"Mapping Neuperlach":Unterschätzt, aber heiß geliebt

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Etwa 30 Menschen erzählen in dem 40-minütigen Film über ihr Verhältnis zu Neuperlach. (Foto: Robert Haas)

In einem Video, das derzeit an Hauswände im Quartier projiziert wird, erzählen 30 Neuperlacher, was ihnen an ihrem Stadtteil gefällt - und warum er zu den am meisten unterschätzten Vierteln Münchens zählt.

Von Patrik Stäbler

"Neuperlach ist der Stadtteil, der sich lohnt zu entdecken - und herzukommen und sich anzuschauen." Sagt Richard, der Architekt. Aus Neuperlach. "Ja, Neuperlach-Identität kann man relativ kurz beschreiben: NPL 83, Oida!" Sagt Helmut, der Streetworker. Aus Neuperlach. "Meiner Meinung nach ist Neuperlach ein Paradies auf Erden." Sagt Erika, die seit 1991 hier wohnt. In Neuperlach.

All diese Aussagen dröhnen an diesem Herbstabend nicht nur aus dem Lautsprecher. Sondern man sieht auch die Bilder der Sprechenden - auf der Fassade eines siebenstöckigen Gebäudes an der Albert-Schweitzer-Straße, unweit des U-Bahnhofs Quiddestraße. Per Beamer werden einzelne Interview-Sequenzen an verschiedene Stellen der Hochhauswand geworfen, wo die Gesichter von Richard, Helmut, Erika und den anderen metergroß zu sehen sind. Gut 20 Menschen haben sich hier für das Kunstprojekt eingefunden. Darüber hinaus bleiben etliche Leute stehen - viele mit Einkaufstüten oder einem Kaffeebecher in der Hand - und gucken nach oben, gefesselt von dem Film über ihren Stadtteil.

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"Viele, die nicht hier wohnen, reden abfällig über Neuperlach." Sagt Eckhard, der 1968 einer der ersten 250 Bewohner war. "Der Neuperlacher unterscheidet sich von einem Schwabinger darin, dass der Schwabinger gar nicht weiß, was Neuperlach ist." Sagt Peter vom Verein Kulturbunt.

"Mapping Neuperlach" heißt das Projekt von Karnik Gregorian und Bülent Kullukcu in Kooperation mit dem Verein Kulturbunt. Die Idee dahinter: Die Häuserwände des Stadtviertels sollen als "topographische Leinwände" dienen, auf denen Menschen, die hier wohnen und arbeiten, von Neuperlach erzählen. Mit der Aktion soll ein Teil des urbanen Lebens in München sichtbar werden, das den zwei Künstlern zufolge "in der öffentlichen Wahrnehmung sehr unterrepräsentiert ist". Zwar hätten viele eine vage Vorstellung von Neuperlach, die geprägt sei vom Klischee des Problemviertels, sagt Gregorian: "Aber ich bin mir sicher, dass neunzig Prozent der Münchner noch nie hier waren. Jeder denkt, was zu wissen, aber niemand weiß, was wirklich Sache ist."

Für ihr Mapping-Projekt haben Gregorian und Kullukcu zirka 30 Menschen interviewt - von der Schülerin bis zum Rentner, vom Pfarrer bis zum Graffitikünstler. Ihre Aussagen haben sie zu einem 40-minütigen Film zusammengeschnitten, der nun an verschiedenen Orten in Neuperlach gezeigt wird. Der Clou daran: Das Arrangement der Interviewsequenzen ist stets auf die jeweilige Fassade abgestimmt - sei es nun ein Hochhaus oder die Sankt-Jakobus-Kirche.

Geht es nach Bülent Kullukcu (links) und Karnik Gregorian, ist das Mapping in Neuperlach nur der Auftakt zu einer Serie von Videoprojekten aus verschiedenen Stadtvierteln. (Foto: Robert Haas)

"Ich erlebe einen großzügig gebauten Stadtteil. Ich erlebe sehr viele einfache Menschen, natürlich auch viele in prekären Situationen." Sagt Bodo, der Pfarrer in Neuperlach. "Es ist so schön gemischt. Es gibt Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und aus einer Menge von Völkern auf der Erde. Und man kriegt mit, dass die miteinander auskommen können." Sagt Maximilian, der seit 30 Jahren hier lebt.

In den nächsten Wochen wird es drei weitere Mappings in Neuperlach geben. Zudem wollen die Künstler ihren Film auch in der Innenstadt zeigen - "am besten auf der Fassade des Rathauses", sagt Kullukcu und grinst. Geht es nach ihm und seinem Partner, dann ist "Mapping Neuperlach" nur der Auftakt zu einer Serie von Videoprojekten aus verschiedenen Stadtvierteln. "Nächstes Jahr wollen wir uns das Hasenbergl vornehmen", sagt Gregorian. "Das ist ja quasi das Pendant zu Neuperlach im Norden."

Was die zwei Künstler im Zuge des Projekts selbst über Neuperlach gelernt haben? "Mir ist aufgefallen, dass das Stadtviertel viel grüner ist, als ich dachte." Sagt Karnik Gregorian, der Dokumentarfilmer und Journalist. "Mich hat überrascht, dass viele Leute aus der Innenstadt überhaupt nicht auf dem Plan haben, dass es diesen Stadtteil Neuperlach überhaupt gibt." Sagt Bülent Kullukcu, der Regisseur und Musiker.

Weitere Vorführungen von "Mapping Neuperlach" gibt es am 5. November am Theodor-Heuss-Platz, am 12. November bei einer Tour durchs Viertel und am 19. November an der Sankt-Jakobus-Kirche. Treffpunkt ist jeweils um 18 Uhr vor dem Kulturhaus Neuperlach an der Albert-Schweitzer-Straße 62.

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