverschiebung" sagen Insolvenzanwälte wie Lucas Flöther dazu. Sie ist oft schwer nachzuweisen, wenn aber doch, liegt ein Verstoß gegen das Strafrecht vor, das Strafmaß: Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug.

Es gibt im Fall Star Inn keine Beweise, aber es gibt Indizien und Merkwürdigkeiten. Kathrin Garai, Star Inn und ihre Nachfolgegesellschaft wurden mit diesen Merkwürdigkeiten konfrontiert, wollen sich aber nicht äußern. Star Inn lässt dies durch eine Anwaltskanzlei mitteilen. In dem Schreiben wird zudem der Verdacht geäußert, jemand, der davon wirtschaftlich profitiere, wolle dem Unternehmen schaden.

Neunzehn Hotels betrieb die Hotelkette mit den rund 300 Mitarbeitern bis vor Kurzem, elf davon in Deutschland. Firmenunterlagen, die der SZ vorliegen, sowie Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern legen nahe, welche der Hotels in Deutschland besonders gut liefen. Wenn stimmt, was in den Unterlagen steht und einstige Mitarbeiter sagen, dann gehören jetzt, da möglicherweise eine Insolvenz ansteht, drei der lukrativsten Häuser nicht mehr zur Firmengruppe. Die zwei Hotels am Domagkgelände sind darunter und ein Haus in Dresden. Das ist der Beginn der Merkwürdigkeiten. Wer ihnen folgt, landet bei einer Firma namens Lectus Consulting AG.

Die Gesellschaft in der Schweiz übernahm die drei Häuser. Auf den ersten Blick hat sie mit Star Inn nichts zu tun. Auf den zweiten Blick sieht es anders aus. Es ist der Star-Inn-Steuerberater, der als Bevollmächtigter der Lectus Consulting die Unternehmen gründet, die jetzt die drei früheren Star-Inn-Hotels betreiben.

Die Geschäftsführerinnen der zwei neuen Firmen waren vorher bei Star Inn als Assistenz der Geschäftsführung und Hoteldirektorin tätig. Auch der Mann, der die Lectus AG leitet, hat enge Verbindungen zu Star Inn. Eine andere Firma, bei der er eine hohe Position einnimmt, heißt sogar ganz ähnlich, nämlich Star Inn Hotel Development AG. Ein Zweck dieser Firma: Beteiligungen, insbesondere an der Star Inn Gruppe. Die oberste Leitung: Kathrin Garai. Der Mann also, der die Firma leitet, mit der Garai nichts zu tun haben will, ist ein langjähriger Geschäftspartner von ihr.

Im Insolvenzrecht gibt es den Begriff der "nahestehenden Personen". Machen diese Personen untereinander Geschäfte, "vermutet die Insolvenzordnung, dass an solchen Insider-Geschäften etwas faul ist", sagt Anwalt Flöther, ohne konkret über Star Inn zu sprechen. Ob es sich bei Star Inn um Insider-Geschäfte handelt, ist nicht geklärt. Es müsste im Falle einer Insolvenz geprüft werden. So sagt das Insolvenzanwalt Michael Bremen, der auf Hotels spezialisiert ist und dem man den Fall Star Inn schildert.

Es spreche "viel dafür, dass die Voraussetzungen für nahestehende Personen erfüllt sind", da eine Hoteldirektorin und eine Assistenz der Geschäftsführung "Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse gehabt haben könnten". Dazu kommt, dass die Internetauftritte der zwei Firmen, die nichts miteinander zu tun haben sollen, sich ähneln wie ein Ei dem anderen. "Bei einer solchen Konstruktion würde ein Insolvenzverwalter sicher ganz genau hinsehen", sagt Bremen. Dabei gehe es um die zentrale Frage: "Hat die neue Firma für das, was sie von der alten Firma übernommen hat, eine gleichwertige Gegenleistung erbracht?" Oder anders ausgedrückt: Versucht hier jemand, durch eine Scheinfirma sein Geld am Insolvenzverwalter vorbei von der rechten in die linke Hosentasche zu stecken?

Die Lectus Consulting AG übernahm von Star Inn die volle Einrichtung der Hotels, dazu kommen wohl noch Beamer, Computer, die Kosten für die Homepage, für Getränke und Speisen. Hat der neue Betreiber all das ausreichend bezahlt? Star Inn und Lectus Consulting lassen die Anfragen der SZ auch zu dieser Frage unbeantwortet.

Ausgerechnet bei den lukrativen Hotels kann die Miete nicht mehr bezahlt werden, ausgerechnet dort übernimmt eine Firma, in der nahezu alle wichtigen Personen Verbindungen zu Star Inn aufweisen. Für manche sieht das wie ein Geschäft über eine "Scheinfirma" aus und riecht deshalb nach einer "riesigen Schweinerei". So sagt es ein ehemaliger Mitarbeiter, der viel über das Unternehmen und den Führungszirkel weiß.

Soweit die Argumente gegen Star Inn. Stephan Madaus, Lehrstuhlinhaber des juristischen Bereichs an der Universität Halle, verweist aber darauf, dass alles auch korrekt gelaufen sein könnte - nämlich so: Star Inn kann die Miete nicht mehr zahlen, es liegt eine rechtmäßige Kündigung der Vermieterin vor. Ehemalige Mitarbeiter von Star Inn führen die Hotels weiter und bezahlen Star Inn für übernommenes Vermögen. Damit hätte es keinen Versuch gegeben, Vermögen zur Seite zu schaffen. Was merkwürdig erscheine, so Madaus, müsse nicht zwingend illegal sein.

Ein früherer Mitarbeiter von Star Inn erinnert vor allem an die Beschäftigten der Hotels. Manche seien fünfzehn Jahre dabei. Käme es zu einer Insolvenz, würden sie "leer ausgehen", sagt er: "Ohne die guten Häuser werden die schlechten nicht zu retten sein." Kein Investor werde die Hotelkette übernehmen, die Mitarbeiter ihren Job verlieren. Sie stünden im Regen, während die Geschäftsführerin sich die "Sahnestückchen" sichere, sagt er. Aus seiner Sicht: "Eine Sauerei."

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