Verkehr in München:Gibt es Chancen auf eine Seilbahn über die Isar?

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Eine Trasse über dem Frankfurter Ring würde sich nicht rechnen, zeigt eine Studie. Die Untersuchung hat Stadt und Freistaat mehr als eine halbe Million Euro gekostet - beide wollen nun eine andere Strecke ins Visier nehmen. Kritiker zeigen dafür wenig Verständnis.

Von Anna Hoben

In einer Gondel über die Straßen schweben, während unten die Autos im Stau stehen: Die Idee hat es manchem angetan. Gut drei Jahre ist es her, dass der Stadtrat eine Machbarkeitsstudie beschlossen hat, die zeigen sollte, ob sich eine urbane Seilbahn über dem Frankfurter Ring rentieren würde und ob sie sinnvoll an den restlichen Nahverkehr angeschlossen werden könnte. Nun ist das Ergebnis da - und das konkrete Projekt damit wohl vom Tisch.

Realisierbar wäre die Seilbahn demnach zwar schon. Doch die Kosten, so zeigt die Studie, wären mit 433 Millionen Euro überaus hoch, bei vergleichsweise geringem Nutzen. Denn im Vergleich zu den untersuchten Alternativen Tram und Expressbus würde eine Seilbahn dort kaum neue Fahrgäste bringen. Die Gutachter empfehlen deshalb, das Projekt nicht weiterzuverfolgen.

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"Schade, dass die gewählte Streckenführung offenbar - entgegen der ursprünglichen Einschätzung der Verwaltung - keinen nennenswerten verkehrlichen Nutzen, aber vergleichsweise hohe Kosten bedeuten würde", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Mittwoch. Er hatte 2018 zusammen mit der damaligen bayerischen Verkehrsministerin Ilse Aigner (CSU) die Idee einer Seilbahn über dem Frankfurter Ring vorgestellt. Reiter will nun die Verwaltung bitten zu prüfen, ob es andere Strecken gibt, die einen "verkehrlichen Nutzen zu vertretbaren Kosten" bringen. Auch über das Teilstück nach Unterföhring werde der Stadtrat in diesem Zusammenhang entscheiden.

Für jenes Teilstück über die Isar, zwischen Studentenstadt und Unterföhring, empfiehlt das Gutachter-Team, eine Verbindung näher zu untersuchen - auch, weil wegen des Englischen Gartens wohl viele Touristen die Seilbahn nutzen würden. 3,7 Kilometer lang wäre die Strecke, mit drei Stationen und insgesamt zehn Minuten Fahrzeit. Doch auch dafür werden Kosten in Höhe von 160 Millionen Euro bei vergleichsweise geringem Nutzen prognostiziert; 2900 Fahrgäste könnten pro Tag befördert werden.

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Generell kämen nur auf Strecken mit besonderen Hindernissen wie Bergen oder Flüssen die Vorteile eines Seilbahnsystems zur Geltung, heißt es in der Studie. "Wir würden uns freuen, wenn die Landeshauptstadt die Pläne in Bezug auf eine Trasse über die Isar nach Unterföhring weiterverfolgen würde", sagte dazu am Mittwoch die bayerische Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU). Der Freistaat hat die 570 000 Euro teure Machbarkeitsstudie zur Hälfte mitfinanziert.

Insgesamt haben die Gutachter neun Streckenvarianten untersucht. Die knapp elf Kilometer lange Strecke entlang des Frankfurter Rings zwischen den S-Bahnhöfen Fasanerie und Unterföhring wurde als Vorzugsvariante mit einem Potenzial von 23 000 Fahrgästen pro Tag vertieft analysiert. Eine Seilbahn könnte demnach als sogenannte Dreiseil-Umlaufbahn betrieben werden. In jeder der 84 Kabinen, die für den urbanen Betrieb eher schmal sein müssen, fänden ungefähr 20 Personen Platz. Die Fahrzeit einer Kabine für die Strecke mit neun Haltestellen läge bei knapp 30 Minuten.

Der Nutzen wäre jedoch etwa gegenüber einem Expressbus gering, wie die Studie ausführt. Die Seilbahn könnte nur etwa 3000 Fahrgäste mehr pro Tag transportieren, während die Investitionskosten 22 Mal so hoch wären. Außerdem müssten für eine Seilbahn an den Stationen abschnittsweise Fahrspuren auf dem Frankfurter Ring entfallen. Dies hänge mit den Zugängen zu den Haltestellen zusammen.

Für die Grünen/Rosa Liste im Stadtrat kommt das Ergebnis nicht überraschend. "Wie erwartet ergibt die Seilbahn über dem Frankfurter Ring keinen Sinn", sagte Verkehrsexperte Paul Bickelbacher. "Eine Tram oder ein beschleunigter Bus wären hier bessere Lösungen."

An anderen Stellen könnte eine Seilbahn jedoch ein "sinnvolles und interessantes Verkehrsmittel" sein. Es bestehe deshalb kein Grund, alle Seilbahnpläne ein für alle Mal zu beerdigen. Es gehe darum, die Verkehrswende umzusetzen und deutlich weniger Autos zu haben, ergänzte seine Fraktionskollegin Gudrun Lux. Wenn eine Seilbahn am Frankfurter Ring nicht die beste Lösung sei, werde dort ein besseres Projekt angepackt.

Nikolaus Gradl, Sprecher von SPD/Volt im Mobilitätsausschuss, sagte: "So charmant eine Seilbahn-Lösung für den Frankfurter Ring wäre, sie macht laut der nun vorgelegten Studie einfach keinen Sinn." Auch bei der Teilstrecke von der Studentenstadt über die Isar nach Unterföhring ist seine Fraktion skeptisch: "Hier fordern wir einen Vergleich unterschiedlicher Querungsmöglichkeiten, bevor der Stadtrat entscheidet."

Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte die Politik auf, jegliche Seilbahnträume aufzugeben. Anstatt "unbedingt noch weiter nach einem Problem zu suchen, auf das eine Seilbahn vielleicht ein wenig passen könnte", müsse man auf die bewährten MVV-Verkehrsmittel setzen. Eine Seilbahn bleibe immer nur ein "teurer und wenig leistungsfähiger Fremdkörper", sagte Andreas Barth, Münchner Sprecher von Pro Bahn. Von einem konsequenten Ausbau des Tramnetzes hätten die Fahrgäste viel mehr.

Das Mobilitätsreferat will nun die Studienergebnisse bewerten und noch in der ersten Jahreshälfte dem Stadtrat eine Beschlussvorlage mit einer Empfehlung vorlegen. Zuvor sollen weitere Gespräche mit der Gemeinde Unterföhring, dem Freistaat Bayern und möglichen Betreibern geführt werden. Für die Lösung der Verkehrsprobleme im Münchner Norden werde man insbesondere für den öffentlichen Verkehr alternative Lösungen entwickeln, so Mobilitätsreferent Georg Dunkel.

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