Dass in deutschen Restaurants Asiaten angestellt sind, ist heute fast selbstverständlich. Dass in einem von Vietnamesen geführten Lokal neben Asiaten aber auch Deutsche arbeiten, dürfte momentan noch ungewöhnlich sein. So wie vieles ungewöhnlich ist, was über das im Frühjahr eröffnete Lokal Jaadin im Norden Münchens zu sagen ist. Hier werden, wie wohl nirgendwo sonst in Deutschland, kulinarische Traditionen aus Vietnam wiederbelebt, weiterentwickelt und den lokalen Möglichkeiten angepasst.
Als die Familie Nguyen, die schon in Saigon ein Restaurant betrieben hatte, 1979 nach der Flucht aus Vietnam in München Zuflucht fand, hat es zehn Jahre gedauert, bis sich hier die Gelegenheit zur Eröffnung eines bescheidenen ersten asiatischen Lokals bot. Seither waren Mitglieder der Familie an verschiedenen Restaurants in München beteiligt. Und nun haben drei Kinder der Gründergeneration einen gastronomischen Betrieb nach ihren Vorstellungen geschaffen. In der Küche dieses Restaurants kann die Mutter klassisch vietnamesische Traditionen wieder aufleben lassen kann; im eigens eingerichteten Teehaus kann das Lokal etwas von der hohen Tee-Kultur Asiens vermitteln. Mit seinem großem Grillbereich, mit der ganz amerikanisch ausgestatteten Bar und mit Spezialangeboten wie "Afternoon Aperitif", "Sonntags-Brunch und "Signature Cocktails" huldigt das Jaadin aber auch intensiv internationalen Vorstellungen.
Um in der Grill-Abteilung anzufangen. Auf den dort in die Tische eingelassenen Heizplatten kann man entweder rohes Fleisch, rohen Fisch, oder in der vegetarischen Version Tofu, Pilze und Gemüse - nein nicht grillen, sondern allenfalls anbraten. Am glücklichsten waren wir beim Fleisch-Gang (pro Person 28 Euro). Rinderfilet, Entrecote und Hühnerbrust sind dünn geschnitten und würzig mariniert; die Scheiben lassen sich auf der heißen Fläche mit Öl perfekt garen. Zarter und intensiver kann Fleisch kaum schmecken. Schwieriger wird es schon mit den beigelegten Gemüsestiften und Kräuterseitlingen. Vor allem die zähen Pilze bleiben beim Braten weitgehend roh oder brennen an. Sie wären in einem Feuertopf mit heißer Brühe, wie er in dieser Abteilung als Alternative zur Grillplatte angeboten wird, deutlich besser aufgehoben.
Im Set mit Fisch (30 Euro) überstehen Garnelen und Tintenfischtuben die Grill-Prozedur relativ gut. Die dünnen Scheiben vom Loup de Mer aber schnurren auf der zischenden Platte rasch zusammen - und wären ohne jeden Geschmack, wenn man nicht Salz bestellen würde, das eigentlich dazu geliefert werden müsste.
Wie gut Pilze und Gemüse schmecken können, wenn sie in einer Brühe gegart und serviert werden, führen die Suppen des Hauses eindrucksvoll vor. Pak Choi, Frühlingszwiebeln, Zuckerschoten und Pilze finden hier zu ihrem Idealgeschmack. Aber auch alle übrigen Speisen, die wir in dieser Abteilung mittags oder abends probiert haben, konnten uns überzeugen oder gar begeistern. Die mit Huhn, Kohl und Pilzen gefüllten, gedämpften Maultaschen, die mit Garnelen und Rohkost gefüllten kalten Sommerrollen (jeweils 9 Euro), der leicht scharfe Tintenfischsalat mit roten Zwiebeln, Sellerie, Thai-Basilikum und Koriander luden alle am Tisch Sitzenden zu andächtigem Nicken ein.
Zum Schluss sollen drei Vorspeisen besungen werden, die der Schreiber dieser Zeilen als Erfüllung kulinarischer Wünsche empfunden hat. Der in Reismehl getunkte, knusprig gebackene, aber im Kern noch saftige Butterkrebs war ein solcher Höhepunkt, den es zu zelebrieren galt (14 Euro). Übertroffen wurde er nur noch von den fleischigen Rotgarnelen, die in einem fein gewürzten Mantel aus Süßkartoffelspänen triumphierten. In der Kunst des Panierens und Backens übertreffen ostasiatische Köche ihre Kollegen aus dem Westen wohl am ehesten.
Aber auch die mit Zitronengras und Chili marinierten Iberico-Rippchen, die beim Grillen einen karamellartigen Überzug bekamen, konnten das hohe Niveau halten (11 Euro). Einzig mit Banh Bao, den im Dampf aufquellenden, schneeballgroßen Reismehlballonen, auf die wir eine ganze Stunde warten mussten, konnten wir uns nicht anfreunden, obwohl die würzige Füllung aus Schweinehack und Ei einen Versuch wert war.
Geführt wird das Lokal ganz nach europäischen Prinzipien. Von den Bieren wird eines auch aus dem Fass angeboten. Die Weinkarte ist erfreulich differenziert, sie wurde offensichtlich von Kennern zusammengestellt. Europäische Spitzen-Restaurants könnten das kaum besser machen. Aber wer die Küche Ostasiens im Original kennt, vermisst bei allem Detailglück dann doch ab und zu etwas wie exotische Herbheit und aromatische Schärfe.