Callcenter-Betrug:Nach Ermittlungen der Münchner Polizei: Festnahmen in Libanon

Lesezeit: 2 min

Callcenter-Betrug: Zunächst waren es Kriminelle aus Polen, später operierten Gruppen aus der Türkei. Das Callcenter in Beirut ist nun das achte, das die Münchner Polizei seit 2015 zerschlagen hat (Symbolfoto). (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die Polizei in Beirut hat aufgrund von Hinweisen der Münchner Kriminalpolizei neun Menschen festgenommen. Sie sollen mit betrügerischen Anrufen vor allem ältere Menschen in Deutschland um beträchtliche Summen geschädigt haben.

Von Joachim Mölter

Münchner Ermittler haben erneut ein betrügerisches Callcenter im Ausland zerschlagen - diesmal in der libanesischen Hauptstadt Beirut. "Das kommt nicht alle Tage vor", freute sich der für Organisierte Kriminalität zuständige Oberstaatsanwalt Kai Gräber, als er am Dienstag im Polizeipräsidium über den spektakulären Fall berichtete: "Es zeigt, wie weit der Arm der Münchner Strafverfolger reicht."

In Beirut hat die dortige Polizei aufgrund von Hinweisen der Münchner Kripo und von internationalen Haftbefehlen der hiesigen Staatsanwaltschaft bereits im September neun Personen festgenommen, die im Verdacht stehen, mit betrügerischen Telefonanrufen vor allem ältere Menschen in Deutschland um beträchtliche Summen geschädigt zu haben. Dabei hatten sich die Anrufer als Polizeibeamte ausgegeben und den Senioren angeboten, Wertsachen in Verwahrung zu nehmen, weil sie angeblich ins Visier von Einbrechern geraten seien. Sogenannte Abholer nahmen die Beute dann in Empfang und brachten sie umgehend ins Ausland.

Über eine solche Abholerin sind die Münchner Ermittler dem Callcenter in Beirut auf die Spur gekommen, allerdings auf sehr verschlungenen Wegen, wie die Kriminaloberkommissarin Desiree Schelshorn von der Arbeitsgruppe (AG) Phänomene am Dienstag erzählte.

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Durch die Vernehmung der im Juni 2022 festgenommenen Frau wurden sie auf einen 28 Jahre alten Komplizen aus München aufmerksam, der zuletzt von Istanbul aus für eine kriminelle Callcenter-Bande tätig war, dort rund 10 000 Euro unterschlug und seitdem von dem Clan verfolgt wird.

Weil in diesem Zusammenhang die Mutter des Münchners bedroht wurde, erstattete sie Anzeige. Über verschiedene Überwachungsmaßnahmen stießen die Münchner Ermittler dann auf einen 39-Jährigen aus Bremen, der sein betrügerisches Geschäft von Istanbul nach Beirut verlegt hatte.

"Wir sind immer davon ausgegangen, dass die Banden nur in der Türkei operieren, und wir hatten schon befürchtet, dass in Libanon unsere Ermittlungen enden", gab Schelshorn zu. Aber dem war keineswegs so: Die Kollegen in Beirut erwiesen sich als sehr kooperativ.

Sieben der neun Verhafteten befinden sich noch in Untersuchungshaft, zwei musste die libanesische Polizei wieder laufen lassen. Unter den Festgenommenen befinden sich zwei deutsche Staatsangehörige, der bereits erwähnte 39-Jährige sowie ein 21-Jähriger. Auslieferungsersuchen sind in Arbeit, wie Gräber sagte, allerdings haben die Verfahren in Libanon Vorrang. Das gilt auch für die Auswertung der sichergestellten Beweismittel.

In der Landeshauptstadt können sie deshalb noch gar nicht sagen, wie viele Münchnerinnen und Münchner von der Beiruter Bande geschädigt worden sind. Wie Hans-Peter Chloupek, der Leiter der AG Phänomene, berichtete, haben die Kriminellen deutschlandweit Opfer gefunden; aus Bayern sind derzeit eine Handvoll bekannt.

Wie Oberstaatsanwalt Kai Gräber bilanzierte, war Beirut bereits das achte Callcenter, das die Münchner Spezialisten seit 2015 zerschlagen haben. Zunächst waren es Kriminelle aus Polen, die mit dem sogenannten Enkeltrick vorgegangen waren; später operierten Gruppen aus der Türkei mit der Masche der falschen Polizeibeamten.

Seit diesem Jahr setzen die Verbrecher verstärkt auf sogenannte Schockanrufe, um ihren Opfern teils beträchtliche Summen abzuschwatzen. In jüngster Zeit geben sie sich sogar als falsche Staatsanwälte aus, wie die echte Münchner Staatsanwaltschaft erst in dieser Woche warnte.

Weil nicht mit einem Ende der Callcenter-Betrügereien zu rechnen ist, ist die 2017 ins Leben gerufene AG Phänomene aufgewertet worden. "Die AG war seinerzeit ja eher aus der Not geboren", sagte Chloupek, "jetzt wird sie in ein eigenes Kommissariat überführt." Seit Dienstag firmieren Chloupek und seine aktuell 26 Beamten starke Expertengruppe als Kommissariat 61, kurz K61.

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