Städtischer Haushalt:Stadtrat beschließt Haushalt mit Plus von 127 Millionen Euro

Lesezeit: 3 min

Der Münchner Stadtrat tagt am Mittwoch - in reduzierter Besetzung - im Showpalast in Fröttmaning. Hier eine Aufnahme vom Dezember. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Und das gegen die Stimmen der Opposition. Deren Vorwurf: Grün-Rot "verfrühstücke" alle Rücklagen. Die Ursache für den Geldsegen ist eine regelrechte Gewerbesteuer-Rallye.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Mitten in der fünften Welle der Pandemie gibt es für die Münchnerinnen und Münchner auch gute Nachrichten. Die Finanzen ihrer Stadt sind jedenfalls in den Augen der Koalition so gut durch die Krise gekommen, dass Grüne und SPD bei der Verabschiedung des Haushaltsplans für das Jahr 2022 nochmal knapp 150 Millionen Euro extra für ihre politischen Ziele ausgeben.

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Die Koalition wolle und werde alles dafür tun, dass die Menschen "auch in 50 Jahren noch so gut und sicher leben können", sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Anne Hübner. Die grün-rote Politik sei "genau der richtige Weg" dorthin.

CSU und FDP halten die spontanen Mehrausgaben für verantwortungslos, so wie auch insgesamt die langfristige Finanzplanung der Koalition. Diese "verfrühstücke" in ihrer Amtsperiode alle Rücklagen, die von der Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg gebildet worden seien, kritisierte CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. Dazu häufe sie so viele Schulden an, dass künftige Stadtregierungen keinerlei Handlungsspielraum mehr hätten.

So hart auch um den Haushaltsplan 2022 gerungen wurde, unstrittig war, dass die Prognosen im vergangenen Sommer noch düster waren: Ein Minus von mehr als einer halben Milliarde Euro werde die Stadt erwirtschaften, hieß es damals. Tatsächlich haben die Zahlen in der Zwischenzeit ihre Farbe gewechselt, vom Roten ins Schwarze. Und so hat der Stadtrat am Mittwoch für 2022 einen Etat mit einem Plus von 127 Millionen Euro in der laufenden Verwaltung beschlossen, gegen die Stimmen aller Oppositionsparteien.

Wie schon mehrmals seit Beginn der Corona-Pandemie tagte der Stadtrat im Pferde-Showpalast in Fröttmaning, wegen der Omikron-Entwicklungen diesmal in etwas reduzierter Besetzung. Und wie es sich gehört für eine ordentliche Haushaltsdebatte, boten die Kommunalpolitiker in dreieinhalb Stunden Reden über Geld auch ein bisschen Show.

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Die geplanten großen Investitionen werden die Stadt in den nächsten Jahren an ihre finanziellen Grenzen bringen, sagt Kämmerer Christoph Frey. Wohin der Großteil des Geldes fließen wird.

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Die geplante Neuverschuldung von mehr als einer Milliarde Euro sei "kein Pappenstiel"

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) übte sich zu Beginn in der Kunst der Vorhersagen: Die Regierungsfraktionen würden wie immer betonen, dass die Stadt gut durch die Haushaltskrise gekommen sei und die richtigen Schwerpunkte setze; die Opposition werde diese kritisieren, ebenso, dass zu viel oder zu wenig gespart, zu viel oder zu wenig investiert werde.

Im vergangenen Jahr, so Reiter, habe man Mut zu Kürzungen und Einsparungen bewiesen. "Ich freue mich sehr, dass wir heute einen Teil dieser schmerzhaften Kürzungen, insbesondere im Personalbereich, zurücknehmen können." München habe sich ein ambitioniertes Programm für die Zukunft vorgenommen. Die geplante Neuverschuldung von mehr als einer Milliarde sei "kein Pappenstiel", bilde aber die Basis für Investitionen in den Bau von Schulen und Kitas, in bezahlbares Wohnen, in den öffentlichen Nahverkehr und in Klimaschutzprojekte.

