Kriminalstatistik:Zahl der Straftaten im Corona-Jahr 2020 leicht gesunken

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Insgesamt wurden im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums München 2020 genau 97 439 Straftaten registriert. (Foto: dpa)

Es gab in München weniger Taschen- und Ladendiebstähle, dafür aber mehr Internetbetrug, mehr Sexualdelikte - und mehr Streit.

Von Julian Hans

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der registrierten Straftaten in München erneut leicht gesunken. Gleichzeitig weist der am Freitag veröffentlichte Sicherheitsreport des Polizeipräsidiums bei einzelnen Deliktgruppen starke Abweichungen im Vergleich zu den Vorjahren auf, die offenbar auch mit der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Veränderungen im Leben der Stadt zusammenhängen. Teilweise verlagerte sich die Kriminalität ins Internet. Es gab weniger Taschen- und Ladendiebstähle, aber mehr Internetbetrug, mehr Sachbeschädigungen und mehr Streit.

Die Geschäfte hatten über Monate geschlossen und aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nahm die soziale Kontrolle im öffentlichen Raum ab. Da Kneipen und Gaststätten ebenfalls lange zu waren, wurden weniger Straftaten unter Alkoholeinfluss begangen. Es gab weniger Einbrüche in Wohnungen, aber mehr Einbrüche in verwaiste Büros, Kindergärten und Schulen. Betrügereien bei Anträgen auf Corona-Hilfen haben zu einem starken Anstieg bei den Betrugsdelikten geführt. Anders als erwartet gab es derweil nur wenig mehr Anzeigen wegen häuslicher Gewalt.

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Insgesamt wurden im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums München 2020 genau 97 439 Straftaten registriert - 189 weniger als im Vorjahr. Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz sind dabei nicht berücksichtigt. Das entspricht einem Rückgang von 1,3 Prozent. Gleichzeitig stieg die Gewaltkriminalität um mehr als fünf Prozent auf 4077 Delikte. Wohnungseinbrüche gingen um fast neun Prozent auf 1007 Fälle zurück. Die Zahl der Diebstähle aus Kellern und Speichern stieg um mehr als 28 Prozent auf 1184. Taschendiebstähle nahmen um 23 Prozent ab, 1134 Fälle wurden hier bekannt.

Trotz stetig wachsender Einwohnerzahl verzeichne München erneut die niedrigste Kriminalitätsrate seit über 40 Jahren, sagte Polizeipräsident Thomas Hampel: "München ist zum 45. Mal deutscher Meister in Sachen Sicherheit." Während Berlin, Köln, Hamburg und Frankfurt alle jeweils mehr als 10 000 Straftaten pro 100 000 Einwohner registrierten, seien es in München fast halb so viele: 5279.

Die Zahlen sollten allerdings nicht als Auflistung aller 2020 verübter Straftaten missverstanden werden. Bei der polizeilichen Kriminalitätsstatistik handelt es sich um eine sogenannte Ausgangsstatistik. Taten werden erst erfasst, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind und die Akten der Staatsanwaltschaft übergeben wurden. In mehr als 62 Prozent der Fälle konnten Tatverdächtige ermittelt werden. Damit verbesserte sich die Aufklärungsquote um ein knappes Prozent. Durch das Verfahren sind aber auch starke Schwankungen möglich, insbesondere wenn größere Tatkomplexe aus der Vergangenheit aufgeklärt werden, die absoluten Gesamtzahlen aber nicht hoch sind.

So etwa beim sogenannten Callcenterbetrug, wo die Zahl der Fälle um mehr als 90 Prozent in die Höhe schnellte auf 6113. Unter Callcenterbetrug versteht man unter anderem Anrufe von falschen Polizisten, die Senioren dazu drängen, Bargeld und Wertsachen an angebliche Kollegen zu übergeben, um sie vor Einbrechern in Sicherheit zu bringen. Diebstähle durch den sogenannten Wohnungszugangstrick haben sich um 100 Fälle auf 201 sogar fast verdoppelt. Auch hier spielen alte Fälle eine Rolle, die erst jetzt Eingang in die Statistik fanden, heißt es im Sicherheitsreport.

Stark zugenommen hat auch die Zahl der Sexualdelikte in der Statistik. Sie stieg um fast 31 Prozent auf 1705 Sexualstraftaten in Stadt und Landkreis München. Ein großer Anteil an diesem Anstieg ist auf die Zunahme bei der Verbreitung pornografischer Schriften um 77 Prozent auf 372 Fälle zurückzuführen. In den allermeisten Fällen handelte es sich dabei um Kinderpornografie. Hier habe eine Rolle gespielt, dass vermehrt Taten online angezeigt wurden. Außerdem wurden Akten, die schon lange auf dem Tisch der Ermittler lagen, im vergangenen Jahr der Staatsanwaltschaft übergeben.

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Die Zahl exhibitionistischer Handlungen hat um mehr als 40 Prozent auf 257 Fälle zugenommen, die Zahl sexueller Übergriffe und sexueller Nötigung stieg um 27 Prozent auf 164 Fälle. 324 Fälle von Vergewaltigung und besonders schwerer sexueller Nötigung wurden gezählt, ein Anstieg um mehr als 16 Prozent. Beim sexuellen Missbrauch von Kindern registrierte die Polizei einen Anstieg um fast 13 Prozent auf 201 Fälle. Bei den Sexualdelikten handle es sich "in jedem Fall um eine absolut verwerfliche Tat", sagte Polizeipräsident Hampel. Das für Sexualdelikte zuständige Kommissariat 15 sei im vergangenen Jahr personell verstärkt worden.

Die starke Zunahme bei Mord und Totschlag in der Statistik begründet die Polizei ebenfalls mit Fällen aus früheren Jahren, die im vergangenen Jahr abgeschlossen werden konnten. Der Sicherheitsreport führt für 2020 sechs Morde und 20 Mordversuche sowie sieben Fälle von Totschlag und 31 Fälle von versuchtem Totschlag auf.

Die Zunahme von Fällen häuslicher Gewalt um knapp drei Prozent auf 3016 liege im Bereich der üblichen Schwankungen, erklärte der Polizeipräsident. "Ein Zusammenhang mit Folgen der Corona-Pandemie ist nicht zu erkennen." Allerdings stieg die Zahl zivilrechtlicher Schutzanordnungen, bei denen Gerichte gegen die fast immer männlichen Partner Näherungs- und Kontaktverbote ausgesprochen hatten, um fast neun Prozent auf 702.

Offenbar bedingt durch den geringeren Straßenverkehr während des Lockdowns waren leichte Verkehrsunfälle 2020 nicht mehr der häufigste Grund, weshalb die Polizei ausrücken musste. Mit fast sieben Prozent führen erstmals Ruhestörungen das Ranking an. 21 211 Mal wurde die Polizei deshalb gerufen. An zweiter Stelle standen Verkehrsbehinderungen mit 20 072 Einsätzen, danach folgte die Aufnahme von insgesamt 19 770 leichten Verkehrsunfällen.

Nur in zwei Fällen mussten Beamte 2020 von der Schusswaffe Gebrauch machen. In einem Fall wehrte ein Beamter sich gegen einen Messerangriff. Der Angreifer wurde schwer verletzt. Im anderen gab es keine Verletzten.

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