Münchner Momente:Rollstuhlfahrer müssten einfach nur über den Verteilerkasten springen

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Die Rollstuhl-Rampe hinterm Stromkasten in der Hermann-Weinhauser-Straße in Berg am Laim. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Die Abteilung "Planungsfehler und Schludrigkeit" (PfuSch) hat zugeschlagen: Eine neue Rampe wird ausgerechnet hinter die Barriere gepflastert. Hätte man anders machen können? Wenn es so einfach wäre!

Glosse von Joachim Mölter

Man kann es nicht anders sagen und nicht behutsamer formulieren: Es sieht deppert aus.

Exakt an der Stelle, an der eine frisch angelegte, stufenlose Rampe in den Gehsteig mündet, versperrt ein grauer Verteilerkasten das Weiterkommen. Eine unüberwindbare Barriere auf einem offenkundig als barrierefreier Zugang gedachten Weg zu einem Büro-, Hotel- und Wohnkomplex - was für ein Schildbürgerstreich! Geschaffen vom Ressort "Planungsfehler und Schludrigkeit" (PfuSch), umgesetzt von der Abteilung "Maximal unrühmliche Rampen-Konstruktionsschäden" (MuRKs).

Passanten wundern sich, warum die Rampe nicht ein, zwei Meter weiter rechts oder links auf den Bürgersteig trifft, wo nichts im Weg steht. Der Kasten war ja schon lange an dieser Kreuzung beim S-Bahnhof Berg am Laim; er müsste aufgefallen sein, spätestens als die Fläche hinter ihm bebaut wurde. Hat denn keiner überlegt, dieses Hindernis zu umgehen?

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Ach, was wissen Laien schon von den wohl durchdachten Masterplänen von Experten? Ein Amateur weiß höchstens, dass die Europäische Union einst eine Gurkenkrümmungsverordnung erließ, aber er weiß nicht, ob es auch eine EU-Richtlinie zur Krümmung von Rampenradien gibt, die unweigerlich zu diesem Malheur geführt hat. Und auch nicht jeder weiß, wie Bürokratie hierzulande funktioniert: bei größeren Projekten möglichst viele Stellen einbinden mit unterschiedlichen Zuständigkeiten, so dass bei Pannen die Verantwortung jederzeit weitergeleitet werden kann.

Das Baureferat der Stadt München hat mit der Sache jedenfalls nichts zu tun. Es hat nur im Bebauungsplan Nr. 1971 ("Baumkirchen Mitte") die öffentlichen Verkehrsflächen festgesetzt und den privaten Investor des Gebäudekomplexes zur Planung und Herstellung dieser Verkehrsflächen auf eigene Kosten verpflichtet. Und eine Verkehrsfläche in Form einer Rampe hat der Investor ja nun installiert. Für den Verteilerschrank kann er nichts - der wird von einer deutschen Telekommunikationsfirma betrieben. Nun heißt es, der Kasten werde in Kürze aus dem Weg geräumt und einige Meter weiter nach Westen versetzt.

Warum nicht gleich? Warum überhaupt? Warum hat man nicht von vornherein so geplant, dass der Kasten nicht im Weg steht, er also hätte stehen bleiben können, wo er war? Es mag ja Gründe geben, aber die will der Laie gar nicht mehr wissen: Es sieht einfach deppert aus.

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