Die Münchner Grund- und Mittelschulen werden im kommenden Schuljahr weniger Lehrkräfte als benötigt zur Verfügung haben. Anfang vergangener Woche hatte das Staatliche Schulamt in München ein entsprechendes Schreiben an die Schulleiter geschickt. Das derzeitige Personalangebot in den Schulamtsbezirken werde den Bedarf an Lehrerstunden für das kommende Schuljahr voraussichtlich nicht ganz decken, heißt es darin.
Aus diesem Grund solle externes Personal beschäftigt werden - Mitarbeiter, die bereits an den Schulen arbeiten und auch neue externe Kräfte. In dem Schreiben wird zum Beispiel vorgeschlagen, pensionierte Lehrer an die Schulen zurückzuholen, Lehramtsstudenten zu beschäftigen oder Personen mit handwerklicher Ausbildung als Fachlehrer im Unterricht "Werken und Gestalten" einzusetzen.
Der Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverband (MLLV) kritisiert den Umgang des Kultusministeriums mit dem Lehrermangel an den Grund- und Mittelschulen. "Wir erkennen kein auf Langfristigkeit ausgelegtes Krisenmanagement zur Bekämpfung des akuten Lehrermangels", heißt es in einer Mitteilung des MLLV. Um dem vielfältigen Bildungsauftrag an Mittelschulen gerecht zu werden, bedürfe es möglichst kleiner Lerngruppen, höchster pädagogischer Anpassungsfähigkeit und vor allem hoch qualifizierten Personals, heißt es. Die Maßnahmen, die nun ergriffen werden sollen, ließen "Desaströses für die kommenden Schuljahre erahnen". Leidtragende seien Lehrkräfte, Schulleiter, Mitarbeiter der Schulen und vor allem die Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern.
An den Grundschulen sollen etwa Vorkurs-Deutsch-Stunden im kommenden Schuljahr möglichst durch externes Personal erteilt werden, heißt es im Schreiben des Schulamtes. Das sind Kurse für Kinder, die eine besondere Sprachförderung brauchen. Gerade bei den Vorkursstunden sei es aber sehr wichtig, dass sie von geschultem Personal betreut werden, sagt Martin Schmid, Vorsitzender des Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Nun sollten die Schulen in Eigenregie Personal anwerben. Das sei eine "Bankrotterklärung in ganzer Linie".
Am Mittwoch vergangene Woche hatte das Kultusministerium mitgeteilt, dass die Angebote zur individuellen Förderung an den bayerischen Schulen deutlich ausgebaut werden sollen. Schüler und Lehrer hätten im Distanzunterricht Großes geleistet, das verdiene großen Respekt, sagte Kultusminister Michael Piazolo. "Dennoch muss man ehrlich sein: Distanzunterricht ist nicht dasselbe wie Präsenzunterricht - der direkte Draht fehlt einfach.
Manche Schülerinnen und Schüler tun sich schwer, wenn sie allein vor dem Rechner sitzen. Da sinken Motivation und Leistungsbereitschaft." Zudem habe der Kontakt zu Gleichaltrigen gefehlt, der im Kinder- und Jugendalter ganz besonders wichtig sei. Die Schulen sollen nun weitere finanzielle Mittel für zusätzliches Personal erhalten, um die Schüler im normalen Unterricht besser fördern zu können. Am Nachmittag soll es zusätzliche Kurse geben, außerdem unter anderem ein Tutorenprogramm und eine Sommerschule in der ersten und letzten Woche der Sommerferien.
"Wo sollen die Leute herkommen", fragt der stellvertretende Vorsitzende des MLLV, Michael Hoderlein-Rein. Das Programm sei gut gemeint - "aber allein in München gibt es 137 Grundschulen und jede braucht Personal". Es gebe seit zehn Jahren einen Lehrermangel an den Grund- und Mittelschulen. Aber an eine Situation wie derzeit könne er sich nicht erinnern, sagt Hoderlein-Rein, der auch Rektor einer Grundschule in Berg am Laim ist.
Dass den Schulen ausgerechnet jetzt, nach mehr als einem Jahr Corona-Pandemie, die Lehrer ausgingen, sei "katastrophal". Viele Schüler an den Grundschulen seien bereits um neun Uhr erschöpft, sagt Hoderlein-Rein. Kinder, die sonst sehr gute Leistungen erbracht hätten, schrieben in Leistungserhebungen nun Fünfer und Sechser. Die Noten zählten nicht, zeigten aber, wie dramatisch die Lage sei.