Verkehrswende:München verabschiedet sich von Luxus-Radwegen

Lesezeit: 2 min

Die Strecke in der Elisenstraße war als Pop-up-Radweg einfach aufgepinselt worden. Der Umbau soll dagegen 14 Millionen Euro kosten. (Foto: Smith/Imago)

Vier Jahre nach dem Radentscheid sind nur zwei Abschnitte fertig und zwei angefangen. Grün-Rot will nun einfacher und günstiger bauen - auch den 500-Meter-Abschnitt im Zentrum, der 14 Millionen Euro kosten soll.

Von Heiner Effern

Schneller, einfacher, günstiger - so will die Stadt künftig ihre neuen Radwege bauen. Das heißt auch, dass es Kompromisse bei den ursprünglich im Radentscheid festgesetzten höchsten Standards geben darf und soll. Mit einem entsprechenden Antrag im Stadtrat, der in der Vollversammlung auch gleich beschlossen wurde, justiert die Koalition aus Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt ihre Radpolitik neu. "Wir müssen schneller und effizienter werden", sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Anne Hübner.

Der Stadtrat hatte mit großer Mehrheit im Jahr 2019 zwei Bürgerentscheide übernommen, die sich für ein sicheres und flächendeckendes Radwegenetz in München inklusive des Altstadtrings einsetzten. Damit ist die Umsetzung eine Aufgabe der Kommune, die dabei allerdings nur sehr schleppend vorankommt. Die Initiatoren des Radentscheids bilanzierten vier Jahre danach, dass die Stadt zwei Abschnitte fertig und zwei begonnen habe. Vorgenommen hatte sie sich 65 neue Radweg-Strecken.

Den Frust bei vielen Radfahrern kann die SPD-Fraktionsvorsitzende verstehen. "Vieles dauert viel zu lange. Ist ja auch logisch, wenn man eine Straße von links nach rechts vollständig aufgräbt, um danach eine exakte Umsetzung des Radentscheid zu ermöglichen", sagte die Vorsitzende der SPD-Fraktion. Davon will ihre Fraktion weg, auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte sich kritisch zu den hohen Kosten für kurze Abschnitte geäußert.

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Die Grünen überließen es im Stadtrat weitgehend der SPD, die neue Strategie zu erklären. Fraktionssprecherin Mona Fuchs verwies wie ihre SPD-Kollegin Hübner auf die schwierige Haushaltslage. Bis 2025 solle der Radentscheid umgesetzt sein, sagte Hübner. "Wenn wir jetzt schauen, was tatsächlich realisiert wird bis dahin, müssen wir sagen, dass wir mit unseren sehr umfassenden und teuren Planungen ein erhebliches Zeitverzugsproblem haben."

Der Zustimmung der meisten Radler ist sich die SPD-Fraktionschefin sicher. "Die 160 000 Unterzeichner haben sich nicht das Kleingedruckte im Radentscheid angeschaut, die haben dafür abgestimmt, dass der Radverkehr da, wo er unsicher ist, schnell sicherer wird." Und noch ein Versprechen gab Hübner ab. Die Beteiligung der Öffentlichkeit bei solchen Verkehrsprojekten solle besser und transparenter werden, erklärte sie. Die Bürger sollten genau erfahren, wann sie nur informiert würden und wann sie tatsächlich noch etwas bewirken könnten.

Die Koalition reagiert mit ihrer Neuausrichtung beim Radwegebau auch auf die Kritik am geplanten neuen Radweg in der Elisenstraße. Der 500 Meter lange Abschnitt vom Lenbachplatz und bis zur Dachauer Straße sollte bis zu 13,8 Millionen Euro kosten. Nach dem Bau hätte er die allerhöchsten Standards erfüllt und als Teil des geplanten Radschnellwegs nach Fürstenfeldbruck Vorbildcharakter für andere Projekte entwickeln sollen. Die Grünen nannten den Abschnitt einen "Kristallisationspunkt" der Verkehrswende. Aus der Opposition kam heftige Kritik an den hohen Kosten, besonders da in der Pandemie bereits ein einfacher, breiter Radweg abmarkiert worden war.

Diese Pläne sollen nun nach dem Willen der Koalition auch nochmal diskutiert werden. Es handle sich nicht um eine Korrektur, sondern um eine "Präzisierung", sagte Hübner im Stadtrat. Die Grünen verwiesen darauf, dass die hohen Kosten vornehmlich auch wegen des nötigen Umbaus des Lenbachplatzes entstehen würden, an dem künftig Fußgänger einfach und sicher den Altstadtring queren können sollen. Dabei spreche man "von einer der größten innerstädtischen Kreuzungen", sagte Fraktionschefin Fuchs.

CSU und FDP sehen sich in ihrer Kritik am aus ihrer Sicht exzessiven Radwegebau bestätigt. "Das Rad wird von Grün-Rot gerade neu erfunden", sagte CSU-Stadträtin Veronika Mirlach. Wenn nun "ein Lerneffekt" eintrete, sei das "ein Erfolg für uns". Die CSU wolle sich neuen Radwegen nicht grundsätzlich verschließen, aber auch nicht immer gleich eine "radikale" Lösung akzeptieren. Bei der Lindwurmstraße etwa sei auch ihrer Fraktion klar, dass dort etwas passieren müsse für die Radfahrer.

Auch die FDP wertete ein Überdenken des "Prestigeprojekts" an der Elisenstraße als einen Fortschritt. Das Kristallisationsprojekt der Verkehrswende sei geschmolzen "wie Butter in der Sonne", sagte Stadtrat Fritz Roth. Wenn es nun eine "kleine Kehrtwende" in der Koalition gebe und das Augenmaß das Mantra von maximalen Breiten ablöse, dann "vielen Dank".

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