Feldversuch zur Mobilität:Wenn die Taxi-Rikscha mit den Päckchen kommt

Lesezeit: 3 min

Projektleiter Fabian Fehn steuert die Forschungsrikscha mit Elektroantrieb. Im Anhänger sind Päckchen und Pakete verstaut. (Foto: Robert Haas)

Zwei Münchner Forscher kombinieren den Transport von Menschen und Waren, die in die gleiche Richtung müssen. Das soll Verkehr und Emissionen reduzieren. In Zukunft könnten auch noch die Fahrerinnen und Fahrer eingespart werden.

Von Ilona Gerdom

Die blaue Elektro-Rikscha parkt vor dem Haupteingang der Technischen Universität (TU). Angekoppelt ist ein Anhänger mit Paketen. Etwa dreieinhalb Meter dürfte die ungewöhnliche Kombination lang sein. Mehrere Tage sind Roman Engelhardt und Fabian Fehn mit der Rikscha unterwegs gewesen - für ein Forschungsprojekt der TU. Die Idee: Sie sammeln Menschen, aber auch Pakete in der Maxvorstadt auf und kutschieren sie von A nach B. Ein Feldversuch, der einen Ausblick auf die Mobilität der Zukunft gibt.

Zugrunde liegt das Prinzip des "Ride-Pooling", das Anbieter in anderen Städten bereits verfolgen: Personen, die in eine ähnliche Richtung müssen, können sich eine Fahrt teilen. Bestellt und koordiniert wird das per App. Das Münchner Pilotprojekt nennt sich aber "Ride-Parcel-Pooling", denn es geht noch weiter: Nicht nur Menschen, auch Gegenstände können transportiert werden.

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Denn die Verknüpfung von Personen und Paketen könnte Fahrten und Emissionen sparen, erklärt Fehn. Im Idealfall zeige das Experiment, dass es möglich sei, beides überall in der Stadt flexibel zu kombinieren. Für den Feldversuch wurde eine Rikscha eigens angeschafft. Dazu kommen vier Gefährte inklusive Fahrer vom Anbieter "Lederhosen-Express".

Das eigens für das Experiment angeschaffte Gefährt parkt vor der Technischen Universität. (Foto: Fabian Fehn/TUM)

In Zukunft, so die Vision, wäre das Ganze dann nicht mehr an Rikschas und erst recht nicht an Fahrerinnen und Fahrer geknüpft, sondern laufe mithilfe autonom fahrender Busse ab. Automatisierte Mobilität ist auch der Kern des Projekts "Tempus" - das steht für "Testfeld München - Pilotversuch urbaner automatisierter Straßenverkehr". Die Rikschas sind ein kleiner Teil dieses umfassenden, unter anderem von Bund, Freistaat und Stadt geförderten Forschungsprojekts des Lehrstuhls für Verkehrstechnik.

Aber wenn es um autonomes Fahren geht, warum dann Fahrräder? Ganz einfach: "Für autonome Fahrzeuge ist es noch zu früh", erklärt Engelhardt. Außerdem sei die Elektro-Rikscha im Vergleich zu Autos oder Bussen nicht nur platzsparend, sondern auch "hundert Prozent ökologisch", ergänzt Fehn. "Die lokalen Emissionen sind bei null."

Per App werden Fahrten und Transporte gebucht

Der Feldversuch soll verschiedene Fragen beantworten. Die erste: "Funktioniert das alles, was wir uns ausgedacht haben?" Seit fünf Jahren setzen sich die zwei 30-jährigen Doktoranden wissenschaftlich mit digital gesteuertem Verkehr auseinander. Die größte Vorarbeit habe wohl die App gemacht. Da hätten sie bestimmt eineinhalb Jahre reingesteckt, erklärt Engelhardt. In der Wissenschaftssprache ausgedrückt wolle man nun "die Simulation über Realanwendung kalibrieren". Oder anders gesagt: Zu klären ist, ob man die App ordentlich nutzen kann.

Aus Sicht der beiden Forscher verhält es sich nämlich mit Simulationen so: "So lange alles ordentlich programmiert ist, flutscht es." Doch in der Realität sieht es oft anders aus. Da verklickt sich ein User vielleicht. Eine andere möchte die Fahrt spontan absagen. "Sowas kriegt man nur raus, wenn man's mal testet", stellen sie fest.

Etwa 110 Menschen haben sich trotz der kurzen Versuchsdauer nur von einer Woche bereits für das Projekt registriert. (Foto: Robert Haas)

Und es geht um die Frage: Machen die Leute da überhaupt mit? Das bisherige Fazit der Wissenschaftler: "Gerade gegen Ende der Woche ist das Projekt gut angekommen." Insgesamt hätten sich etwa 110 Personen registriert. Rund 300 Fahrten wurden in der App angefragt. Wobei nicht alle bearbeitet werden konnten. Dabei habe der Versuch mit der Schwierigkeit zu kämpfen gehabt, dass er nur eine Woche gelaufen sei.

Denn damit, so erklärt Fehn, entfielen zwei wichtige Punkte, die Nutzer solcher Dienste erwarteten: "Zuverlässigkeit und Beständigkeit". Wirklich viel über die Effekte von Mobilitäts- und Logistikkonzepten, in deren Mittelpunkt das Teilen steht, könne man überhaupt erst erkennen, wenn sie etabliert seien und von vielen genutzt würden.

Für Fehn und Engelhardt hat es sich vorerst ausgestrampelt. Für die beiden Forscher geht es nun an die detaillierte Auswertung des Versuchs. Nach den fünf Tagen Testphase kommt Fehn dennoch bereits zum Schluss: "Insgesamt ist es ein Modell, das den öffentlichen Nahverkehr auf jeden Fall ergänzen könnte." Überhaupt zeigte er sich begeistert darüber, wie gut die digitale Anwendung funktioniert habe. "Es wäre schade, wenn die jetzt in einer Schublade verschwindet", findet er.

Eine große Frage, wenn es um die zukünftige Kombination des Transports von Menschen und Produkten gehe, sei aber noch offen: Kann das Ganze zum "Business-Case", wie Fehn es nennt, werden? Oder anders gefragt: "Ist es kommerzialisierbar?" Denn, das sei zwar traurig, aber auch hier gelte: "Ohne Moos nichts los."

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