Warum die Stadt sich nach den dramatischen Einbrüchen bei den Finanzen und den zunächst düsteren Vorhersagen für die kommenden Jahre nun doch wieder mehr leisten kann, erläuterte Kämmerer Christoph Frey (SPD): Seit dem dritten Quartal 2021 laufe eine regelrechte Gewerbesteuer-Rallye mit Nachzahlungen und "soliden Vorauszahlungen". 3,3 Milliarden Euro flossen aus Gewerbesteuern 2021 an die Stadt - nach dem pandemiebedingten Einbruch 2020 ein Allzeit-Rekord. Dennoch müsse die Stadt diszipliniert bleiben, sie habe 2020 und 2021 zwar weniger Schulden aufgenommen als geplant, aber immer noch zu viel.

Von 2023 an müsse das Ziel wieder ein Überschuss von mindestens 400 Millionen Euro sein, damit die Stadt handlungs- und gestaltungsfähig bleibe. Personalreferent Alexander Dietrich (CSU) betonte, dass Stellen bei der Stadt nach der Bremsung im vergangenen Jahr wieder nachbesetzt werden könnten und sogar 29 Millionen Euro für zusätzliche neue Stellen ausgegeben würden.

Die Koalition versuche mit dem Haushaltsentwurf die richtige Mitte zu finden, sagte Grünen-Fraktionschef Florian Roth, zwischen Mäßigung und dringend benötigten Investitionen - mit Blick auf die vorherige schwarz-rote Koalition sprach er von einem "Investitionsstau als Erblast". Er glaube aber nicht, dass die Haushaltskrise "nachhaltig überwunden" sei. Bei den Investitionen setze die Koalition klare soziale und ökologische Prioritäten, etwa mit zusätzlichen 100-Millionen-Euro-Paketen für Wohnen und Klimaschutz. Eine Veränderung wünscht sich Roth bei der Geschwindigkeit: "Wir müssen schneller werden."

Die FDP stellt bei OB Reiter eine "Wurstigkeit" fest

Den Investitionsstau wies CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl zurück und beklagte im Gegenzug die zahlreichen kurzfristigen Ausgaben durch Grün-Rot. "Das ist keine Auszeichnung für die Politikfähigkeit dieser Koalition." Bei einer geplanten Schuldenaufnahme von sechs Milliarden Euro bis 2025 werde es Grün-Rot am Ende der Amtsperiode nicht mehr gelingen, einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen. FDP-Fraktionschef Jörg Hoffmann vermisst einen roten Faden bei den Finanzen, bezeichnete die Politik der Koalition als wirtschaftsfeindlich und stellte bei OB Reiter eine "Wurstigkeit" fest, die sich über viele Themen hinweg zeige, auch bei der unmotivierten Haushaltsrede. Er habe den Eindruck, dass Reiter bis zum Ende seiner Amtszeit nur noch "chillen" wolle.

Das wies der OB umgehend zurück, wurscht seien ihm lediglich die Reden eines gewissen FDP-Fraktionsvorsitzenden, ätzte er zurück. Inhaltlich vertrat Fraktionschefin Anne Hübner vehement die Positionen der SPD. Gerade in der Pandemie habe sich gezeigt, wie unverzichtbar die Sozialdemokraten für die Stadt seien. "Unser Anspruch, in der Not niemanden alleine zu lassen, ist relevanter als je zuvor. Nicht nur in der Krise, sondern immer."

Offensiv zeigte sie sich auch in ihrer Abrechnung mit der größten Oppositionspartei. Die CSU sei nur noch populistisch, sagte sie. Ihre Rede im Anschluss an Pretzls Beitrag begann Hübner, die als erste Frau nach fünf Männern zum Haushalt sprach, mit dem provokanten Wunsch: "Weniger Testosteron, mehr Parität." Pretzl wies das als sexistisch zurück. Hormonhaushalte sollten nicht Teil der Haushaltsdebatte sein. Ein Wunsch für die Zukunft, kostenlos.

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