Prozess in München:"Ich zünde euch alle an"

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Ein 21-Jähriger steht wegen versuchten Mordes in zehn Fällen vor Gericht: Er soll mit einem Molotowcocktail und Benzin Menschen im Vorraum einer Bar bedroht haben.

Von Susi Wimmer

"Das ist ein junger Mensch", sagt Murat S., der habe Mist gebaut, "das kommt vor." Und: "Ich möchte gar nicht, dass er eine Strafe bekommt." Auf der Anklagebank sitzt Uche O., gerade 21 Jahre alt geworden. Die Gefängnisstrafe, die ihn erwarten könnte, ist hoch, denn er ist vor dem Landgericht München I angeklagt unter anderem wegen versuchten Mordes in zehn Fällen. Uche O. war in der Shisha-Bar von Murat S. in Haidhausen aus nichtigem Grund ausgerastet und kam später mit einem Molotowcocktail und mit Benzin getränkten Zeitungen zurück. Im Vorraum der Bar soll er Gäste mit Benzin bespritzt und gedroht haben: "Ich zünde euch alle an!" Barbesitzer Murat S. sagt: "Ich hab' ihm dann eine osmanische Watschn verpasst." Daraufhin ergriff Uche O. die Flucht.

War der Molotowcocktail dazu geeignet, eine Explosion herbeizuführen? Hätten die mit Benzin getränkten Zeitungen ausgereicht, um den Boden vor der Bar im dritten Stock eines großen Geschäftshauses anzuzünden? Wurden Gäste mit Benzin bespritzt, waren sie in Lebensgefahr? Diese Fragen soll ein Brandexperte des Landeskriminalamtes in seinem Gutachten beantworten. Die Jugendstrafkammer unter dem Vorsitz von Richter Stephan Kirchinger muss urteilen, ob Uche O. vorhatte, aus niedrigen Beweggründen zehn Menschen im Vorraum der Bar zu töten.

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Die Gäste seien panisch aus dem Lokal geflohen

Als Uche O. und seine Freunde am 7. März des vergangenen Jahres in die Bar am Orleansplatz kamen, waren sie angetrunken und wollten sich am Box-Automaten vergnügen. Einer von ihnen gab einen 50-Euro-Schein ein, der Automat wechselte nicht. Im Namen seines Freundes wollte sich Uche O. beschweren. Der Barbesitzer sagt, der junge Mann sei völlig ausgerastet, sei gegen den Automaten gesprungen und habe Gläser geworfen. Die Gäste seien panisch aus dem Lokal geflohen. Daraufhin habe man O. nach draußen bugsiert.

Bei der Aktion allerdings verlor O. sein Handy in der Bar. Er ging zur Polizei am Ostbahnhof, später in die Ettstraße, aber niemand habe ihm helfen können. Dann füllte er an der Tankstelle in der Joseph-Spital-Straße Benzin in eine Plastikflasche und fuhr zurück zum Ostbahnhof. "Mein Plan war, dass er das Benzin riecht und mir mein Handy gibt", behauptet Uche O. Und: Er habe sich entschuldigen wollen. "Mit einem Molotowcocktail in der Hand?", fragt Kirchinger. "Ich hätte es nicht angezündet, so dumm bin ich auch nicht", sagt O. Allerdings räumt er ein, mit dem Molotowcocktail in der rechten und dem Feuerzeug in der linken Hand am Rädchen des Einwegfeuerzeugs gedreht zu haben. "Vielleicht ging es um die Ehre?", bohrt Kirchinger weiter, zumal O. zuvor erklärt hatte, er sei als "Scheiß-Neger" beschimpft worden. "Ich lebe seit acht Jahren hier", sagt der gebürtige Nigerianer, "es ist nicht das erste Mal, dass ich rassistisch beleidigt werde."

Uche O. wuchs in Lagos aus, erfuhr mit 13 Jahren von seiner Mutter, dass sein Vater in Deutschland lebe und er nun zu ihm solle. "Am Flughafen habe ich ihn zum ersten Mal gesehen", erzählt er. Aber in der neuen Familie seines Vaters lief es auch nicht zum Besten. Mit 15 Jahren zog er aus, lebte bei Freunden und auf der Straße, brach einige Lehren ab und lebte von Gelegenheitsjobs. Ein Urteil wird in drei Wochen erwartet.

© SZ vom 03.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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