Einzelhandel in München:Warten auf das Comeback der Kauflust

Lesezeit: 3 min

Es ist schon was los an diesem Samstag in der Münchner Innenstadt - aber vielen Menschen scheint der rechte Kaufwille derzeit zu fehlen. (Foto: Robert Haas)

Die Münchner Geschäfte werben mit teils drastischen Preisnachlässen. Doch leeren sich dadurch die vollen Lager?

Von Sabine Buchwald

Vier Buchstaben beherrschen in diesen Tagen die Münchner Innenstadt: S, A, L und E. Man sieht sie großflächig auf Plakaten an den Schaufenstern der Geschäfte kleben. Zusammen ergeben sie ein Fremdwort, das auf Italienisch "Salz" bedeutet, in der weiblichen Form auf Französisch "schmutzig" und in der englischen Sprache "Verkauf". In der längst eingedeutschten Bedeutung aber signalisiert das Wort "Sale": Hier purzeln die Preise, hier darf man Schnäppchen erwarten, die Lager werden geräumt. Die Geschäfte werben mit zehn bis 50 oder sogar mehr Prozent. Doch bisweilen beziehen sich die Angebote nur auf wenige Stücke.

Noch bis 2004 wurde der große Rausverkauf mit drei Buchstaben angekündigt, der je nach Saison an streng festgelegten Tagen mit einem W oder einem S begann. Seither aber gibt es keine gesetzlich geregelten Preisreduzierungen in dieser Form mehr. Der Winterschlussverkauf (WSV) ist nun zum Sale geworden. Und der hat in diesem Jahr, vor allem in den großen Warenhäusern, schon Wochen vor Weihnachten begonnen und wird auch jetzt fortgesetzt.

Viele, die nun in die Innenstadt kommen, weiß Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands München, wollen ihre Gutscheine einlösen, die sie unterm Weihnachtsbaum gefunden haben. Der Trend gehe schon seit Jahren in diese Richtung. Früher galten die Tage nach Weihnachten als Zeit, Geschenke umzutauschen. Durchschnittlich werden aber nur noch etwa fünf Prozent zurückgebracht. Lediglich bei Spielwaren liege die Umtauschquote etwas höher. Ganz klar, mit den Preisnachlässen versuche man Kunden anzulocken, so Ohlmann.

Bringen die Prozente wirklich mehr Kundschaft in die Läden der Münchner Fußgängerzone? Darauf setzt zumindest der Handel. (Foto: Robert Haas)

Gleich hinter dem Karlstor, am Anfang der Neuhauser Straße, klärt ein übergroßes Banner an der im Stil der Neorenaissance gebauten Fassade von Oberpollinger auf, dass auch hier neue Etiketten mit günstigeren Preisen verklebt sein könnten. Aber bei Weitem nicht auf alles. Das merkt man schnell, wenn man sich im Erdgeschoss an den Parfümerie- und Kosmetik-Ständen vorbei zu den exklusiven Mode- und Schmucklabeln durchgearbeitet hat. Die vielen abgetrennten Shop-im-Shop-Flächen machen es einem wirklich nicht leicht, sich zurecht zu finden.

Reduzierte Schuhe von Miu Miu oder eine Tasche von Prada? Vielleicht kann man so eine Shopping-Perle mit ganz, ganz viel Glück im Outlet finden? Das ist etwas versteckt im fünften Stock, wo es zwar fein, aber aufdringlich nach Essen riecht. Seit der Corona-Zeit, sagt die freundliche Verkäuferin, gebe es dieses Outlet rund ums Jahr. Was früher mal der WSV-Grabbeltisch war, sind jetzt prall gefüllte, nach Größen sortierte Kleiderstangen und jede Menge Schuhschachteln. Stiefeletten von Alexander Wang statt 639 Euro jetzt für 320? Ein silberfarbener Knautschlack-Mantel von Ienki Ienki für nur noch 520 Euro statt für 1300? Schon schick, aber braucht es das wirklich? Passt beides sowieso nicht richtig. Und bevor man im eigenen Mantel wie ein Schneemann zerfließt, zieht man wieder von dannen und bestätigt mit seinem eigenen Verhalten, was man in den Geschäften auf Nachfrage wieder und wieder hört: Das Geld sitzt nicht locker.

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"Viele Leute sind einfach klamm. Sie haben nicht mehr viel für Klamotten übrig."

"Ich kann die Leute schon verstehen", sagt beispielsweise die Verkaufsassistentin in einem Schmuckgeschäft in der Sendlinger Straße. Sie seufzt. "Wer weiß schon, ob man in einem halben Jahr noch seine Arbeit hat? Da kaufe ich doch keine Goldkette." In Bekleidungsgeschäften gilt in Bayern nur die Abstandsregel, in den Schmuckladen aber herrscht 2G. Der junge Mann, der gerade noch von dem roten Sale-Schild angezogen durch die Tür treten wollte, geht überrascht rückwärts wieder raus. An anderer Stelle hört man hinter vorgehaltener Hand von einem emsigen Verkäufer, der wie die Kollegin aus dem Schmuckgeschäft nicht mit Namen genannt werden möchte, verzweifelte Worte: "Viele Leute sind einfach klamm. Sie haben nicht mehr viel für Klamotten übrig."

Geduldig wartende potentielle Käuferinnen und Käufer sieht man an diesem Samstag vor allem vor kleinen Geschäften, in die nur wenige Kunden rein dürfen, und vor Modeläden, die ohnehin keine hohen Preise aufrufen und dann auch noch mit Super-Reduzierungen locken. 75 Prozent auf ausgewählte Artikel verspricht etwa die US-Marke Urban Outfitters, die für lässigen, bunten Boho-Lifestyle steht. Vor dem Eingang des Ladens treten vor allem junge Leute brav mit Abstand auf der Stelle.

Nicht nur der Kaufwille fehlt, sondern auch die Touristen

Abstand halten ist gut möglich. Das mag daran liegen, dass - jedenfalls gefühlt - nicht viele große Einkaufstüten in den Händen der Leute zu sehen sind, die im Weg wären. Eine Beobachtung, die statistisch nicht belegbar ist. Die Zahlen des Instituts Hystreet.com, das Passanten in den großen deutschen Einkaufsmeilen zählt, erhärten aber die Vermutung, dass es weit weniger wuselig zugeht, als zu Vor-Corona-Zeiten: 72 400 Personen waren an diesem Samstag auf der Kaufingerstraße unterwegs, 67 200 auf der Neuhauser Straße. Zum Vergleich: Am Samstag, 11. Januar 2020, zog es 114 360 Leute in die Kaufingerstraße.

Diese Zurückhaltung macht sich auch beim Umsatz bemerkbar. Der sei etwa um ein Drittel kleiner als vor Corona, sagt Ohlmann. "Es fehlt das Shopping-Feeling in der Innenstadt." Er erwartet Ende des Monats weitere Preisnachlässe, denn "das Weihnachtsgeschäft war für München eine Enttäuschung". Vor allem die kleineren Läden setze das unter Druck. Sie könnten bei diesem "Rausverkauf" nicht so gut mitmachen. Es fehle nicht nur der Kaufwille der Münchner, sondern auch die Touristen. Besucher aus den arabischen Ländern, aus Russland und China fehlten sehr. Und doch sagt Ohlmann: Er sei Optimist - und hoffe auf das Comeback der Kauflust.

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