Schulserie: Einblicke ins Klassenzimmer:"Kinder haben das Recht auf Partizipation"

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Schulen sollten mehr Mitbestimmung ermöglichen, fordert Christine Achenbach-Carret, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik. (Foto: privat)

Kinder und Jugendliche sollen in schulischen Belangen mitentscheiden können, fordert Christine Achenbach-Carret. Ein Klassenrat kann Projekte anstoßen und viele Probleme lösen

Interview von Kathrin Aldenhoff

Christine Achenbach-Carret ist im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik mit Sitz in Berlin. Sie unterstützt Schulen zum Beispiel mit Seminaren für Schüler und Lehrer dabei, mehr Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern zu etablieren. Und kann sich wahnsinnig darüber ärgern, wenn manche sagen: Kinder müssen doch nicht alles bestimmen.

SZ: Frau Achenbach-Carret, wenn jemand sagt: Kinder müssen doch nicht über alles selbst bestimmen. Was antworten Sie dann?

Christine Achenbach-Carret: Ja, das ist so ein klassisches Missverständnis. Kinder haben das Recht auf Partizipation. In den Kinderrechten und auch in den Schulgesetzen ist dies verankert. Sie müssen ihrem Alter und ihrer Entwicklung entsprechend mitbestimmen können. Das umzusetzen, ist Aufgabe der Schule: Kinder und Jugendliche müssen in schulischen Belangen mitentscheiden können. Von dieser Erfahrung können sie lernen, wie es ist, Teil einer demokratischen Gesellschaft zu sein. Zu diskutieren, sich zu engagieren, andere Meinungen auszuhalten, Konflikte friedlich auszutragen. Und es funktioniert ja! Es gibt genug Schulen, die sich auf den Weg machen, Mitbestimmung ermöglichen und zum Beispiel einen Klassenrat als relevant erleben.

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Warum ist ein Klassenrat eine gute Idee?

Man sollte den Klassenrat nicht mit Erwartungen überfrachten, das ist kein Allheilmittel. Aber er kann Klassen- und Schulklima verbessern, wenn sich in der Schule insgesamt etwas ändert. Die Rollen und Abläufe im Klassenrat bieten den Schülerinnen und Schülern einen sicheren Rahmen. So trainieren sie hier ihre Bedürfnisse auszudrücken, einander zu respektieren, Interessen zu vertreten und gemeinsam Entscheidungen zu treffen oder Projekte zu realisieren. Sie übernehmen Verantwortung und erleben sich als selbstwirksam.

Worüber wird denn in einem Klassenrat gesprochen?

Das können alle möglichen Themen sein, die von den Kindern und Jugendlichen selbst angesprochen werden. Zum Beispiel der Zustand der Schultoiletten, das Essensangebot in der Cafeteria oder die Gestaltung des Schulhauses. Aber auch politische Themen, außerhalb des Schulalltags. Die Schülerinnen und Schüler können ein Projekt mit einem Altersheim starten oder eine Demo organisieren. Im Klassenrat sollten nicht die privaten Probleme von Einzelpersonen besprochen werden. Wenn es aber beispielsweise Probleme in der Chatgruppe der Klasse gibt, die alle betreffen, kann dies besprochen werden.

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Von Kathrin Aldenhoff

Klappt das denn schon an vielen Schulen?

Es gibt ein paar Leuchtturmschulen, die eine demokratische Schulkultur leben und den Klassenrat in allen Klassen durchführen und sogar eine feste Zeit im Stundenplan dafür festgesetzt haben. Aber es ist noch Luft nach oben. Wie viel ein Klassenrat wirklich bringt, hängt stark von Lehrperson und Schule ab. Ich weiß, dass Lehrkräfte im Schulalltag vielen Anforderungen gerecht werden müssen. Aber Demokratiebildung muss als Bildungsauftrag verstanden werden. Damit das Thema mehr Gewicht bekommt, müssen wir es im Studium und im Referendariat besser verankern. Und so bei den angehenden Lehrkräften ein kritisches Bewusstsein schaffen. Der Klassenrat kann eine gute Gelegenheit sein, um an der Haltung zu arbeiten und auch bestehende Machtverhältnisse kritisch zu hinterfragen.

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