Landgericht:Eltern und Privatschule streiten vor Gericht um Zukunft von Schülerin

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Die Eltern sind unzufrieden, zahlen die Gebühren nicht, ihre Tochter droht durchzufallen. Da kommt selbst der Richter an seine Grenzen.

Von Stephan Handel, München

"Des wird schwierig", seufzt der Vorsitzende Richter. "So was hab ich überhaupt noch nie protokolliert." Immerhin: ein Urteil zu schreiben, das bleibt Stephan Reich erspart, denn Kläger und Beklagte haben einen Vergleich geschlossen nach einer ungewöhnlichen Landgericht-Verhandlung am Donnerstag.

Nina (Name geändert) wird bald 14 Jahre alt und soll in die neunte Klasse kommen an den Nymphenburger Schulen, die sie seit 2016 besucht. Sie ist, man muss das so sagen, keine besonders gute Schülerin: "Ohne Corona wäre sie durchgefallen", meint die stellvertretende Schulleiterin im Prozess. Dann aber kam die Pandemie, die Privatschule nahe dem Westfriedhof musste wie alle anderen den Präsenz-Unterricht einstellen. Mit dem virtuellen Unterrichtsangebot allerdings waren Ninas Eltern nicht zufrieden - und hörten auf, das Schulgeld zu bezahlen, immerhin 1000 Euro im Monat. Das wiederum wollte sich die Schule nicht bieten lassen und kündigte den Schulvertrag.

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Nina jedoch möchte gerne in Nymphenburg bleiben - also bezahlten ihre Eltern die ausstehenden Gebühren. Das überzeugte den Schulträger, einen eingetragenen Verein, jedoch nicht - er hielt an der außerordentlichen Kündigung fest. Nun zogen die Eltern vor das Landgericht, und weil das neue Schuljahr bald beginnt, wollten sie eine Einstweilige Verfügung erwirken, die ihrer Tochter den weiteren Schulbesuch ermöglicht. So die - juristische - Ausgangslage zu Beginn der Verhandlung. Sehr schnell wurde aber klar, dass es nicht um Verträge, Fristen und Mahnungen ging. Sondern darum, was das Beste sei für die schulische Karriere eines Mädchens zu Beginn der Pubertät.

Die stellvertretende Schulleiterin zählte Ninas Möglichkeiten auf: Sie ist zur Probe in die neunte Klasse aufgerückt, das heißt, im Dezember wird entschieden, ob sie nicht doch zurück muss, um die achte zu wiederholen. So oder so droht das Ende des ersten Schulhalbjahres - zu diesem Termin ist der Schulvertrag gekündigt, und, so die Pädagogin, daran würde die Schule auch festhalten, wenn sich die Leistungen nicht verbessern. Dann müsste in der Mitte des Schuljahrs eine neue Schule gefunden werden. "Ist das nicht ein bisschen viel an Veränderung?"

Das war aber genau das Argument der Eltern: Nina fühle sich wohl in der Klasse und wolle gerne da bleiben. Sie habe jetzt intensiven Nachhilfe-Unterricht, um die Lücken zu schließen, sowohl die von vor Corona wie die dadurch entstandenen. Außerdem sei Nina Legasthenikerin, das müsse ebenfalls berücksichtigt werden. Dem wiederum hielt die Lehrerin entgegen: Das Mädchen müsse den neuen Stoff bewältigen, das nachholen, was wegen Corona versäumt worden sei, und das, was ihr aus früheren Klassen noch fehle. "Da hat sie an der Schule einen Zehn-Stunden-Tag, dazu das Legasthenie-Training und die Nachhilfe - ein Kind muss doch auch mal Zeit zur Langeweile haben."

Am Ende stand ein Kompromiss, der jedoch weitere Zerwürfnisse offenbarte: Nina wird zur Probe in die neunte Klasse aufgenommen, im Dezember wird entschieden, ob sie bleiben kann oder in die achte zurück muss. Der Schulvertrag endet zum Halbjahr, dann entscheidet die Schule, ob ein neuer Vertrag geschlossen werden soll. Die Gebühren bis dahin müssen die Eltern im Voraus auf einmal bezahlen. Und: Jede Kommunikation zwischen Schule und Eltern läuft nur mehr über die Mutter, der Vater verpflichtet sich, im neuen Jahr nicht mehr als Klassenelternsprecher zu kandidieren. "Sie haben uns sehr viel Ärger und Arbeit bereitet", sagte der Anwalt des Trägervereins, der praktischerweise auch dessen Schatzmeister ist. Nun muss sich weisen, ob das für Nina eine gute Entscheidung war.

© SZ vom 28.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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