Olympia-Attentat von 1972:Die tragische Seite der heiteren Spiele

Lesezeit: 2 min

Die Polizei patrouilliert vor den Zugängen zum Olympischen Dorf. Bei dem Attentat wurden elf israelische Sportler und ein Polizist ermordet. (Foto: Max Scheler/SZ Photo)

Historiker mahnen, bei den Feierlichkeiten im Jubiläumsjahr der Münchner Spiele den Anschlag auf Israels Sportler nicht zu vergessen.

Von Joachim Mölter

Es ist schon bezeichnend, wenn die Geschichte einer Tragödie auf deutschem Boden nicht von deutschen Historikern in Deutschland erforscht und aufgeschrieben wird, sondern in erster Linie von einem Amerikaner in den USA: David Clay Large gilt als Experte, was die politische Bedeutung Olympischer Spiele in Deutschland angeht, der 76-Jährige hat Bücher geschrieben über Berlin 1936 und München 1972. Und weil es gerade zur letztgenannten Veranstaltung hierzulande kaum wissenschaftliche Arbeiten gibt, war der Professor Large zu einem Vortrag eingeladen worden vom Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität, genauer: von der Abteilung für Jüdische Geschichte und Kultur. Thema des von San Francisco aus per Zoom-Konferenz zugeschalteten Large: "Die Erinnerung an die Morde: Die Terror-Attacke auf die Münchner Spiele nach 50 Jahren."

Nun dauert es noch einige Wochen, bis überhaupt mal das Jubiläumsjahr der Olympischen Spiele von 1972 in München beginnt, und sogar noch fast ein Dreivierteljahr, ehe sich die Ereignisse dann tatsächlich jähren. Aber von dem Frühstart erhoffen sich die hiesigen Historiker "einen besseren Weg, der Ereignisse im nächsten Jahr zu gedenken", wie es Gastgeber und Moderator Michael Brenner zum Abschluss des einstündigen Vortrags am Mittwochabend sagte. Denn aus den Ausführungen seines Kollegen Large war deutlich hervorgegangen, wie schwer sich das Internationale Olympische Komitee (IOC), die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern und auch die Kommune München mit der Aufarbeitung dessen getan haben und noch tun, "was traurigerweise das prägende Vermächtnis dieses Sportfests geworden ist", wie Large es formulierte: die Ermordung von elf israelischen Sportlern und einem bayerischen Polizisten durch eine Guerilla-Gruppe namens "Schwarzer September".

Die Hinterbliebenen kämpften jahrzehntelang um ein würdiges Gedenken

David Clay Large ordnete die Spiele von 1972 ja nicht nur in den weltpolitischen Zusammenhang jener Jahre ein und hob den beabsichtigten Kontrast zu den Protzspielen der Nazis in Berlin hervor: In München sollte alles leichter und weniger martialisch sein, von den Farben über die Bauten bis zum Auftreten der Polizisten. Er beschrieb auch all die Schwächen des (Sicherheits-)Systems, die letztlich am 5. September zur Katastrophe auf dem Fürstenfeldbrucker Flugfeld führten. Und vor allem erzählte er über den mühsamen, jahrelangen Kampf der Hinterbliebenen um ein würdiges Gedenken an die Opfer.

Im Grunde dauerte es 45 Jahre, ehe im Münchner Olympiapark eine Gedenkstätte installiert wurde, die nun an die tragische Seite der anfänglich so heiteren Spiele erinnert. Quasi als "offene Wunde oder Narbe", wie Large anmerkte. "Spät, aber nicht zu spät", fand Bayerns damaliger Kultusminister Ludwig Spaenle, als der Ort im September 2017 eingeweiht wurde. Michael Brenner regte am Mittwoch an, die Installation sollte "eine wichtige Gedenkstätte für den Besuch von Schulklassen sein, genauso wie das Konzentrationslager in Dachau".

Die Stadt plant für das Jubiläumsjahr allerlei Aktionen, unter anderem hat sich München erfolgreich um die "European Games" beworben, Europameisterschaften in neun olympischen Sportarten. Mit allem kulturellen Drumherum soll es fröhlich zugehen im Olympiapark. Aber auch die Erinnerung an die Morde sollte "ein bedeutender Teil der Feierlichkeiten sein", findet David Clay Large; schließlich seien auch die tragischen Ereignisse von 1972 "ein fundamentaler Teil des Sportfestes" gewesen. Man sollte sich an beides erinnern, rät der Amerikaner, an die Freude von damals und auch an die Trauer. Sein Kollege Michael Brenner erhofft sich auch einen Impuls für die Geschichtswissenschaft: "Ich hoffe, dass auch in Deutschland mehr geforscht wird." Auch wenn das Versagen der Deutschen beim Olympia-Attentat von 1972 ein unangenehmes Thema ist, das die meisten am liebsten verdrängen möchten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: