SZ-Serie: München natürlich:"So heiß, dass er zu brennen scheint"

Lesezeit: 2 min

Susanne Renner misst dem Aronstab im Botanischen Garten jeden Tag die Temperatur. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Gefleckte Aronstab hat einige rätselhafte Eigenschaften - und kann beeindruckende Temperaturen annehmen.

Von Thomas Anlauf

Sie beobachtet ihn täglich, fotografiert ihn und misst ihm sogar regelmäßig die Temperatur. Eigentlich müsste der Gefleckte Aronstab genau jetzt zu blühen beginnen. Schon in der vergangenen Woche sah es so aus, als könnte diese außergewöhnliche Pflanze bald ihr Hochblatt öffnen und ihren beißenden Geruch verströmen. "Wenn er mitgespielt hätte", erzählt Susanne Renner, dann hätte er sich am Donnerstagnachmittag wenige Stunden vor dem Öffnen der Spatha auf bis zu 31 Grad erhitzt. Er hat nicht mitgespielt. Der Aronstab hat noch nicht genügend Hitze.

Susanne Renner ist fasziniert von dem Gewächs, das direkt vor ihrem Büro im Botanischen Garten wächst. Der Aronstab ist eine der ganz wenigen Pflanzen, die tatsächlich eine Art Fieber bekommen. Thermogenese heißt das, beim Öffnen des Blütenkolbens wird Stärke in Wärme umgewandelt, die Temperatur der Pflanze steigt unabhängig von der Umgebungstemperatur auf mehr als 30 Grad. Schon der französische Botaniker Jean-Baptiste de Lamarck (1744 - 1829) hatte über das Phänomen geschrieben. In einem bestimmten Stadium der Entwicklung werde der Aronstab "so heiß, dass er zu brennen scheint". Dieser "Zustand dauert nur wenige Stunden", schrieb der Biologe.

SZ-Serie: München natürlich
:In Moosach lebt eine Sensation: die Küstenstrauchschrecke

Biologen glauben, dass die Tiere einst als blinde Passagiere mit dem Zug angereist sind. Die Geschichte einer exotischen Heuschrecke.

Von Thomas Anlauf

"Der Grund dafür ist gut erforscht", sagt die Direktorin des Botanischen Gartens, die auch Professorin für Systematische Botanik und Mykologie an der Ludwig-Maximilians-Universität ist. Durch die verströmende Hitze "wird der Duft des Aronstabs kurzzeitig stärker". Dadurch werden spezielle Insekten angelockt, die den Aronstab bestäuben sollen. Es ist die Schmetterlingsmücke, auch Abortfliege genannt, die normalerweise ihre Larven in Kot legt. So ähnlich riecht auch der Aronstab, die Mücke lässt sich vom Geruch täuschen. Sie rutscht dann an winzigen Öltröpfchen hinab in die Blüte. Am nächsten Morgen verschwindet das Gleitmittel und die Mücke kann wieder entkommen. "Die Larven überleben da drinnen nicht", sagt Susanne Renner, die Mücke habe also überhaupt nichts von der Bestäubung.

Doch was Susanne Renner derzeit besonders beschäftigt am Aronstab ist ein Verhalten, das der Forschung bis heute Rätsel aufgibt. Fast unabhängig von der Witterung im Frühling beginnt der Aronstab ( Arum maculatum) im Botanischen Garten fast auf den Tag genau am 14. April zu blühen. Damit reagiert er offenbar nicht auf den Klimawandel und steigende Temperaturen wie andere Pflanzen, etwa die Gewöhnliche Kuhschelle. Susanne Renner stellt gerade eine noch nicht veröffentlichte Analyse zu dem Phänomen an. "Diese Analyse ist nur möglich, weil wir in Hohenpeißenberg die weltälteste Klimastation mit Temperaturdaten seit 1781 haben", sagt sie. Susanne Renner hat die Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes mit dem Blühbeginn des Aronstabs verglichen. Einer ihrer Vorgänger als Gartendirektor, der berühmte Naturforscher Carl Friedrich von Martius, ließ 1844 im heutigen Alten Botanischen Garten 500 Pflanzen beobachten, darunter auch den Aronstab. Susanne Renner hatte damit den Blühzeitpunkt von vor 176 Jahren und trug zahlreiche weitere aus anderen Jahren zusammen. Dabei stellte sie fest, dass der Blühtermin in München jeden Frühling fast exakt gleich liegt.

Was der genaue Auslöser für den Tag des Erblühens ist, muss Susanne Renner noch herausfinden. Natürlich geht sie davon aus, dass die Pflanze auf die Tageslänge reagiert. Doch welche Gene die Blühphase beeinflussen und woran der Aronstab die richtige Tageslänge misst, ist noch nicht bekannt. "Ein spannendes Thema", findet die Biologin. Vor drei Jahren fieberten viele Münchner übrigens mit einem Verwandten des Aronstabs mit. Die Titanwurz begann am 5. Juni 2017 zu blühen - in einem Alter von fast 18 Jahren. Die Verwandtschaft mit dem Aronstab kann man übrigens riechen. Sie stinken beide ziemlich stark.

© SZ vom 18.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Serie: München natürlich
:Ein echtes Münchner Gewächs

Ranunculus monacensis kommt weltweit nur in der Landeshauptstadt vor. Am besten gedeiht der Goldhahnenfuß an warmen Standorten, meist auf Friedhöfen.

Von Thomas Anlauf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: