Mögliche Olympia-Bewerbung:Dieter Reiter spricht sich für Sommerspiele aus

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Die erfolgreiche Durchführung der European Championships im Sommer 2022 stimmt Reiter positiv. (Foto: Stephan Rumpf)

Für Winterspiele sieht der Münchner OB hingegen keine Chance. Am Voralpenrand ist man ähnlicher Meinung. Ohne Zustimmung der Bürger schließt Reiter ohnehin jede Art der Bewerbung aus.

Von Heiner Effern, Matthias Köpf und Joachim Mölter

Der Olympiapark flirrte, im immer noch faszinierenden Stadion gingen die Fans aus sich heraus, wie man es in München bei Leichtathletik-Wettbewerben seit 50 Jahren nicht mehr erlebt hatte. Überall in der Stadt waren Zuschauer, Athletinnen und Athleten unterwegs, alles lief fröhlich, lässig und geschmeidig. Bei den European Championships 2022 wurde ein Geist aus der Flasche gelassen, den die Politiker nun nicht wieder einfangen wollen: Olympische Sommerspiele in München. Schon Ende vorigen Jahres sprachen sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und eine Mehrheit im Stadtrat für eine neuerliche Bewerbung aus, nun bekräftigte Reiter zu Beginn einer Findungsphase des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) das Interesse.

Der DOSB evaluiert gerade eine gemeinsame Olympia-Kandidatur mehrerer Städte für Sommer 2036 oder 2040 oder aber Winter 2038 oder 2042. Um die Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen, startete der DOSB eine Kampagne unter dem Motto "Deine Idee. Deine Spiele". Mit der soll erst einmal geklärt werden, wie man sich eine Bewerbung aus Deutschland vorstellt und wünscht. Als Kandidaten haben sich außer München bislang Berlin, Hamburg, Leipzig und das Ruhrgebiet ins Gespräch gebracht.

Bei seiner Absichtserklärung verwies Reiter explizit auf die European Championships: "Es war eine sensationelle Veranstaltung, bei der die Münchnerinnen und Münchner begeistert mitgegangen sind", sagte er dem Bayerischen Rundfunk (BR). Das könnte die Chancen deutlich verbessern, "dass wir den Bürgerentscheid gewinnen können - wenn wir es gut vorbereiten". Ohne Zustimmung der Bürger werde sich die Stadt nicht bewerben. Beim letzten Olympia-Anlauf, dem für die Winterspiele 2022, fiel das Vorhaben in der Landeshauptstadt und bei den Partnergemeinden am Alpenrand flächendeckend durch.

Keine Chance für Winterspiele in München

Das Thema Winterspiele ist für den OB damit erledigt. "Ich sehe keine Chance für Winterspiele in München", sagte er dem BR. "Winterspiele sind ausgeschlossen", bekräftigte auch Anne Hübner, die Sprecherin der SPD-Stadtfraktionsfraktion, mit der Reiters Vorgehen abgestimmt ist. Einige Wintersportarten müssten ohnehin ausgelagert werden, nach Garmisch-Partenkirchen zum Beispiel. Aber die dortige Bürgermeisterin Elisabeth Koch (CSU) will von Winterspielen in ihrem Ort ebenfalls nichts wissen. "Da diskutiere ich gar nicht drüber", sagt sie und erklärt: "Ich kenne doch meine Berge, ich sehe, wie sich das Klima verändert. Das ist doch aus der Zeit gefallen!"

Lediglich Inzells parteifreier Bürgermeister Hans Egger könnte sich für Winterspiele im Voralpenland erwärmen. "Die Region ist eine Wintersport-Destination, die alles hergibt", findet er. Inzell, Ruhpolding, Berchtesgaden, Garmisch - das seien "lauter Orte, die schon Weltmeisterschaften ausgetragen haben". Deshalb solle man "Olympia wieder in die Region bringen", sofern das Konzept passe. Wobei Inzell da wohl nicht unbedingt auf München angewiesen ist: Zuletzt hatte sich der Ort mit Tirol und dann auch Graz/Schladming auf eine letztlich gescheiterte Bewerbung für 2026 vorbereitet.

Dieter Reiters Haltung ist jedoch eindeutig: "Wenn Olympia, dann Sommerspiele". Die Idee, sich mit anderen Städten für eine gemeinsame Bewerbung zusammenzutun, hält er für "ein einmaliges Pfund, mit dem wir wuchern können" im Vergleich zur internationalen Konkurrenz. Bevor es dazu kommt, will er freilich erst einmal mit den Münchnerinnen und Münchnern debattieren, auch über die Rolle des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Das agiert ja nicht nur unter permanentem Korruptionsverdacht, sondern verstört auch mit seiner indifferenten Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine - und deren Hauptstadt Kiew ist ja immerhin eine Partnerstadt Münchens.

Im Stadtrat zeichnet sich wie schon Ende letzten Jahres eine Mehrheit für eine Bewerbung ab. Nichtsdestotrotz äußert Anne Hübner auch ein gewisses Unbehagen, wenn es um das IOC geht. Hans Theiss, der stellvertretende Chef der CSU-Fraktion, findet: "Man kann nicht immer schimpfen, dass Diktaturen Fußball-Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele ausrichten und sich dann selbst vom Acker machen. Da muss man mit einer Institution wie dem IOC zurande kommen und auch etwas schlucken."

Hübner bringt Bürgerentscheid ins Spiel

Theiss ist jedenfalls dafür, dass sich München "unbedingt für Sommerspiele bewerben" soll: "Das ist ein extrem großer Wurf für die Stadt" und könnte einen enormen Entwicklungsschub geben. "Da kommen Mittel in die Stadt aus anderen Ebenen, das könnte zum Beispiel bei der Finanzierung der geplanten U9 helfen." Auch Anne Hübner erkennt Chancen durch die Sommerspiele, findet aber wie ihr OB: "Es bräuchte einen Bürgerentscheid dafür. Man muss den Menschen verdeutlichen, was es bringen würde für die Stadt." Zum Beispiel den Bau eines neuen Olympischen Dorfes, welches danach als Wohnraum für die Münchner dient. So eine Siedlung kann sie sich im Nordosten der Stadt vorstellen: "Das könnte auch Akzeptanz schaffen für die ganzen Baumaßnahmen dort draußen."

Selbst eine Bewerbung für das historisch belastete Jahr 2036 - genau ein Jahrhundert nach den Nazi-Spielen von Berlin - sieht Hübner nicht als problematisch. "Wir haben uns ja schon 1972 mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandergesetzt", sagt sie, "ich bin sicher, dass wir einen würdevollen Umgang mit der Erinnerung an 1936 finden würden."

In der Regierungskoalition sind nur die Grünen zurückhaltend, was Olympia-Pläne angeht. "Es gibt keine grundsätzliche Befürwortung oder Ablehnung im Moment", sagt Beppo Brem, der sportpolitische Sprecher der Stadtratsfraktion. "Wir sind gerade dabei, uns grundsätzlich Gedanken zu machen, um welche Veranstaltungen sich München bewerben soll und auf welche Kriterien wir Wert legen: Was passt zu München, wofür wollen wir stehen? Dazu haben wir uns noch keine dezidierte Meinung gebildet." Zudem gebe es auch in seiner Partei, in der Stadtratsfraktion wie im Kreisverband, "sehr kritische Stimmen gegen das IOC", erinnert Brem. Da müsse man erst einmal sehen: "Ändert sich da was?"

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