Null Acht Neun:Die Leere nach der Wiesn und wie man damit fertig wird

Lesezeit: 1 min

Nach der Wiesn stellt sich in München ein Gefühl der inneren Leere ein. Wohin mit den lustigen Kostümen, mit dem unbedingten Willen zum Kollektivrausch? Was man jetzt am besten mit der frei gewordenen Energie anstellt.

Glosse von Christiane Lutz

Nun, da in dieser Woche sowohl das Oktoberfest als auch die Passionsspiele in Oberammergau, Deutschlands schönste sinnstiftende Erlebnisse mit Musik, zu Ende gegangen sind, grassiert in München und ganz Bayern ein ganz neues Gefühl der inneren Leere. Die Frage, die sich jetzt alle stellen: Wohin mit den lustigen Kostümen, mit dem unbedingten Willen zum Kollektivrausch? Wer oder was erlöst uns jetzt, wo Jesus sich die Haare abgeschnitten hat und das letzte bierselige "Angels" verklungen ist? Und vor allem: Wohin jetzt mit der freigewordenen Energie?

Praktisch wäre natürlich, es ließe sich eben jene Energie direkt in Wärme für überteuerte Münchner Altbauwohnungen umwandeln, aber davon sind selbst die tüchtigen Bayern noch ein paar Jahrzehnte technische Entwicklung entfernt.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Sich über die Berliner Rapper von K.I.Z zu empören, die sich in einem Song über das Oktoberfest lustig machen, wäre vielleicht eine hübsche Idee. Die Band hatte, so schrieb die Bild diese Woche, "unsere Wiesn" als "Suff-Koks-Kotz-Vergewaltigungs-Arie" dargestellt. Das dazugehörige Musikvideo mit filmischen Schnipseln von Menschen unten ohne und betrunkenen Kopulationsversuchen auf dem Oktoberfest war von Youtube gelöscht worden, aber eher wegen der pornografischen Inhalte, nicht wegen des Angriffs auf "unsere Wiesn". Empörung ist immer eine Option, nicht nur für die Bild, allerdings auch etwas kleingeistig und nicht sehr zeitfüllend. Zumal K.I.Z vielleicht ausnahmsweise auch ein kleines bisschen recht haben mit ihren Beobachtungen.

Hier also ein paar andere, praktische wie sinnlose Vorschläge, die Zeit bis zum Advent zu investieren: Mit Laubbläsern herumblasen. Sich vor Corona zu Hause verstecken. Oder aber den München-Marathon rückwärts laufen, so wie das eine Moderatorin eines Münchner Privatradiosenders am Wochenende vorhat, eine sogenannte "Challenge". Zitat der Moderatorin: "Rückwärts laufen, das ist ja eine ganz andere Nummer. Man muss dauernd zurückschauen." Völlig richtig.

All das sind legitime Tätigkeiten. Die freigewordene Energie sollte nur bitte bloß nicht in Zubereitung, Aushöhlung, dekoratives Arrangement oder ins Fotografieren von Kürbissen aller Art gesteckt werden. Denn Kürbisse, das muss an dieser Stelle mal gesagt werden, sind wirklich das Allerletzte. Diese zu orangefarbenen Haufen aufgetürmte Nutzlosigkeit, diese Penetranz in Vorgärten und Schaufenstern. Der Kürbis ist die furchtgewordene Umständlichkeit, nur gemacht, um Menschen irgendwie bis Halloween zu beschäftigen. Dabei sind Kürbisse, einmal ausgehöhlt, sowieso nach fünf Tagen verschimmelt. Die geschmackliche Bedeutungslosigkeit, ach, ist da noch das kleinste Problem. Also bitte: nicht drauf reinfallen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Angela Merkel bei 77-Jahre-SZ-Feier
:"Ihre Zeitung ging und geht mit der Zeit"

Die "Süddeutsche Zeitung" war für Altbundeskanzlerin Angela Merkel ein ständiger Begleiter. Bei der 77-Jahr-Feier betont sie den hohen Wert der Pressefreiheit, lobt die Meinungsvielfalt in der SZ und sagt, worüber sie sich vor allem zu Beginn ihrer politischen Karriere geärgert hat.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: