Werden in München bald schneller neue Radwege gebaut? Geht künftig Geschwindigkeit vor Sorgfalt? Der Beschluss, der in der Vollversammlung des Stadtrats mit den Stimmen der Rathaus-Koalition aus Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt getroffen wurde, klingt nach einem solchen Versprechen: "Die Stadtverwaltung wird beauftragt, bei der Realisierung aller geplanten Radentscheidungsmaßnahmen prioritär jene zuerst umzusetzen, die für den Radverkehr am schnellsten und effektivsten mehr Verkehrssicherheit ermöglichen", so lautet die Entscheidung im Wortlaut.
Aber was bedeutet das konkret? Wurde bisher Zeit verschenkt, weil zu aufwendig geplant wurde? Ist die Stadt wirklich bereit, Standards zurückzufahren, um die Verkehrswende zu beschleunigen? Vertreter der Fahrrad-Lobby sehen die Entwicklung gelassen.
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"Grundsätzlich begrüßen wir jede Beschleunigungsmöglichkeit von Radinfrastrukturprojekten. Wenn es also Wege gibt, durch baulich weniger aufwendige Maßnahmen schneller zum Ziel zu kommen, sind wir immer dabei", sagt Katharina Horn vom Bund Naturschutz (BN) in Bayern und Sprecherin für den Radentscheid München.
Andreas Schön, ebenfalls Radentscheid-Sprecher und Erster Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) München, sieht es ähnlich. Das Argument, dass wegen der Haushaltslage Radprojekte generell günstiger werden sollten, will er nicht gelten lassen: "So lange die Stadt den Schleißheimer Tunnel (für Autos; Anm. d. Redaktion) planen will, was zwischen zwei und vier Milliarden Euro kosten dürfte, sollte Geld da sein für Radwege."
Der Radentscheid München hatte das Ziel, durch ein Bürgerbegehren einen Rathausbeschluss herbeizuführen, durch den die Fahrradinfrastruktur in München gestärkt werden soll. Hierfür wurden 2019 in einem ersten Schritt etwa 160 000 Unterschriften gesammelt. Zu den Unterstützern gehörten neben ADFC und BN auch Green City, die ÖDP, die Linke und die Grünen. Im Juli 2019 beschloss der Stadtrat, die Ziele des Radentscheids zu übernehmen. Rückt er von dieser konsequenten Haltung nun ab?
Gudrun Lux von den Grünen widerspricht dieser Sicht. Mit dem Beschluss würden "keine Standards aufgeweicht". Um dem stark zunehmenden Radverkehr gerecht werden zu können - offizielle Zahlen sprechen von einer Zunahme um 30 Prozent seit 2019 - müsse es aber schneller gehen mit der Verkehrswende. "Dafür brauchen wir natürlich auch pragmatische und preiswerte Lösungen", so Lux.
Eine dieser Lösungen könnten mehr so genannte Protected Bike Lanes sein, also Fahrspuren, die mit vergleichsweise leicht zu installierenden Elementen abgegrenzt werden. In der Zeit der Corona-Pandemie entstanden mehrere solcher Lanes als Pop-up-Radwege. ADFC-Vertreter Andreas Schön mag sich dieser Idee gar nicht grundsätzlich verweigern, ein Hinweis ist ihm aber doch wichtig: Lösungen, bei denen die Belange aller berücksichtigt werden, sind aufwendig.
Protected Bike Lanes mögen vergleichsweise schnell auszuweisen sein. Sie kreieren aber Probleme, wenn hinter ihnen Parkplätze liegen, wenn Zonen für Lieferverkehr geschaffen werden sollen oder Busspuren zu berücksichtigen sind. "Alle zufriedenzustellen kostet einfach Geld", so seine Erfahrung. Er hofft deshalb nicht, dass die zahlreichen Radprojekte, die sich aktuell in der Planung befinden, noch einmal grundsätzlich überdacht werden: "Wenn man bei allem, was geplant ist, noch mal von vorne beginnt, würde das völligen Stillstand bedeuten."
Die Rechnung, schmalere Radwege würden Geld sparen, sei zudem zu kurz gedacht. Die drei Meter Breite, die im Entscheid gefordert wurden, seien keineswegs ein überzogener Anspruch, sondern schlicht die Norm, die für Radschnellwege vorgesehen sind, damit diese vom Bund gefördert werden. Schmale Lösungen, für die es keine Förderung gibt, könnten der Stadt am Ende sogar teurer kommen.