Schulen in München:"Je älter die Schüler sind, desto raffinierter wird das Mobbing"

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"Jede Schülerin und jeder Schüler kann zum Opfer werden", warnt Schulpsychologe Hans-Joachim Röthlein. (Foto: Marco Einfeldt)

Mobbing gibt es an allen Schularten und in allen Altersgruppen. Schulpsychologe Hans-Joachim Röthlein erklärt, warum manche Kinder zu Tätern und andere zu Opfern werden - und auf welche Anzeichen Eltern achten sollten.

Interview von Kathrin Aldenhoff

Hans-Joachim Röthlein ist Vorsitzender des Landesverbands Bayerischer Schulpsychologen. Im Interview erklärt er, warum manche Kinder andere mobben und was Eltern tun können, um ihre Kinder zu schützen.

SZ: Herr Röthlein, kommt Mobbing an allen Schularten vor?

Hans-Joachim Röthlein: Ja, soziale Ausgrenzung ist ein Phänomen, das überall vorkommt, auch im Berufsleben. Es hat aber unterschiedliche Ausprägungen. In den ersten Klassen der Grundschule sind die Schüler sehr eng an die Lehrerin gebunden, da fällt das schnell auf, die Kinder öffnen sich auch schneller. Je älter die Schüler sind, desto raffinierter wird das Mobbing, und desto eher geht es an der Wahrnehmung von Lehrkräften vorbei. Da geht es dann nicht unbedingt um körperliche Gewalt, sondern auch um aggressive Gestik und Mimik. Oder um Cybermobbing.

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Warum werden manche Kinder zu Tätern, andere zu Opfern?

Jede Schülerin und jeder Schüler kann zum Opfer werden. Zu Tätern werden eher Schüler, die in ihrer Familie und Freizeit wenig moralische und soziale Kontrolle erleben. Für einen Mobbingfall sind die sozialen Prozesse in einer Gruppe ausschlaggebend. Wenn ein Schüler zum Beispiel neu in einer Klasse ist, sucht er nach Mitteln, eine gute Position in der Gruppe zu erreichen. Manche haben gelernt, dass sie mit Aggressivität und Gewalt Aufmerksamkeit bekommen. Und die fangen dann an, in der Gruppe Grenzen zu verschieben, zu ihren Gunsten.

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Von Kathrin Aldenhoff

Woran können Eltern merken, dass ihr Kind von Mobbing betroffen ist?

Manche Schüler offenbaren sich ihren Eltern und bekommen von ihnen dann den Schutz, den sie brauchen. Viele sagen es aber auch nicht, weil sie sich schämen. Und weil sie Angst haben, dass es dann noch schlimmer wird. Wenn ein Schüler unter Mobbing leidet, kann er unspezifische Symptome entwickeln. Er klagt zum Beispiel über Magen- oder Kopfschmerzen und Schlafstörungen. In den Ferien geht es ihm meist besser. Ein deutliches Anzeichen ist es, wenn die Noten plötzlich schlechter werden, ohne einen anderen Grund. Oder wenn Kinder oder Jugendliche sich weigern, zur Schule zu gehen. In so einem Fall sollten Eltern in der vertrauensvollen Hinwendung zu den entsprechenden Lehrkräften oder zum schulpsychologischen Dienst immer prüfen: Sind da Ausgrenzungsprozesse im Gange?

Können Eltern denn präventiv etwas tun, damit es gar nicht erst zu Mobbing kommt?

Oft ist eine Rückschau in die Vergangenheit sinnvoll. Kam es in der Kita oder im Laufe der bisherigen Schulentwicklung schon mal zu Fällen von Ausgrenzung? Jede Mobbingerfahrung schwächt einen jungen Menschen und verletzt ihn in seinem Selbstwertgefühl. Aber nicht jeder Streit, nicht jede Rauferei ist Mobbing. Von Mobbing spricht man immer dann, wenn die Macht dauerhaft ungleich verteilt ist. Wenn einer so viel Macht hat, dass er den anderen schädigen kann. Wichtig ist, dass Eltern eine Vertrauensbasis mit ihren Kindern haben, egal wie alt die Kinder sind. Und das Allerwichtigste ist, dass sich die Eltern die Freude und das Leid aus dem Schulalltag der Kinder anhören.

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