Politik in München:Warum werden in Haushaltsreden nur Männer zitiert?

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Wenn der Münchner Stadtrat im Showpalast in Fröttmaning tagt, werden gerne weiße und mitunter weise Männer zitiert. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Von Pythagoras bis Hans-Jochen Vogel gab es viele kluge Sätze in der Finanzdebatte im Stadtrat. Bei der Frauenquote ist allerdings noch Luft nach oben.

Glosse von Anna Hoben

Wenn der Münchner Stadtrat über den Haushalt debattiert, geht es um Milliarden. Da braucht es in den Reden gewichtige Zitate und Erwähnungen, und die haben die Politiker und Referenten am Mittwoch im Showpalast geliefert. Man konnte dabei eine Zeitreise machen von circa 520 vor Christus (Pythagoras) bis in die gleißende Gegenwart (Christian Lindner). Dazwischen lagen: Aristoteles, Johann Heinrich Pestalozzi, Neil Armstrong, Hans-Jochen Vogel, Paul Krugman, Olaf Scholz und möglicherweise noch ein paar andere, die man zu notieren vergessen hat.

Kämmerer Christoph Frey verglich die Genehmigung des Münchner Haushalts durch die Aufsichtsbehörde mit dem Erfolg der ersten bemannten Mondlandung ("The Eagle has landed"). Mit dem Vorsokratiker Pythagoras (Zahlen als "Wesensprinzip alles Seienden") unterstrich Grünen-Fraktionschef Florian Roth die Bedeutung der städtischen Finanzen, mit Aristoteles das Streben nach der richtigen Mitte zwischen Ausgeben und Sparen. ÖDP-Stadträtin Sonja Haider machte bei Pestalozzi kurzerhand passend, was nicht ganz passend war (aus "Entschlossenheit im Unglück ist immer der halbe Weg zur Rettung" wurde "Entschlossenheit in der Krise ist immer der halbe Weg zur Rettung").

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Irgendwann bemerkte ein aufmerksamer Livestream-Zuschauer bei Twitter, es seien ja nun schon viele namhafte Persönlichkeiten zitiert worden, aber keine Frau. In der Tat, es schien, als habe man sich für die schlauen Sätze auf eine 100-prozentige Männerquote verständigt. SPD-Fraktionschefin Anne Hübner, die als erste Frau nach fünf Männern sprach, beklagte dann auch, dass es in Haushaltsdebatten seit Jahrzehnten "zu viel Testosteron und zu wenig Parität" gebe. Ihre Attacke galt der CSU, deren Zwischenrufe während ihrer Rede sie zählte, bis sie bei sieben aufhörte. Auch Hübner hatte ein Zitat mitgebracht, vom ehemaligen Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel: "Es ist keine Schande, wenn man sich überzeugen lässt und das auch zugibt."

Tatsächlich soll es ja die eine oder andere Frau geben, die mal einen klugen Satz gesagt hat. Fürs nächste Mal hat Grünen-Stadträtin Gudrun Lux bei Twitter schon mal etwas herausgesucht, von Olympe de Gouges, Revolutionärin und Frauenrechtlerin (1748 bis 1793): "Freiheit und Gerechtigkeit bestehen darin, den anderen zurückzugeben, was ihnen gehört." Würde sich gut eignen beim Thema öffentlicher Raum, fand Lux. Die nächste Haushaltsdebatte kommt bestimmt.

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